Anaphylaktischer Schock – Labordiagnostik

Laborparameter 1. Ordnung – obligate Laboruntersuchungen

  • Blutgasanalyse (BGA) – pH, Base Excess (BE), Lactat (Milchsäure) [↑]
    Dient zur Beurteilung von Kreislaufinstabilität und Schweregrad der Hypoxie (Sauerstoffmangel).
  • Tryptase (Mastzelltryptase) – typischerweise 20-200 µg/L, Abfall auf Normwert innerhalb von 24-48 h
    Spezifischer Marker zur Bestätigung einer systemischen Mastzellaktivierung.

Laborparameter 2. Ordnung – in Abhängigkeit von den Ergebnissen der Anamnese, der körperlichen Untersuchung und den obligaten Laborparametern – zur differentialdiagnostischen Abklärung

  • Gesamt-IgE (Immunglobulin E) und allergenspezifisches IgE
    Ermöglicht die Identifikation des auslösenden Allergens.
  • Anti-IgA (Immunglobulin A)
    Relevant bei Verdacht auf IgA-Mangel, insbesondere bei transfusionsassoziierter Anaphylaxie (allergische Reaktion auf Bluttransfusion).
  • Blutkultur bzw. Bluttiter
    Hilfreich zur Abgrenzung gegenüber septischem Schock (Blutvergiftung mit Kreislaufversagen).
  • Elektrolyte – Calcium, Chlorid, Kalium, Magnesium, Natrium, Phosphat
    • Calcium (Kalk) – wichtig für kardiale Erregungsleitung und Gerinnung; Hypocalcämie kann Hypotonie (niedriger Blutdruck) verstärken.
    • Kalium – essenziell für Rhythmusstabilität; Hypokaliämie häufig unter Adrenalin/β2-Sympathomimetika.
    • Natrium/Chlorid (Kochsalzbestandteile) – Kontrolle des Flüssigkeitshaushalts unter Schocktherapie; keine primäre Bedeutung für Anaphylaxie.
    • Magnesium – trägt zur Prävention von Rhythmusstörungen bei prolongierter Therapie bei.
    • Phosphat – spiegelt den Energiestoffwechsel (ATP) wider; Abfall relevant bei prolongiertem Schock.
  • Nüchternglucose (Blutzucker)
    Dient zur Erfassung einer Stresshyperglykämie oder Hypoglykämie.
  • Leberparameter – Alanin-Aminotransferase (ALT, GPT), Aspartat-Aminotransferase (AST, GOT), Glutamat-Dehydrogenase (GLDH), Gamma-Glutamyl-Transferase (Gamma-GT, GGT), alkalische Phosphatase, Bilirubin (Gallenfarbstoff)
    Ermöglicht die Beurteilung einer Hypoperfusion (unzureichende Durchblutung) mit Organschädigung.
  • Nierenparameter – Harnstoff, Kreatinin, ggf. Cystatin C bzw. Kreatinin-Clearance
    Wichtig zur Einschätzung der Nierenfunktion bei prolongiertem Schock oder Volumenmangel.
  • Gerinnungsparameter – PTT, Quick
    Erfassen mögliche Koagulopathien (Blutgerinnungsstörungen) im Rahmen schwerer Verläufe.
  • Toxikologische Untersuchungen
    Nützlich bei Verdacht auf alternative Ursachen wie Intoxikationen (Vergiftungen).
  • TSH (Thyreoidea-stimulierendes Hormon)
    Relevant zur Abgrenzung gegenüber einer thyreotoxischen Krise (lebensbedrohliche Schilddrüsenüberfunktion).

Red Flags (Warnzeichen) bei anaphylaktischem Schock

  • Rasch progrediente Dyspnoe (Atemnot), Stridor (pfeifendes Atemgeräusch) oder Stimmveränderung → Hinweis auf imminente Atemwegsobstruktion (Verlegung der Atemwege)
  • Hypotonie (niedriger Blutdruck) trotz adäquater Volumengabe → Hinweis auf therapieresistente Anaphylaxie
  • Rezidivierende Symptomatik nach initialer Besserung → biphasischer Verlauf möglich
  • Erhöhter Lactatwert (Milchsäure) [↑] in der BGA → Zeichen schwerer Gewebshypoxie (Sauerstoffmangel im Gewebe)
  • Persistierende Tryptase-Erhöhung → Hinweis auf systemische Mastzellaktivierung

Weitere Hinweise

  • Fleischallergie-Diagnostik: Bei Verdacht auf eine alpha-Gal-vermittelte Fleischallergie: Test auf Gesamtextrakt (Rind-, Schweine- und Lammfleisch) und Allergenkomponente (alpha-Gal).
  • Galactose-alpha-1-3-Galactose (alpha-Gal) ist ein Disaccharid, das im Fleisch von Rind, Schwein, Lamm und Wild (Muskelfleisch und Innereien) vorkommt.
  • Typischerweise tritt eine anaphylaktische Reaktion ca. 4–6 Stunden nach Kontakt mit dem Allergen auf [1, 2].
  • Man geht davon aus, dass die Sensibilisierung auf alpha-Gal primär über Zecken erfolgt; ein Zeckenstich in der Anamnese unterstützt damit die Diagnose alpha-Gal-Syndrom [1, 2].

Literatur

  1. Fischer J et al.: Clinical spectrum of α-Gal syndrome: from immediate-type to delayed immediate-type reactions to mammalian innards and meat. Allergo J Int. 2016;25:55-62
  2. Commins SP et al.: Delayed anaphylaxis to alpha-gal, an oligosaccharide in mammalian meat. Allergol Int. 2016 Jan;65(1):16-20.