Y-Chromosom-Deletionsanalyse

Die Y-Chromosom-Deletionsanalyse ist ein molekulargenetisches Verfahren zur Abklärung genetisch bedingter männlicher Infertilität (Unfruchtbarkeit). Im Fokus stehen Mikrodeletionen in der sogenannten AZF-Region („azoospermia factor“) auf dem langen Arm des Y-Chromosoms (Yq11). Diese Regionen – AZFa, AZFb und AZFc – sind essenziell für die normale Spermatogenese (Spermienbildung). Deletionen in diesen Bereichen können zu Azoospermie (fehlende Spermien im Ejakulat) oder schwerer Oligozoospermie (niedrige Spermienkonzentration) führen. Die Analyse ist insbesondere vor geplanter testikulärer Spermienextraktion (TESE) oder intrazytoplasmatischer Spermieninjektion (ICSI) von klinischer Relevanz.

Synonyme

  • Yq-Deletionstest
  • AZF-Deletionsanalyse
  • Mikrodeletionsanalyse des Y-Chromosoms

Das Verfahren

Benötigtes Material

  • EDTA-Vollblut (1-2 mL)
  • Alternativ: Mundschleimhautabstrich (z. B. bei Transfusionsanamnese)

Vorbereitung des Patienten

  • Keine Nüchternheit erforderlich
  • Schriftliche Einwilligung gemäß Gendiagnostikgesetz (GenDG)
  • Genetische Beratung (Beratung über Erbkrankheiten und genetische Risiken) vor und nach der Untersuchung empfohlen

Störfaktoren

  • Vorangegangene allogene Bluttransfusionen (Fremdblutübertragungen)
  • DNA-Mosaik (Mischform verschiedener Zelllinien) bei unvollständiger Deletion
  • Unzureichende DNA-Menge oder -Qualität

Methode

  • Multiplex-PCR (Polymerase-Kettenreaktion mit mehreren Zielregionen) mit sequenzspezifischen STS-Markern zur Analyse der Regionen AZFa, AZFb und AZFc
  • Validierung positiver Befunde durch Replikatanalyse (Wiederholungsuntersuchung)
  • Bei komplexen oder grenzwertigen Befunden ggf. Erweiterung durch MLPA (Multiplex Ligation-dependent Probe Amplification)

Normbereiche 

  • Normalbefund: keine Deletion in AZFa, AZFb oder AZFc
  • Pathologischer Befund: Mikrodeletion in einer oder mehreren AZF-Regionen nachweisbar

Indikationen (Anwendungsgebiete)

  • Azoospermie (fehlende Spermien) oder schwere Oligozoospermie (stark verminderte Spermienanzahl)
  • Vorbereitung auf TESE (testikuläre Spermienextraktion) oder ICSI (intrazytoplasmatische Spermieninjektion)
  • Abklärung idiopathischer (ungeklärter) männlicher Infertilität
  • Genetische Beratung bei positiver Familienanamnese (familiäre Häufung)
  • Ausschluss irreversibler Spermatogenesestörungen (nicht heilbare Störungen der Spermienbildung) vor geplanter Spermiengewinnung

Interpretation

  • Nachweis einer AZF-Deletion: Hinweis auf genetisch bedingte Störung der Spermatogenese (Spermienbildung); prognostische Einschätzung abhängig von betroffener Region
  • Kein Nachweis einer AZF-Deletion: genetische Ursache im Bereich der Yq-Deletionen unwahrscheinlich; weitere Ursachen der Infertilität sollten abgeklärt werden

Spezifische Konstellationen (optional)

  • AZFa-Deletion: vollständiger Ausfall der Spermatogenese (Sertoli-Cell-Only-Syndrom); TESE nicht indiziert
  • AZFb-Deletion: Spermatogenese-Stopp in mittleren Reifestadien; TESE in der Regel erfolglos
  • AZFc-Deletion: häufigste Form; variable Ausprägung – TESE in vielen Fällen möglich

Weiterführende Diagnostik

  • Karyotypisierung (Chromosomenanalyse zum Ausschluss genetischer Störungen wie z. B. Klinefelter-Syndrom)
  • Hormonstatus: FSH (follikelstimulierendes Hormon), LH (luteinisierendes Hormon), Testosteron (männliches Sexualhormon)
  • Spermiogramm (Ejakulatanalyse zur Beurteilung der Spermienqualität)
  • Genetische Beratung nach GenDG
  • Partnerdiagnostik im Rahmen der Fertilitätsabklärung