Immundefekt – Infektanfälligkeit (Immundefizienz) – Labordiagnostik

Laborparameter 1. Ordnung – obligate Laboruntersuchungen

  • Kleines Blutbild [ggf. Leukozytopenie (verminderte weiße Blutkörperchen), Thrombozytopenie (verminderte Blutplättchen)]
  • Differentialblutbild [ggf. Lymphopenie (verminderte Lymphozyten), Neutropenie (verminderte neutrophile Granulozyten), fehlende Monozyten (Fresszellen) oder Eosinophilie (erhöhte eosinophile Granulozyten)]
  • Entzündungsparameter – CRP (C-reaktives Protein) bzw. BSG (Blutsenkungsgeschwindigkeit)
  • Serologische Untersuchungen bei Verdacht auf bakterielle, virale oder parasitäre Erkrankungen
  • HIV-Test (bei unbekanntem HIV-Status)

Laborparameter 2. Ordnung – in Abhängigkeit von den Ergebnissen der Anamnese, der körperlichen Untersuchung und den obligaten Laborparametern – zur differentialdiagnostischen Abklärung

  • Screening auf einen schweren kombinierten Immundefekt (Severe combined Immunodeficiency, SCID) (schwerer angeborener Immundefekt) aus Trockenblutkarten der ersten Lebenstage (48-72 h) [aktueller Stand: bislang nicht durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) in die Kinder-Richtlinie aufgenommen]
  • Immunglobuline (humorale Immundefekte) – IgA, IgG, IgM [Hypogammaglobulinämie (verminderte Abwehrstoffe im Blut)]; seltener IgD, IgE
  • Gammopathie-Diagnostik (z. B. monoklonale oder polyklonale Gammopathien (Veränderungen der Eiweißkörper im Blut))
  • Immunelektrophorese – zur Analyse von Plasmaproteinen; bei Verdacht auf monoklonale Gammopathien (bösartige Eiweißveränderungen)
  • Zellulärer Immunstatus (zelluläre Immundefekte) – Lymphozytensubpopulationen (B-Zellen, T-Zellen, T4-Zellen, T8-Zellen, CD4/CD8-Ratio, NK-Zellen, aktivierte T-Zellen)
  • Autoantikörper-Suchtests
  • Leberparameter – Alanin-Aminotransferase (ALT, GPT), Aspartat-Aminotransferase (AST, GOT), Glutamat-Dehydrogenase (GLDH), Gamma-Glutamyl-Transferase (Gamma-GT, GGT)
  • Nierenparameter – Harnstoff, Kreatinin, ggf. Cystatin C bzw. Kreatinin-Clearance
  • Urinstatus (Schnelltest auf: pH-Wert, Leukozyten, Nitrit, Eiweiß, Glucose, Keton, Urobilinogen, Bilirubin, Blut), Sediment, ggf. Urinkultur (Erregernachweis und Resistogramm)
  • Tumormarker – in Abhängigkeit von der Verdachtsdiagnose (z. B. Krebsverdacht)

Weitere Hinweise

  • Bei unauffälliger Basisdiagnostik (kleines Blutbild, Differentialblutbild, Immunglobuline) ist ein primärer Immundefekt (PID) (angeborener Immundefekt) weitestgehend ausgeschlossen.
  • Bei weiter bestehendem Verdacht sollte der Patient in ein spezialisiertes Immundefektzentrum (Fachzentrum für Abwehrschwäche) überwiesen werden.

Neugeborenen-Screening (NGS) auf schweren kombinierten Immundefekt (SCID)

