Schulterläsionen – Einleitung

Unter Schulterläsionen werden pathologische (krankhafte) Veränderungen der Schulter zusammengefasst, die eine Vielzahl von Strukturen des Schultergelenks betreffen können, einschließlich Muskeln, Sehnen, Gelenkkapseln und Schleimbeuteln. Diese Läsionen können akute oder chronische Schmerzen verursachen und die Funktion der Schulter erheblich beeinträchtigen.

Synonyme und ICD-10: Adhäsive Enthesiopathie der Schulterregion; adhäsive Entzündung der Schultergelenkkapsel; Adhäsive Perikapsulitis der Schulter; Adhäsive Schulterperitendinitis; Adhäsive Schultertendinitis; Affektion der Schultergegend a.n.k.; Affektion der Schulterregion; Akute Periarthritis humeroscapularis; Bizeps-brevis-Syndrom; Bizeps-longus-Syndrom; Bizepsrinnensyndrom; Bizepstendinitis; Bursitis calcarea im Schulterbereich; Bursitis calcarea supraspinata; Bursitis humeroscapularis; Bursitis im Schulterbereich; Bursitis subacromialis; Bursitis subcoracoidea; Bursitis subdeltoidea; Chronische Periarthritis humeroscapularis; Duplay-Bursitis; Duplay-Krankheit; Duplay-Periarthritis; Duplay-Syndrom; Enthesiopathie in der Schulterregion; Fibromyositis humeroscapularis; Frozen shoulder; Impingement-Syndrom der Schulter; Insertionstendopathie im Schulterbereich; Kapselentzündung der Schulter; Kapselreizung der Schulter; Läsion der Rotatorenmanschette; Läsion der Rotatorenmanschette des Schultergelenks; Myofibrosis humeroscapularis; Myofibrositis humeroscapularis; Nichttraumatische Schulterschädigung; Nichttraumatische unvollständige Ruptur der Rotatorenmanschette; Nichttraumatische unvollständige Ruptur der Supraspinatussehne; Nichttraumatische vollständige Ruptur der Rotatorenmanschette; Nichttraumatische vollständige Ruptur der Supraspinatussehne; PAH [Periarthropathia humeroscapularis] – s.a. Periarthropathia humeroscapularis oder s.a. Periarthritis humeroscapularis; Periarthritis der Schulter; Periarthritis humeroscapularis; Periarthropathia humeroscapularis; Periarthropathia humeroscapularis acuta; Periarthropathia humeroscapularis calcarea; Periarthropathia humeroscapularis mit Bewegungseinschränkung; Periarthropathia humeroscapularis mit einseitigem Kopfhochstand; Periarthropathia humeroscapularis mit Kalkablagerung; Periarthropathia humeroscapularis mit Teilsteife; Periarthropathia humeroscapularis simplex; Periarthrosis humeroscapularis; PHS [Periarthropathia humeroscapularis] – s.a. Periarthropathia humeroscapularis oder s.a. Periarthrosis humeroscapularis oder s.a. Periarthritis humeroscapularis; PHS [Periarthropathia humeroscapularis]-Syndrom; Rotatorenmanschettenruptur; Rotatorenmanschettenruptur der Schulter; Rotatorenmanschettensyndrom; Rotatorensyndrom; Schleimbeutelentzündung im Schulterbereich; Schulteradhäsion; Schultergelenkadhäsion; Schulterläsion; Schulterschmerzen; Sehnenstörung in der Schulterregion; Sekundäre Periarthritis humeroscapularis; Subakromiale Bursitis; Subskapuläre Adhäsion; Supraspinatussehnensyndrom; Supraspinatussyndrom; Supraspinatussyndrom im Schulterbereich; Supraspinatustendinose; Supraspinatus- und Subskapularistendinitis; Supra- und Infraspinatustendinitis; Tendinitis calcarea im Schulterbereich; Tendinitis des Musculus biceps brachii; Tendinitis im Schulterbereich; Tendinosis calcarea der Schulter; Tendomyopathie des Schultergürtels; Tendomyopathie im Schulterbereich; Tendomyose des Schultergürtels; Tenosynovitis bei Schulteradhäsion; Tenosynovitis der Schulter; Tenosynovitis des Bizeps

Anatomie und Physiologie der Schulter

Das Schultergelenk, auch als Glenohumeralgelenk bekannt, ist das beweglichste Gelenk im menschlichen Körper. Es besteht aus dem Humeruskopf (Oberarmknochen), der Gelenkpfanne des Schulterblatts (Glenoid) und dem Schultereckgelenk (Akromioklavikulargelenk). Die komplexe Struktur der Schulter ermöglicht eine außergewöhnlich hohe Bewegungsfreiheit, die für viele alltägliche Aktivitäten unerlässlich ist. Diese Beweglichkeit wird durch mehrere anatomische und physiologische Komponenten gewährleistet:

