Magenentleerungsszintigraphie

Bei der Magenentleerungsszintigraphie (MESz) handelt es sich um ein diagnostisches Verfahren der Nuklearmedizin, welches zur Diagnostik einer verzögerten oder beschleunigten Magenentleerung beim Vorliegen von verschiedenen Krankheiten eingesetzt werden kann. Primär erfolgt der Einsatz der Magenentleerungsszintigraphie bei Verdacht auf eine Magenentleerungsstörung im Rahmen eines Diabetes mellitus, da aufgrund des Diabetes mellitus eine autonome Neuropathie (Funktionseinschränkung des vegetativen Nervensystems) entstehen kann.

Beurteilbare Strukturen

Die Magenentleerungsszintigraphie ermöglicht die genaue Bewertung der Magenfunktion durch Visualisierung des zeitlichen Verlaufs der Nahrungspassage. Folgende Strukturen und Funktionen können dabei beurteilt werden:

  • Magendynamik: Bestimmung der benötigten Zeit, bis der Magen die Hälfte der aufgenommenen Nahrung entleert hat (Halbwertszeit der Magenentleerung).
  • Verteilungsmuster des Radiopharmakons: Beobachtung, wie sich das Radiopharmakon im Magen verteilt und durch den Magen-Darm-Trakt bewegt, was auf motilitätsbeeinflussende Pathologien hinweisen kann.
  • Anomalien der Magenwandbewegung: Aufdeckung von regionalen Motilitätsstörungen innerhalb des Magens, die auf strukturelle oder funktionelle Anomalien hindeuten können.

Indikationen (Anwendungsgebiete)

Magenfunktionsstörung mit verzögerter Entleerung:

  • Verdacht auf eine Gastroparese (Magenlähmung) − die durch den Diabetes entstehende autonome Neuropathie ist besonders problematisch, da nur bei einer physiologischen Funktion des Gastrointestinaltraktes (Magen-Darm-Trakt) eine adäquate medikamentöse Einstellung des Diabetes erfolgen kann.
    Mithilfe der Magenentleerungsszintigraphie lässt sich eine reproduzierbare Messung der Magenentleerung durchführen. Die Relevanz der szintigraphischen Untersuchung ist groß, da in durchgeführten Studien gezeigt werden konnte, dass mehr als ein Drittel der untersuchten Patienten eine deutlich verzögerte Entleerung aufweisen und auch nach 90 Minuten nach Applikation des Radiopharmakons noch mehr als 50 % Restaktivität des Radiopharmakons vorhanden ist.
  • Pylorusstenose (Magenpförtnerverengung) − hierbei handelt es sich um eine Einengung des Pylorus (Magenpförtner) am Übergang zum Duodenum (Teil des Dünndarms). Der Einfluss der Stenose auf die Magenentleerung kann mittels Magenentleerungsszintigraphie überprüft werden. 
  • Duodenalstenose (Verengung des Zwölffingerdarms) − bei dieser in der Regel angeborenen Einengung des Lumens (Öffnung) stellt die Magenentleerungsszintigraphie ein wertvolles diagnostisches Mittel bei der Überprüfung der Magenentleerung dar.

Magenfunktionsstörung mit Dumping-Syndrom (beschleunigter Entleerung):

  • Partielle Gastrektomie (= Magenteilresektion bzw. Magenresektion, bei der nur ein Teil des Magens entfernt wird zur Behandlung gutartiger Erkrankungen des Magens und Duodenums/Zwölffingerdarm) − im Rahmen einer operativen Verkleinerung des Magens wird die Magenentleerung beschleunigt.
  • Vagotomie − die Vagotomie stellt ein therapeutisches Verfahren zur Behandlung eines Ulcus ventriculi (Magengeschwür) dar, bei dem Äste der Vagusnerven durchtrennt werden. Da der Vagusnerv einer der entscheidenden Faktoren für die Regulation der Magenentleerung ist, kann mittels Magenentleerungsszintigraphie die Beeinflussung der Magenfunktion bestimmt werden.
  • Pyloroplastik− durch chronische Ulzera (Geschwüre) besteht die Möglichkeit, dass der Magenausgang verkleinert wird. Durch die Pyloroplastik, eine operative Therapie, wird der Magenausgang längs eröffnet und quer verschlossen, was zur beschleunigten Magenentleerung führen kann.
  • Fundoplikatio − diese operative Maßnahme wird beim Vorliegen einer erosiven (Schädigungen der Schleimhaut) Refluxösophagitis (Entzündung der unteren Speiseröhre durch einen Reflux (Rückfluss) von Magensaft in die Speiseröhre) mit Versagen der medikamentösen Therapie eingesetzt und kann als Komplikation mit einem Dumping-Syndrom einhergehen.
  • Magenhochzug (Engl. gastric pull-up) − bei diesem operativen Therapieverfahren handelt es sich um eine Methode zur Rekonstruktion des Passagewegs nach der Durchführung einer Ösophagektomie (operative Entfernung der Speiseröhre).
  • Mikrogastrie − die Mikrogastrie stellt einen angeborenen Defekt des Magens dar, der durch eine deutliche Verkleinerung des Magens definiert ist.

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

Relative Kontraindikationen

  • Laktationsphase (Stillphase) – das Stillen muss für 48 Stunden unterbrochen werden, um eine Gefährdung des Kindes zu verhindern.
  • Wiederholungsuntersuchung – innerhalb von drei Monaten sollte aufgrund der Strahlenbelastung keine Wiederholung einer Szintigraphie durchgeführt werden.

