Durchflusszytometrie

Die Durchflusszytometrie (Flusszytometrie; engl. Flow Cytometry) ist eine analytische Methode zur gleichzeitigen multiparametrischen Quantifizierung physikalischer und chemischer Eigenschaften einzelner Zellen oder Partikel in Suspension (Schwebelösung). Sie gehört zu den Schlüsseltechnologien der modernen Labormedizin und findet breite Anwendung in der Immunologie (Abwehrmedizin), Hämatologie (Blutkrankheiten), Onkologie (Krebsmedizin) und Transplantationsmedizin (Organ- und Stammzelltransplantation).

Zielsetzung und Wirkung

  • Quantifizierung zellulärer Merkmale – Zellgröße, Granularität (Zellstruktur), DNA-/RNA-Gehalt, Expression von Oberflächen- und intrazellulären Markern (z. B. Proteine).
  • Differenzierung zellulärer Subpopulationen – insbesondere von Immunzellen (Abwehrzellen; z. B. T-, B-, NK-Zellen).
  • Analyse seltener Zellereignisse – z. B. zirkulierende Tumorzellen oder minimale Resterkrankung (MRD; verbleibende Krebszellen nach Therapie).
  • Funktionstests – z. B. Zellzyklusanalysen, Proliferationsmarker (Teilungsfähigkeit), Apoptose- und Phagozytosetests (Zelltod- und Fresszellfunktion).

Indikationen (Anwendungsgebiete)

  • Immunphänotypisierung bei hämatologischen Neoplasien (Blutkrebsformen) – z. B. akute Leukämien, Non-Hodgkin-Lymphome.
  • Diagnostik primärer Immundefekte (angeborene Abwehrschwäche) – quantitative und funktionelle Analyse von Lymphozyten-Subpopulationen.
  • Monitoring nach Stammzell- oder Organtransplantation (Überwachung nach Transplantationen) – Chimerismusanalyse (Mischzellnachweis), Immunsuppressionseffektivität.
  • Autoimmunerkrankungen (Abwehrsystem greift Körper an) – z. B. B-Zell-Depletion (Ausschaltung) nach Rituximab-Therapie.
  • Infektionsmedizin – z. B. CD4/CD8-Monitoring bei HIV (Verlaufskontrolle).
  • Blutgruppen- und Kompatibilitätsdiagnostik – z. B. bei HLA-Typisierung (Gewebeverträglichkeit), Crossmatch-Analysen (Verträglichkeitstest vor Transplantation).

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

  • Keine absoluten Kontraindikationen – die Methode ist minimalinvasiv (wenig eingreifend) und risikoarm.
  • Relative Einschränkungen bei:
    • Stark degradierter oder aggregierter Zellproben (zerfallene oder verklumpte Zellen; z. B. infolge schlechter Lagerung).
    • Hämolysierten Proben (zerfallene rote Blutkörperchen; Artefakte).
    • Autoimmunhämolyse (eigene Abwehr zerstört rote Blutkörperchen) mit erhöhter unspezifischer Fluoreszenzbindung.

Das Verfahren (Anwendung und Durchführung)

  • Probenmaterial – i. d. R. EDTA-Blut (Blutprobe mit Gerinnungshemmer), Knochenmark, Liquor (Nervenwasser), BAL (Lungenspülung), Gewebesuspension.
  • Probenvorbereitung – Filtration (Filterung), Färbung mit fluoreszenzmarkierten monoklonalen Antikörpern (Leuchtfarbstoff-gekoppelte Immunmarker; z. B. CD-Marker), ggf. Lyse von Erythrozyten (Auflösung roter Blutkörperchen).
  • Messung – Zellen passieren einzeln eine Laserstrahlung. Detektoren erfassen Streulicht (Größe, Granularität) und Emissionen (Lichtaussendung).
  • Datenanalyse – Softwaregestützte Auswertung mittels „Gating“ (Zellgruppenauswahl) und statistischer Parameter.

Aktueller Stellenwert im Therapiekonzept

Die Durchflusszytometrie ist integraler Bestandteil der differentialdiagnostischen Abklärung und Therapieüberwachung zahlreicher hämatologischer und immunologischer Erkrankungen. Sie liefert schnelle, hochauflösende Daten und ergänzt morphologische (zellgestaltbezogene), zytogenetische (chromosomale) und molekulargenetische Verfahren. Besonders bei Minimaler Resterkrankung (MRD) nach Therapie maligner Erkrankungen (Krebserkrankungen) ist sie von zentraler prognostischer (vorhersagender) Bedeutung.

Evidenzlage und Studien

  • Die europäische LeukämieNet-Kollaboration (ELN) empfiehlt die Flow-Zytometrie als Standardverfahren zur MRD-Bestimmung bei AML (akute myeloische Leukämie).
  • Studien zeigen eine hohe Sensitivität und Spezifität (>90 %) für die Diagnose lymphatischer Neoplasien (Lymphdrüsenkrebs).
  • Der klinische Nutzen bei primären Immundefekten und HIV wird durch zahlreiche Kohortenstudien belegt.
  • Validierte Panels (z. B. EuroFlow-Konsortium) ermöglichen standardisierte und reproduzierbare Diagnostik.

Literatur

  1. Döhner H, Estey E, Grimwade D et al.: Diagnosis and management of AML in adults: 2022 ELN recommendations from an international expert panel. Blood 2022;139(9):1077-1113. https://doi.org/10.1182/blood.2022016867
  2. van Dongen JJM, Lhermitte L, Böttcher S et al. EuroFlow antibody panels for standardized n-dimensional flow cytometric immunophenotyping. Leukemia 2012;26(9):1908-1915. doi: 10.1038/leu.2012.120.