Vergiftungen (Intoxikationen) – Weitere Therapie
Verdacht auf Intoxikationen: Sofort Notruf absetzen! (Rufnummer 112)
Häufig werden Vergiftungen rein symptomatisch therapiert.
Allgemeine Hinweise
Alles mitbringen, was helfen kann die Vergiftungsursache festzustellen:
- Medikamente bzw. Medikamentenverpackungen
- Lebensmittelreste
- Erbrochenes
- Produkte, die vergiftungsursächlich sein können
Allgemeine Maßnahmen
- Immer auf Selbstschutz achten!
- Kontakt mit der Giftinformationszentrale (Giftnotruf: siehe unten)
- Monitoring
- Ggf. Reanimationsmaßnahmen (Sicherung der Vitalfunktionen)
- Bei Vergiftung über die Haut Kleidung entfernen, Haut reinigen
- Begrenzter Alkoholkonsum (Männer: max. 25 g Alkohol pro Tag; Frauen: max. 12 g Alkohol pro Tag)
Absorptionsmindernde Maßnahmen
Frühe, einmalige Aktivkohlegabe
- Indikationen (Anwendungsgebiete): zahlreiche Medikamente, Alkaloide oder Vitamin-K-Antagonisten
- Kontraindikationen (Gegenanzeigen): Aufnahme ätzender Substanzen (z. B. anorganische Säuren), tensiden oder flüssigen Kohlenwasserstoffen; insbesondere auch bei nicht durch Intubation geschützen Atemwegen
Magenspülung
- Indikationen: Nur noch bei lebensbedrohlicher Vergiftung innerhalb von 60 Minuten nach der Aufnahme des Giftstoffes indiziert
- Kontraindikationen: bei Verätzungen mit Säuren und Laugen, flüssigen Kohlenwasserstoffen wie Benzin, ungesicherte Atemwege bei nicht-vorhandenen Schutzreflexen
Bei Verätzungen: Soweit möglich, den Mund des Patienten mit kohlesäurefreiem Wasser ausspülen und ihn einige kleine Schlucke Wasser trinken lassen. - Die Magenspülung soll nur noch von erfahrenen Anwendern durchgeführt werden
- Spülportionen 200-400 ml; durchführen, bis Spülflüssigkeit klar zurück kommt
- Danach Aktivkohle und Laktulose zuführen
Induziertes Erbrechen
- Nicht mehr als Routinemaßnahme indiziert
- 30 ml Ipecacuanha-Sirup (Erwachsene)
Antegrade Darmspülung
- Wenn eine rasche Ausscheidung des Darminhalts erforderlich ist, um eine Resorption potentiell letaler (tödlicher) Wirkstoffmengen zu vermeiden
- Indikationen: Retard-Wirkstoffe, im Darm transportierte illegale Drogen
Laxantien (Abführmittel)
- Der Einsatz von Sorbitol oder Natriumsulfat wird nicht mehr empfohlen
Eliminationsbeschleunigende Maßnahmen
Wiederholte Aktivkohlegabe
- Indikationen: lebensbedrohliche Vergiftung mit Medikamenten (Carbamezepin, Chinin, Dapson, Phenobarbital, Theophyllin)
Forcierte Diurese
- Stark vermehrte Harnproduktion mit Hilfe von Diuretika (Arzneimittel, die die Wasserausscheidung des Körpers mit dem Harn fördern)
- Indikationen: schwere Lithium-, Salicylate-, Barbital-, Phenobarbital-, Thallium-Intoxikation
- Durchführung: Kristalloide + Furosemid
- Immer Kontrolle von Wasser-/Elektrolyt-Haushalt
Urinalkalisierung
- Indikationen: Salicylate-, Barbiturate-Intoxikation
- Durchführung: Bikarbonat-Infusion
- Zielwerte: Blut-pH < 7,55, Urin-pH 7-8
Hämodialyse (Blutwäsche)
- Indikationen: Intoxikation mit kurzkettigen Alkoholen (Methanol, Ethylenglykol), bei der bereits eine Azidose eingetreten ist; Carbamazepin, Calcium, Lithium, Metformin, Phenytoin, Salicylate, Valproat
Hämoperfusion
- Kaum noch eingesetztes Blutreinigungsverfahren
- Indikationen: lebensbedrohliche Intoxikation mit Alkylphosphate, Carbamazepin, Chinin, Dapson, Herbizide, Phenobarbital, Theophyllin, Valproinsäure
Plasmapherese
- Abtrennung des Plasmas von den zellulären Blutbestandteilen
- Indiziert bei Hirudin-Überdosierung
Antidota
- Siehe medikamentöse Therapie bzw. nachfolgend unter "Spezielle Therapie"
Spezielle Therapien
Alkohol
- Fomepizol
- Hämodialyse (Blutwäsche)
Analgetika (Schmerzmittel)
- Paracetamol ‒ Acetylcystein (ACC)
Designerdrogen
- Gamma-Hydroxybuttersäure (GHB), 1,4-Butandiol, Gamma-butyrolacton (Liquid Ecstasy)
- Methamphetamin und -Derivate (u.a. als Badesalz, Pflanzennahrung etc. angeboten), "Spice", THC, Aztekensalbei, halluzinogene Pilze, Kratom, Hawaiian Baby Woodrose ‒ symptomatische Therapie
Ethylenglykol (Kühlerfrostschutzmittel)
- Fomepizol
- Hämodialyse (Blutwäsche)
Gase, Rauche
- Brandrauch (neben Kohlenmonoxid auch Cyanwasserstoff) ‒ Hydroxocobalamin
- 4-Dimethylaminophenol (4-DMAP) bei gleichzeitiger Cyanwasserstoff- und Kohlenmonoxid-Vergiftung kontraindiziert
Kohlenmonoxid
- Brandrauch, defekte Heizgeräte, unsachgemäße Anwendung von Holzkohlegrills; Wasserpfeifenkonsum ‒ Sauerstoff: normo- bzw. hyperbar (> 10 l/min)
Psychotrope Substanzen
- Frühzeitige Magenspülung oder einmalige Gabe von Aktivkohle innerhalb der ersten Stunde nach Einnahme (bei Sedierung kontraindiziert!)
- Anhebung des Blut-pH-Wertes mit Natriumhydrogencarbonat reduziert kardiale Arrhythmien (Herzrhythmusstörungen)
Opioide
- Opioid-Antagonist Naloxon
Organisationen und Selbsthilfegruppen
- Giftinformationszentrum-Nord, Telefon: 0551/1 92 40 (Jedermann) und 38- 31 80 (Fachleute)
- München: Giftnotruf. Toxikologische Abteilung der II. Medizinischen Klinik rechts der Isar der Technischen Universität München, Telefon: 089/1 92 40 Telefax: 089/41 40-24 67, E-Mail: Tox@lrz.tum.de
- Schweiz, Zürich: Schweizerisches Toxikologisches Informationszentrum (STIZ), Telefon: +41 44 251 51 51 (Notfälle), +41 44 251 66 66 (allgemeine Anfragen) Telefax: +41 44 252 88 33, E-Mail: Info@toxi.ch
- Österreich, Wien: Vergiftungsinformationszentrale Gesundheit Österreich GmbH, AKH Leitstelle 6 Q Telefon, Notruf: +43 (0)1/406 43 43 Telefon, Allgemeine Beratung: + 43 (0)1/4 04 00 22 22, Telefax: +43 (0)1/4 04 00 42 25, E-Mail: Viz@meduniwien.ac.at