Labordiagnostik der Nieren – Funktion, Proteinurie, Elektrolyte und diagnostische Marker

Die Labordiagnostik der Nieren ist ein integrales Instrument zur Beurteilung von Funktion, Struktur, glomerulären und tubulären Schädigungen (Schäden an den Nierenkörperchen und Nierenkanälchen), endokriner Aktivität (Hormonproduktion), Proteinverlusten sowie infektiologischen und immunologischen Prozessen. Sie dient der Früherkennung, Differentialdiagnose und Verlaufskontrolle akuter und chronischer Nierenerkrankungen sowie der Therapiekontrolle.

Im Gegensatz zu bildgebenden Verfahren liefert die Labordiagnostik oft erste richtungsweisende Hinweise und ermöglicht die objektive Messung biochemischer und funktioneller Parameter.

Das diagnostische Spektrum gliedert sich in die folgenden Hauptbereiche:

Glomeruläre Filtrationsparameter (Filterfunktion der Nieren)

  • Kreatinin (Abbauprodukt aus dem Muskelstoffwechsel) – Klassischer Marker zur Abschätzung der glomerulären Filtrationsrate (GFR, Filterleistung der Nieren).
  • Kreatinin-Clearance (Maß für die Nierenfilterleistung) – Quantitative Bestimmung der GFR.
  • Cystatin C – Sensitiver Filtrationsmarker, insbesondere bei veränderter Muskelmasse.
  • Harnstoff – Unspezifischer Marker, abhängig von Katabolismus (Eiweißabbau) und Hydratationszustand (Flüssigkeitshaushalt).

Tubuläre Funktionsparameter (Rückresorptions- und Ausscheidungsfunktion der Nierenkanälchen)

  • Alpha-1-Mikroglobulin im Urin (kleines Eiweiß zur Beurteilung der Nierenkanälchenfunktion) – Marker für proximale tubuläre Rückresorptionsstörungen.
  • Beta-2-Mikroglobulin im Urin (kleines Eiweiß, Hinweis auf Schäden an den Nierenkanälchen) – Hinweis auf tubuläre Schädigungen oder tubulointerstitielle Erkrankungen.
  • Alpha-2-Makroglobulin (großes Eiweißmolekül) – Marker für kombinierte glomeruläre und tubuläre Schäden.
  • Durstversuch (Zwei-Stufen-Test) – Funktioneller Test zur Beurteilung der Harnkonzentrationsfähigkeit.

Elektrolythaushalt und Säure-Basen-Status

  • Natrium, Kalium, Calcium, Phosphat – Beurteilung der Elektrolytregulation durch die Niere.
  • Urin-pH-Tagesprofil (Messung des Säuregehalts im Urin) – Analyse der tubulären Säure-Basen-Regulation.
  • Bicarbonat (HCO₃⁻, Pufferstoff im Blut) – Bewertung einer metabolischen Azidose (Übersäuerung des Blutes), insbesondere bei chronischer Nierenerkrankung.

Proteinurie und glomeruläre Barrierestörungen (Eiweißverlust über die Niere)

Endokrine Nierenfunktion (Hormonproduktion der Niere)

  • Renin (Hormon zur Blutdruckregulation) – Beurteilung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS).
  • Erythropoietin (EPO, Hormon zur Bildung roter Blutkörperchen) – Bewertung der erythropoetischen Aktivität der Niere.
  • Parathormon (PTH, Hormon zur Regulierung des Calciumhaushalts) – Marker zur Beurteilung des Calcium-Phosphat-Haushalts.
  • Vitamin D (25-OH-Vitamin D, fettlösliches Vitamin für Knochengesundheit) – Bestimmung zur Beurteilung des Vitamin-D-Status.

Infektiologische und immunologische Urindiagnostik

  • Urinstatus (chemische und mikroskopische Untersuchung des Urins/Urinsediment) – Basistest zur Erfassung von Hämaturie (Blut im Urin), Leukozyturie (weiße Blutkörperchen im Urin) und Proteinurie.
  • Erregernachweis im Urin (Nachweis von Krankheitserregern) und Antibiogramm (Antibiotika-Resistenzbestimmung) – Diagnostik von Harnwegsinfektionen.
  • Urinzytologie (Untersuchung der Zellen im Urin) – Abklärung atypischer Zellen bei Hämaturie und Tumorverdacht.

Metabolische Marker und Zusatzparameter

  • Harnsäure (Abbauprodukt des Purinstoffwechsels) – Bewertung der tubulären Ausscheidungsleistung und Hinweis auf Hyperurikämie (erhöhte Harnsäurewerte) oder Gicht.

Diagnostische Unterstützung: Übersicht der wichtigsten Laborparameter in der Nierendiagnostik

Parameter Diagnostische Bedeutung Typische Indikationen Besonderheiten
Kreatinin / Kreatinin-Clearance Glomeruläre Filtration Screening, Verlauf Muskelmasseabhängig
Cystatin C Glomeruläre Filtration Ergänzung zu Kreatinin Unabhängig von Muskelmasse
Harnstoff Glomeruläre Funktion / Katabolismus Verlaufskontrolle Unspezifisch
Alpha-1-/Beta-2-Mikroglobulin Tubuläre Schädigung Tubulopathien Hitze- und pH-labil
Alpha-2-Makroglobulin Glomeruläre und tubuläre Schäden Proteinurie-Differenzierung Großmolekulares Eiweiß
Albumin / Mikroalbumin Glomeruläre Schädigung Diabetes, Hypertonie Früher Marker
Gesamteiweiß / Urinproteinprofil Quantifizierung Proteinurie Nierenerkrankungen  
Natrium, Kalium, Calcium, Phosphat Elektrolytregulation Nierenerkrankungen  
Urin-pH-Tagesprofil Säure-Basen-Status Tubulopathien, Azidose  
Bicarbonat (HCO₃⁻) Metabolische Azidose Chronische Nierenerkrankung  
Renin RAAS-Aktivität Hypertonie  
Erythropoietin (EPO) Erythropoese Renale Anämie  
Parathormon (PTH) Mineralstoffwechsel CKD-MBD, Hyperparathyreoidismus  
Vitamin D (25-OH) Calcium-Phosphat-Haushalt CKD, Osteopathien  
Durstversuch Konzentrationsfähigkeit Diabetes insipidus  
Urinstatus / Erregernachweis Infektionen Harnwegsinfektionen  
Urinzytologie Tumordiagnostik Hämaturie, Malignomverdacht  
Harnsäure Tubuläre Ausscheidung Hyperurikämie, Gicht  

Zusammenfassung

Die moderne Labordiagnostik ermöglicht die umfassende Bewertung von glomerulären, tubulären und endokrinen Nierenfunktionen, liefert frühe Hinweise auf strukturelle Schädigungen und erlaubt die differenzierte Diagnostik von Proteinverlusten und Infektionen. Eine gezielte Auswahl der Laborparameter ist entscheidend für die Frühdiagnose, die Differentialdiagnose und das Therapiemonitoring bei Nierenerkrankungen.