  • T-cell receptor excision circles (TREC) – molekularer Marker für die Reifung von T-Lymphozyten. Verminderte oder fehlende TRECs im Trockenbluttest weisen auf eine T-Zell-Defizienz hin und ermöglichen die Früherkennung von schweren kombinierten Immundefekten (SCID).
  • Schwerer kombinierter Immundefekt (Severe Combined Immunodeficiency, SCID) – Gruppe seltener genetischer Erkrankungen (autosomal- oder X-chromosomal-rezessive Gendefekte), charakterisiert durch:
    • Völliges Fehlen der adaptiven Immunabwehr
    • Störung der T-Lymphozyten-Entwicklung
    • Oft kombiniert mit Fehlen von B-Lymphozyten und NK-Lymphozyten
    • Klinisch: extreme Infektanfälligkeit schon in den ersten Lebensmonaten
    • Unbehandelt versterben die meisten Betroffenen im Säuglingsalter
    • Prävalenz ca. 1:70.000 Neugeborene
  • Klinische Bedeutung:
    • Das NGS mit TREC-Bestimmung ist international etabliert, ermöglicht eine Diagnose im präsymptomatischen Stadium und verbessert die Prognose durch frühzeitige Stammzelltransplantation oder Gentherapie erheblich.
    • In Deutschland ist das Screening auf SCID bislang noch nicht Bestandteil der Kinder-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA).
    • Einige Bundesländer führen Pilotprojekte zur Einführung des SCID-Screenings durch.

Immunstatus – Übersicht über Einzelparameter

Granulozyten

  • Neutrophile Granulozyten – stellen den größten Anteil der zirkulierenden Leukozyten dar. Sie werden im Knochenmark gebildet, zirkulieren nur wenige Stunden und werden nach 1-2 Tagen abgebaut. Hauptfunktionen sind die Phagozytose von Bakterien und die Freisetzung von Entzündungsmediatoren.
  • Eosinophile Granulozyten – entstehen ebenfalls im Knochenmark. Ihre Hauptaufgabe ist die Abwehr von Parasiten; zusätzlich modulieren sie über Wechselwirkungen mit Histamin allergische Reaktionen.
  • Basophile Granulozyten – im Knochenmark gebildete Zellen, deren genaue physiologische Funktion noch nicht vollständig geklärt ist; sie spielen eine Rolle bei allergischen Reaktionen und in der Freisetzung von Histamin und Heparin.

Monozyten und Makrophagen

  • Monozyten zirkulieren ca. 1 Tag im Blut und differenzieren anschließend zu Gewebsmakrophagen (z. B. Kupffer-Zellen in der Leber).
  • Funktionen: Phagozytose von Mikroorganismen und Immunkomplexen, Antigenpräsentation, Sekretion zahlreicher Zytokine (z. B. Interleukine, Tumor-Nekrose-Faktor). Sie sind wesentlich an entzündlichen Reaktionen und Fieberentstehung beteiligt.

Lymphozyten und ihre Subpopulationen
Lymphozyten machen ca. 30 % der zirkulierenden Leukozyten aus. Die Subgruppen werden anhand spezifischer Oberflächenmoleküle klassifiziert (CD-Klassifizierung, „Cluster of Differentiation“).

  • T-Lymphozyten (CD3+) – ca. 70 % der Lymphozyten, Reifung im Thymus. Antigenerkennung über den T-Zell-Rezeptor nach Antigenpräsentation durch Monozyten/Makrophagen.
    • T-Suppressor-Lymphozyten (Ts, CD3+/CD8+) – regulieren überschießende Immunreaktionen durch Suppression.
    • T-cytotoxische Lymphozyten (Tc, CD3+/CD8+/CD28+) – zytotoxische Effektorpopulation, Hauptaufgabe: Erkennung und Elimination virusinfizierter oder malign transformierter Zellen.
    • T-Helfer-Lymphozyten (Th, CD3+/CD4+) – koordinieren die Immunantwort über die Freisetzung von Interleukinen; essenziell für die Aktivierung von B-Lymphozyten, Makrophagen und Tc-Lymphozyten.
  • B-Lymphozyten (CD19+) – ca. 10–15 % der Lymphozyten. Antigenerkennung erfolgt direkt über membranständige Immunglobuline, keine Antigenpräsentation notwendig. Differenzierung zu Plasmazellen mit Produktion von Antikörpern.
  • Natürliche Killerzellen (NK-Zellen, CD16+/CD56+) – gehören zum unspezifischen zellulären Immunsystem. Sie besitzen keine Antigenspezifität, sind jedoch in der Lage, virusinfizierte Zellen und Tumorzellen direkt zu zerstören.

Leitlinien

  1. S2k-Leitlinie: Diagnostik auf Vorliegen eines primären Immundefektes (PID). (AWMF-Registernummer: 112 - 001), Oktober 2017 Kurzfassung Langfassung