Absolute Kontraindikationen

  • Gravidität (Schwangerschaft)

Vor der Untersuchung

  • Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit: Um eine aussagekräftige Magenentleerungsszintigraphie gewährleisten zu können, dürfen vor der Untersuchung mindestens 6 Stunden lang keine Nahrung und keine Flüssigkeit vom Patienten aufgenommen werden. Außerdem sollten vor der Untersuchung noch eine Blasen- und Darmentleerung erfolgen.
  • Medikamenteneinnahme: Überprüfung und Anpassung der Medikamente, die die Magenmotilität beeinflussen könnten, ist erforderlich.
  • Patientenvorbereitung: Eine gründliche Aufklärung über den Ablauf der Untersuchung zur Minimierung von Bewegungsartefakten und zur Sicherstellung der Kooperation ist erforderlich.
  • Applikation des Radiopharmakons: Für die Durchführung der Magenentleerungsszintigraphie erfolgt bei Erwachsenen eine orale Applikation des radioaktiven 99mTechnetium Albu-Res in Form einer Testmahlzeit. Normalerweise wird eine Menge von 3-5 MBq (Millibecquerel) verabreicht. Das radioaktive Radiopharmakon wird beispielsweise zusammen mit zwei gebratenen Rühreiern auf Toast dem Patienten zugeführt.

Das Verfahren

Die Magenentleerungsszintigraphie stellt ein hochsensitives Verfahren zur Erkennung einer Magenentleerungsstörung dar. Aufgrund der vorhandenen Strahlenbelastung sollte es jedoch nicht in der Routinediagnostik oder ohne Prüfung von diagnostischen Alternativen eingesetzt werden. Um vergleichbare Ergebnisse bei der Magenentleerungsszintigraphie zu erzielen, sollten standardisierte Testmahlzeit genutzt werden.

Während der Untersuchung wird der Oberkörper des Patienten hochgelagert. Direkt nach der Aufnahme der radioaktiv markierten Mahlzeit werden Sequenzaufnahmen gemacht. Der Zeitaufwand für die Sequenzaufnahmen unter Verwendung einer Gammakamera beträgt 2 Stunden. Zusätzlich können nach 4 und/oder 24 Stunden weitere Aufnahmen des Ösophagus gemacht werden, um einen möglichen Reflux nachzuweisen.

Im Anschluss an die Untersuchung erfolgt eine computergestützte Auswertung der Szintigraphie. Physiologisch (normal) wäre eine Halbwertszeit der Magenentleerung von weniger als 50 Minuten.

Mögliche Befunde

  • Normale Entleerung: Die Entleerung folgt den erwarteten zeitlichen Parametern ohne Anzeichen von Verzögerungen oder Beschleunigungen.
  • Verzögerte Magenentleerung: Längere Verweildauer des Radiopharmakons im Magen, typisch bei Gastroparese ("Magenlähmung") oder anderen motilitätsmindernden Zuständen.
  • Beschleunigte Magenentleerung: Schnellere Passage des Radiopharmakons, charakteristisch für Zustände wie das Dumping-Syndrom (Symptomenkomplex, die nach Operationen am Ösophagus und Magen auftreten können).
  • Inhomogene Verteilung des Radiopharmakons: Kann auf lokale Obstruktionen (Verschlüsse) oder Dysfunktionen (Fehlfunktionen) der Magenwand hindeuten.

Nach der Untersuchung

  • Ergebnisüberwachung: Nachbesprechung der Ergebnisse mit dem Patienten, insbesondere bei Auffälligkeiten, die eine weitere klinische Bewertung erfordern.
  • Ernährungsempfehlungen: Abhängig von den Ergebnissen der Szintigraphie können spezifische Ernährungsempfehlungen gegeben werden, um die Magenentleerung zu optimieren.
  • Weitere Diagnostik: Bei abnormen Ergebnissen können weitere diagnostische Schritte eingeleitet werden, um die Ursache der Magenentleerungsstörung genauer zu bestimmen.

Mögliche Komplikationen

Die Strahlenbelastung durch das verwendete Radionuklid ist eher, als gering einzustufen. Trotzdem ist das theoretische Risiko eines strahleninduzierten Spätmalignoms (Leukämie oder Karzinom) erhöht, sodass eine Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen sollte.

Durch eine reduzierte Blasenentleerung kann die Strahlenexposition deutlich höher sein als im Normalfall. Aufgrund dessen sollte insbesondere in der Anamnese auf Anomalien der Blasenentleerung eingegangen werden.

Literatur

  1. Zahn AM: Vergleich der Magenentleerungsmessung mit 13 C – Oktansäure mit der Magenentleerungsszintigraphie bei Diabetikern. Validierung des 13 C – Oktansäureatemtests und Prüfung der Korrelation von klinischen Symptomen und autonomer Funktionsdiagnostik mit den erhobenen Befunden zur Magenentleerung. Dissertation. 2003.
  2. Piepho T: Pathogenetische Faktoren der Reflux–assoziierten chronischen Erkrankung der Lunge: Die Magenentleerungszeit. Dissertation. 2004
  3. Spickeneder M, Haubrock I, Esdorn E, Kammeier A, Burchert W: Praktische Durchführung einer Magenentleerungsszintigraphie (MESz). Deutsche Gesellschaft für Nuklearmedizin. 2005.
  4. Weber E, Meller J: Magenentleerung. Deutsche Gesellschaft für Nuklearmedizin 2003.