Tourette-Syndrom – Labordiagnostik

Beim Tourette-Syndrom handelt es sich um eine klinische Diagnose (ärztliche Beurteilung aufgrund der Symptome). Eine Labordiagnostik ist zur Diagnosesicherung nicht erforderlich. Obligate Laboruntersuchungen dienen lediglich der Erfassung von Begleiterkrankungen (Komorbiditäten) oder der Vorbereitung auf eine medikamentöse Therapie.

Laborparameter 1. Ordnung – obligate Laboruntersuchungen

  • Kleines Blutbild – Basisbeurteilung des hämatologischen Status vor Beginn einer Psychopharmakotherapie (Behandlung mit Medikamenten, die auf die Psyche wirken)
  • Entzündungsparameter – CRP (C-reaktives Protein) bzw. BSG (Blutsenkungsgeschwindigkeit) – bei klinischem Verdacht auf eine systemische Entzündung oder Infektion (Krankheit durch Erreger)
  • Nüchternglucose – zur Erfassung einer Hyperglykämie (erhöhter Blutzucker) vor Einleitung einer antipsychotischen Therapie (Behandlung mit Medikamenten gegen psychische Erkrankungen)
  • Elektrolyte – Calcium, Chlorid, Kalium, Magnesium, Natrium, Phosphat – zur Beurteilung des Elektrolythaushalts (Salzhaushalt des Körpers)
  • Leberparameter – Alanin-Aminotransferase (ALT, GPT), Aspartat-Aminotransferase (AST, GOT), Gamma-Glutamyl-Transferase (Gamma-GT, GGT), alkalische Phosphatase (AP), Bilirubin – zur Kontrolle der Leberfunktion vor Pharmakotherapie 
  • Nierenparameter – Harnstoff, Kreatinin, ggf. Cystatin C – zur Beurteilung der Nierenfunktion
  • Gerinnungsparameter – PTT, Quick – bei erhöhter Blutungsneigung oder vor invasiven Eingriffen (Eingriffe mit Verletzung der Haut oder Schleimhaut)

Laborparameter 2. Ordnung – in Abhängigkeit von den Ergebnissen der Anamnese, der körperlichen Untersuchung und den obligaten Laborparametern – zur differentialdiagnostischen Abklärung

Bei atypischer Symptomatik (ungewöhnlichem Krankheitsverlauf), plötzlich auftretenden oder therapieresistenten Tic-Störungen sollten folgende Laboruntersuchungen in Erwägung gezogen werden:

  • Antistreptolysin-O-Titer (AST) und Anti-DNase B (Antikörper) – zum Ausschluss einer postinfektiösen Autoimmunreaktion (durch Infekt ausgelöste Abwehrreaktion des Körpers; PANDAS/PANS)
  • Borrelien-Serologie (IgM/IgG) – bei Verdacht auf eine Neuroborreliose (durch Zecken übertragene Nerveninfektion) mit bewegungsassoziierten Symptomen
  • Kupfer und Coeruloplasmin – bei Verdacht auf Morbus Wilson (erbliche Störung des Kupferstoffwechsels)
  • Schilddrüsenparameter – TSH, fT3, fT4 – zum Ausschluss einer endokrinen Ursache (hormonelle Störung, z. B. Schilddrüsenüberfunktion)
  • Autoantikörper – ANA, ANCA – bei klinischem Verdacht auf systemische Autoimmunerkrankungen (Abwehrreaktionen gegen körpereigene Strukturen) mit neurologischer Beteiligung (Nervensystem)
  • Drogenscreening (Urin/Blut) – bei abruptem oder untypischem Auftreten der Tic-Symptomatik zum Ausschluss substanzinduzierter Bewegungsstörungen (durch Drogen oder Medikamente ausgelöst)
  • Ferritin, Vitamin B12, Folsäure – bei Verdacht auf Mangelzustände mit neuropsychiatrischer Symptomatik (Beeinträchtigung von Nerven und Psyche)

Laboruntersuchungen vor Beginn einer Psychopharmakotherapie

Vor Einleitung einer medikamentösen Therapie (z. B. mit Antidopaminergika (Medikamente, die die Wirkung von Dopamin hemmen) oder α2-Agonisten (Substanzen, die bestimmte Nervenrezeptoren beeinflussen)) sollten folgende Laborparameter zur Beurteilung der Organfunktion und des metabolischen Status (Stoffwechselzustand) bestimmt werden:

  • Kleines Blutbild
  • Leberparameter – ALT, AST, Gamma-GT, AP, Bilirubin
  • Nierenparameter – Kreatinin, Harnstoff, ggf. Cystatin C
  • Nüchternglucose und Lipidprofil – Gesamtcholesterin, LDL-, HDL-Cholesterin, Triglyceride
  • Prolaktin – bei Therapie mit Risperidon oder Paliperidon
  • Elektrolyte – Calcium, Natrium, Kalium, Magnesium, Phosphat
  • EKG (Elektrokardiogramm) (QT-Intervall) – bei Einsatz von Medikamenten mit potenzieller QT-Verlängerung (Verzögerung der elektrischen Erregungsleitung im Herzen) oder kardialer Risikokonstellation (Herzerkrankungen)

Leitlinien

  1. Roessner V, Eichele H, Stern JS et al.: European clinical guidelines for Tourette syndrome and other tic disorders—version 2.0. Part III: pharmacological treatment. Eur Child Adolesc Psychiatry 2021. https://doi.org/10.1007/s00787-021-01899-z
  2. Szejko N, et al. European clinical guidelines for Tourette syndrome—version 2.0. Part I: assessment. Eur Child Adolesc Psychiatry 2022; 31: 383-402. doi: 10.1007/s00787-021-01842-2
  3. Müller-Vahl KR et al.: European clinical guidelines for Tourette syndrome—version 2.0. Part II: therapy. Eur Child Adolesc Psychiatry 2022; 31: 445-448. doi: 10.1007/s00787-021-01832-4