  • Gelenktypen
    • Glenohumeralgelenk: Ein Kugelgelenk, das eine dreidimensionale Bewegung ermöglicht.
    • Akromioklavikulargelenk: Verbunden mit dem Schlüsselbein und unterstützt die Stabilität der Schulter.
    • Sternoklavikulargelenk: Verbindet das Schlüsselbein mit dem Brustbein.
  • Muskeln und Sehnen
    • Rotatorenmanschette: Eine Gruppe von vier Muskeln (Supraspinatus, Infraspinatus, Teres minor, Subscapularis) und deren Sehnen, die das Schultergelenk umgeben und stabilisieren. Diese Muskeln ermöglichen die Dreh- und Hebebewegungen des Arms.
    • Deltamuskel (Musculus deltoideus): Ein großer, dreieckiger Muskel, der die Schulterform bestimmt und Bewegungen wie das Heben des Arms unterstützt.
  • Bänder und Kapseln
    • Gelenkkapsel: Eine flexible Hülle, die das Glenohumeralgelenk umgibt und Stabilität verleiht.
    • Bänder: Bindegewebsstrukturen, die das Gelenk verstärken und zusätzliche Stabilität bieten (z. B. das Coracohumerale Band).
  • Schleimbeutel (Bursae)
    • Schleimbeutel sind mit Flüssigkeit gefüllte Säckchen, die die Reibung zwischen Sehnen und Knochen reduzieren. Der wichtigste Schleimbeutel in der Schulter ist der subakromiale Schleimbeutel, der sich zwischen der Rotatorenmanschette und dem Akromion (Teil des Schulterblatts) befindet.
  • Bewegungsumfang
    • Das Schultergelenk ermöglicht Bewegungen in alle Richtungen, einschließlich Flexion (Beugung), Extension (Streckung), Abduktion (von der Körperachse wegbewegen), Adduktion (von der Körperachse hinbewegen), Innenrotation und Außenrotation. Diese Vielseitigkeit ist entscheidend für komplexe Bewegungen wie das Werfen eines Balls oder das Greifen nach Gegenständen über dem Kopf.
  • Stabilität und Mobilität
    • Die Schulter ist anfällig für Verletzungen und Verschleiß aufgrund ihres großen Bewegungsumfangs und der relativ geringen knöchernen Stabilität. Die Stabilität des Gelenks wird hauptsächlich durch die Muskeln und Bänder gewährleistet, während die knöchernen Strukturen nur begrenzten Schutz bieten.

Diese komplexe Anatomie und Physiologie macht die Schulter sowohl leistungsfähig als auch verletzungsanfällig. Verschiedene Faktoren wie Überlastung, Traumata und degenerative Veränderungen können zu Schulterschmerzen und Funktionsstörungen führen.

Formen der Schulterläsionen

  • Adhäsive Entzündung der Schultergelenkkapsel (ICD-10-GM M75.0): Periarthropathia humeroscapularis: Unter diesem Begriff verbergen sich degenerative Veränderungen mit Verkalkung und Verquellung der Schulter, die zur chronischen Schultersteife ("frozen shoulder") führen können.
  • Läsionen der Rotatorenmanschette (ICD-10-GM M75.1): Teilweise oder vollständige Ruptur der Rotatorenmanschette: Diese umfasst insbesondere die Ruptur der Supraspinatus-Sehne. Solche Läsionen können zu erheblichen Bewegungseinschränkungen und Schmerzen führen.
  • Tendinitis des Musculus biceps brachii (ICD-10-GM M75.2): Sehnenentzündung des zweiköpfigen Oberarmmuskels: Diese Entzündung betrifft die Sehne des Bizepsmuskels und führt zu Schmerzen und Bewegungseinschränkungen im vorderen Schulterbereich.
  • Tendinitis calcarea im Schulterbereich (ICD-10-GM M75.3): Kalkschulter: Diese Form der Tendinitis ist durch Kalkablagerungen in den Sehnen der Schulter gekennzeichnet, was zu Entzündungen und starken Schmerzen führen kann.
  • Impingement-Syndrom der Schulter (ICD-10-GM M75.4): Engpasssyndrom: Das Impingement-Syndrom entsteht durch die Einengung des Raumes zwischen dem Musculus supraspinatus und dem Schulterdach, was zu einer Schmerzsymptomatik und Bewegungseinschränkung führt.
  • Bursitis im Schulterbereich (ICD-10-GM M75.5): Schleimbeutelentzündung: Die Bursitis im Schulterbereich ist eine Entzündung des Schleimbeutels, die Schmerzen und eine eingeschränkte Beweglichkeit verursacht.
  • Läsion des Labrums bei degenerativer Veränderung des Schultergelenks (ICD-10-GM M75.6): Schäden am Labrum: Das Labrum ist ein faseriger Knorpelring, der die Gelenkpfanne vertieft und die Stabilität des Schultergelenks erhöht. Läsionen dieses Knorpels treten häufig im Zusammenhang mit degenerativen Veränderungen auf.
  • Sonstige Schulterläsionen (ICD-10-GM M75.8): Andere spezifische Läsionen der Schulter: Diese Kategorie umfasst spezifische Läsionen, die nicht in die oben genannten Kategorien fallen.
  • Schulterläsion, nicht näher bezeichnet (ICD-10-GM M75.9): Unspezifische oder nicht näher definierte Läsionen der Schulter: Diese Kategorie wird verwendet, wenn die genaue Natur der Schulterläsion nicht bestimmt werden kann.

