DNA-Fragmentierungsindex (DFI)
Der DNA-Fragmentierungsindex (DFI) ist ein diagnostischer Marker zur Beurteilung der DNA-Integrität in männlichen Keimzellen (Samenzellen). Eine erhöhte Fragmentierung der Spermien-DNA steht in Zusammenhang mit Fertilitätsstörungen (Unfruchtbarkeit), embryonaler Entwicklungsstörung und erhöhtem Risiko für Aborte (Fehlgeburten). Die Analyse erfolgt mittels spezialisierter Verfahren wie dem SCSA (Sperm Chromatin Structure Assay), TUNEL-Test oder Comet-Assay und ergänzt die konventionelle Spermiogrammdiagnostik.
Synonyme
- DNA-Schädigung im Spermium
- Sperm DNA Fragmentation
- Sperm DNA Integrity Test
- DFI-Test
Das Verfahren
- Benötigtes Material
Ejakulat (Samenerguss) – nach 2-7 Tagen sexueller Enthaltsamkeit, möglichst frisch untersucht - Vorbereitung des Patienten
- 2-7 Tage sexuelle Karenz vor Probengewinnung
- Verzicht auf Nikotin, Alkohol und Hitzebelastung in den Tagen vor der Abgabe
- Dokumentation von Infektionen, Fieberereignissen oder Medikamenteneinnahmen
- Störfaktoren
- Infektionen (z. B. Prostatitis (Entzündung der Vorsteherdrüse), Urethritis (Harnröhrenentzündung))
- Hohes Alter des Mannes
- Fieberhafte Infekte in den vergangenen 3 Monaten
- Oxidativer Stress durch Umweltgifte, Rauchen, Varikozele (Krampfader am Hoden)
- Lange Latenzzeit zwischen Ejakulation und Untersuchung
- Nicht standardisierte Aufbereitung oder Fixierung
- Methode
- SCSA (Sperm Chromatin Structure Assay): Färbung mit Acridinorange und Durchflusszytometrie (Zellanalyse durch Laser)
- TUNEL-Assay (Terminal deoxynucleotidyl transferase dUTP nick end labeling): Fluoreszenzmarkierung (Leuchtfärbung) von DNA-Strangbrüchen
- Comet-Assay: Elektrophoretische Darstellung (Darstellung im elektrischen Feld) von DNA-Schäden in Einzelzellen
Normbereiche (je nach Methode)
- DFI < 15 %: normal
- DFI 15-25 %: intermediär, reduzierte Fertilität möglich
- DFI > 25-30 %: stark eingeschränkte Fertilität, erhöhte Fehlgeburtsrate
Indikationen (Anwendungsgebiete)
- Abklärung bei idiopathischer männlicher Infertilität (unerklärte Unfruchtbarkeit) trotz normalem Spermiogramm
- Wiederholte IVF-/ICSI-Versagen (Fehlschläge bei künstlicher Befruchtung)
- Wiederholte Frühaborte (habituelle Aborte = wiederholte Fehlgeburten)
- Abklärung vor Refertilisierungsmaßnahmen (Rückgängigmachung einer Sterilisation)
- Abklärung bei geplanter Kryokonservierung (Sameneinfrierung)
- Andrologische Abklärung bei vermuteter oxidativer Stressbelastung (zellschädigender Sauerstoffstress)
Interpretation
- Erhöhte Werte
- Hinweis auf DNA-Fragmentierung durch oxidativen Stress, Apoptose (programmierter Zelltod) oder unreife Spermatogenese (Spermienbildung)
- Korrelieren mit verminderter Befruchtungsrate, Embryoqualität und erhöhtem Abortrisiko
- Prognostisch relevant für ART-Erfolg (Erfolg künstlicher Befruchtung)
- Niedrige Werte
- Unauffälliger Befund, keine relevante DNA-Schädigung
- Gute prognostische Aussage für natürliche Konzeption oder IUI (intrauterine Insemination/Samenübertragung in die Gebärmutter)
Spezifische Konstellationen
- Normales Spermiogramm, aber erhöhter DFI
- „Hidden male factor“ – mögliche Erklärung für idiopathische Sterilität (nicht erklärbare Unfruchtbarkeit)
- Indikation zur erweiterten Diagnostik inkl. ROS-Bestimmung (reaktive Sauerstoffspezies)
- Erhöhte DFI bei Varikozele
- Verbesserung nach operativer Varikozelenligatur (Verödung der Hodenkrampfader) möglich
- Kontrolluntersuchung empfohlen nach 3-6 Monaten
- Zunahme von DFI mit zunehmendem Alter
- Relevanz für späte Vaterschaft (> 40 Jahre)
Weiterführende Diagnostik
- Bestimmung reaktiver Sauerstoffspezies (ROS) im Ejakulat
- Zytogenetische Diagnostik (Chromosomenanalyse) bei hoch pathologischer DFI
- Hormonstatus (FSH, LH, Testosteron) zur Abklärung der Spermatogenese
- Genetische Diagnostik bei suspekter familiärer Häufung
- Mikrobiologische Untersuchung bei Verdacht auf Infektion
- Beurteilung der Embryonenentwicklung im Rahmen von IVF (In-vitro-Fertilisation)/ICSI (intrazytoplasmatische Spermieninjektion/Methode der künstlichen Befruchtung, bei der ein einzelnes Spermium direkt in eine Eizelle injiziert wird, um eine Befruchtung zu erreichen)
Literatur
- Agarwal A, Majzoub A, Baskaran S et al.: Sperm DNA Fragmentation: A New Guideline for Clinicians. World J Mens Health. 2020;38(4):412-471. https://doi.org/10.5534/wjmh.200128
- Simon L, Zini A, Dyachenko A et al.: A systematic review and meta-analysis to determine the effect of sperm DNA damage on in vitro fertilization and intracytoplasmic sperm injection outcome. Asian J Androl . 2017 Jan-Feb;19(1):80-90. doi: 10.4103/1008-682X.182822.
- Evenson DP: Evaluation of sperm chromatin structure and DNA strand breaks is an important part of clinical male fertility assessment. Transl Androl Urol. 2017;6(Suppl 4):S495-S500. doi: 10.21037/tau.2017.07.20