Polyzythämie – Folgeerkrankungen
Im Folgenden die wichtigsten Erkrankungen bzw. Komplikationen, die durch Polyzythämie mitbedingt sein können:
Augen und Augenanhangsgebilde (H00-H59)
- Sehstörungen, nicht näher bezeichnet
Blut, blutbildende Organe – Immunsystem (D50-D90)
- Hämorrhagische Diathese (erhöhte Blutungsneigung)
- Splenomegalie (Milzvergrößerung)
Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (E00-E90)
- Hyperurikämie
Herzkreislaufsystem (I00-I99)
- Apoplex (Schlaganfall)
- Claudicatio intermittens ‒ Schaufensterkrankheit; Symptom der arteriellen Verschlusskrankheit
- Erythromelalgie (EM; Erythro = rot, Melos = Gliedmaße, Algos = Schmerz) – akrale Durchblutungsstörung, die durch anfallsartig auftretende Rötung und Überwärmung der Haut an den Extremitäten (Hände/Füße) verbunden mit brennenden Schmerzen gekennzeichnet ist; Vasodilatation (Erweiterung der Blutgefäße) provoziert hier die Überwärmung der Haut und die schmerzhafte Rötung; Erkrankung ist sehr selten
- Fingerischämien – Durchblutungsstörungen der Finger
- Hypertonie (Bluthochdruck)
- Lungenembolie ‒ Loslösung eines Thrombus (Blutpfropf) aus einer Thrombose, der zu einem Verschluss von Lungengefäßen führt
- Myokardinfarkt (Herzinfarkt)
- Thromboembolien – Verschleppung eines Thrombus innerhalb des Gefäßsystems, mit anschließender Verlegung eines Gefäßteiles (Embolie)
- Bei einer Polycythaemia vera (PV) sind 45 % der Todesfälle auf thromboembolische Ereignisse zurückzuführen [1]
- PV-Patienten zeigen 3 Monate nach Diagnosestellung ein 3-fach erhöhtes Risiko für arterielle und ein 13-fach erhöhtes Risiko für venöse Thromboembolien (TE) im Vergleich zu Kontrollen gleichen Alters und Geschlechts [2, 3]
- Thrombosen (Gefäßerkrankung, bei der sich ein Blutgerinnsel (Thrombus) in einem Gefäß bildet) bzw. Thromboembolien
Leber, Gallenblase und Gallenwege – Pankreas (Bauchspeicheldrüse) (K70-K77; K80-K87)
- Budd‑Chiari‑Syndrom (Verschluss der Lebervenen) – Erkrankung, die durch eine Abflussbehinderung der Lebervenen (Venen der Leber) oder der Vena cava inferior (untere Hohlvene) mit konsekutiver Stauungshepatopathie (Stauung der Leber) und portaler Hypertension (erhöhter Druck im Pfortaderkreislauf) gekennzeichnet ist.
- Hepatomegalie (Lebervergrößerung)
Mund, Ösophagus (Speiseröhre), Magen und Darm (K00-K67; K90-K93)
- Magen-Darm-Ulzerationen (Geschwüre)
Muskel-Skelett-System (M00-M99)
- Gicht (Arthritis urica/harnsäurebedingte Gelenkentzündung oder tophische Gicht)/Hyperurikämie (Erhöhung des Harnsäurespiegels im Blut)
Neubildungen – Tumorerkrankungen (C00-D48)
- Akute Leukämie (Blutkrebs)
- Osteomyelofibrose ‒ zum myeloproliferativen Syndrom zählende Erkrankung, bei der zum zunehmenden bindegewebigem Umbau des Knochenmarks kommt
Psyche – Nervensystem (F00-F99; G00-G99)
- Tinnitus (Ohrgeräusche)
Symptome und abnorme klinische und Laborbefunde, die anderenorts nicht klassifiziert sind (R00-R99)
- Fatigue (Müdigkeit)
- Hyperviskositätssyndrom (→ arterielle oder venöse thromboembolische Komplikationen); Häufigkeit: ca. 20-40 %
- Pruritus (Juckreiz) ‒ meist durch Wasserkontakt hervorgerufen
Urogenitalsystem (Nieren, Harnwege – Geschlechtsorgane) (N00-N99)
- Nephrolithiasis (Nierensteine)
- Priapismus – Erektion, die ohne sexuelle Stimulation > 4 h andauert; 95 % der Fälle ischämischer oder Low-flow-Priapismus (LFP), der sehr schmerzhaft ist; der LFP kann bereits nach 4 h zu irreversiblen Erektionsstörungen führen; Therapie: Blutaspiration und evtl. intrakavernöse (i.c.) Sympathomimetikainjektion (10 mg Etilefrin mit 10 ml 0,9 % NaCl verdünnt) sowie 1.000 IE Heparin; der "High-flow"-Priapismus (HFP) benötigt keine Sofortmaßnahmen
Hinweis: Der Priapismus ist pathophysiologisch bedingt aufgrund der Hyperviskosität (Zähflüssigkeit) des Blutes, welche zu einer Aggregation (Anhäufung) von Leukämiezellen im Schwellkörper führt.
Prognosefaktoren
- Hämatokrit (Hk; = Volumenanteil der zellulären Elemente im Blut; da die Erythrozyten (rote Blutkörperchen) physiologisch 99 % des Gesamtvolumens der Blutzellen darstellen, entspricht der Hkt dem Anteil des Volumens aller Erythrozyten am Gesamtblut [%])
Literatur
- Marchioli R et al.: Vascular and neoplastic risk in a large cohort of patients with polycythemia vera. J Clin Oncol . 2005 Apr 1;23(10):2224-32. doi: 10.1200/JCO.2005.07.062.
- Griesshammer M et al.: Thromboembolic events in polycythemia vera. Annals of Hematology 2019;98(5):1071-1082. doi: 10.1007/s00277-019-03625-x.
- Hultcrantz M et al.: Risk for arterial and venous thrombosis in patients with myeloproliferative neoplasms: a population-based cohort study. Annals of Internal Medicine 2018;168(5):317-325. doi: 10.7326/M17-0028. Epub 2018 Jan 16.