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Frauen sind von der Tendinitis calcarea im Schulterbereich (Kalkschulter) häufiger betroffen als Männer (3 : 1).

Häufigkeitsgipfel: Die Läsionen der Rotatorenmanschette treten gehäuft mit zunehmendem Alter auf.
Die Tendinitis calcarea im Schulterbereich (Kalkschulter) tritt vorwiegend zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr auf.
Das Maximum des Auftretens des
Impingement-Syndroms liegt um das 50. Lebensjahr.

Die Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) für Läsionen der Rotatorenmanschette liegt bei 5-39 % und für das Impingement-Syndrom bei 10-12 % (in Deutschland).

Verlauf und Prognose

Verlauf

Der Verlauf und die Prognose von Schulterläsionen ist stark abhängig von der Art und Schwere der Läsion sowie der gewählten Therapie:

  • Adhäsive Entzündung der Schultergelenkkapsel (Frozen Shoulder)
    • Initialstadium: Zunehmende Schmerzen und Bewegungseinschränkungen.
    • Einsteifungsstadium: Fortschreitende Bewegungseinschränkung, Schmerzen nehmen ab.
    • Lösungsstadium: Langsame Rückkehr der Beweglichkeit, vollständige Heilung kann bis zu drei Jahre dauern.
    • Prognose: Die meisten Patienten erholen sich vollständig, jedoch kann die Beweglichkeit eingeschränkt bleiben.
  • Läsionen der Rotatorenmanschette
    • Akute Läsionen: Plötzlicher Schmerz, oft nach Trauma oder Überlastung. Kann zu sofortiger Bewegungseinschränkung führen.
    • Chronische Läsionen: Langsam zunehmende Schmerzen und Schwäche, vor allem bei Überkopfarbeiten.
    • Prognose: Abhängig von der Größe der Läsion und der Therapie. Kleinere Läsionen können mit konservativer Therapie gut behandelt werden, größere Läsionen erfordern häufig operative Maßnahmen.
  • Tendinitis des Musculus biceps brachii
    • Verlauf: Schmerzen im vorderen Schulterbereich, insbesondere bei Überkopfbewegungen. Kann chronisch werden, wenn nicht behandelt.
    • Prognose: Gute Heilungschancen bei konservativer Therapie; bei persistierenden Beschwerden kann eine Operation erforderlich sein.
  • Tendinitis calcarea (Kalkschulter)
    • Verlauf: Plötzliche, starke Schmerzen bei Einlagerung von Kalkdepots in die Sehnen. Kann zu chronischen Beschwerden führen.
    • Prognose: Oft selbstlimitierend, aber langwierig. Schmerzlinderung und Entfernung der Kalkdepots durch konservative oder operative Maßnahmen führen meist zur vollständigen Heilung.
  • Impingement-Syndrom der Schulter
    • Verlauf: Schmerzen bei Abduktion und Überkopfarbeiten, schmerzbedingte Bewegungseinschränkung.
    • Prognose: Gute Heilungschancen bei frühzeitiger konservativer Therapie. Bei fortgeschrittenen Fällen oder unzureichendem Ansprechen auf konservative Maßnahmen ist eine operative Behandlung erforderlich.
  • Bursitis im Schulterbereich
    • Verlauf: Lokale Schmerzen und Schwellungen, insbesondere bei Bewegung und Druck.
    • Prognose: In der Regel gute Heilungschancen bei konservativer Therapie; langwierige Verläufe sind möglich.
  • Läsion des Labrums bei degenerativer Veränderung des Schultergelenkes
    • Verlauf: Schmerzen, Instabilität und Bewegungseinschränkungen.
    • Prognose: Abhängig vom Schweregrad der Läsion und der Therapie. Konservative und operative Maßnahmen können erforderlich sein.

Prognose (erkrankungsunabhängig)

Die Prognose bei Schulterläsionen ist stark abhängig von der rechtzeitigen Diagnosestellung und Therapie:

  • Früherkennung und adäquate Therapie: Je früher die Schulterläsionen erkannt und behandelt werden, desto besser sind die Heilungschancen.
  • Konservative Therapie: Bei vielen Schulterläsionen steht die konservative Therapie im Vordergrund. Schmerzlinderung und funktionelle Wiederherstellung sind die Hauptziele.
  • Operative Maßnahmen: Bei persistierenden oder schwerwiegenden Fällen kann eine Operation erforderlich sein. Endoskopische Eingriffe haben in vielen Fällen gute Erfolgsaussichten.
  • Langzeitprognose: Bei adäquater Therapie können viele Patienten eine vollständige Wiederherstellung der Schulterfunktion erreichen. Chronische oder unbehandelte Läsionen können jedoch zu dauerhaften Bewegungseinschränkungen und Schmerzen führen.

*Detaillierte Informationen zu "Verlauf und Prognose" siehe unter den gleichnamigen Erkrankungen.

Leitlinien

  1. S2e-Leitlinie: Rotatorenmanschette. (AWMF-Registernummer: 033 - 041), Januar 2017 Langfassung