Chelattherapie

Als Chelattherapie wird die therapeutische Anwendung von Chelatbildnern bezeichnet. Es ist ein Verfahren, das sowohl in der Schulmedizin als auch in der alternativen Medizin (Komplementärmedizin) angewendet wird. Dabei werden Komplexbildner wie EDTA, DMSA, DMPS etc. oral oder als Infusion verabreicht.

In der Schulmedizin werden Chelaten vor allem zur Behandlung einer Schwermetallvergiftung, z. B. mit Blei eingesetzt. Weitere Einsatzgebiete bestehen z. B. bei einer Eisenüberladung des Organismus, die auf eine sogenannte hämolytische Änamie (Blutarmut, z. B. durch Thalassämie) zurückzuführen sein kann. Dabei werden die Erythrozyten (rote Blutkörperchen) zerstört und das Hämoglobin (roter Blutfarbstoff) freigesetzt, welches selbst Eisen enthält). Die Chelate werden hier zur Eisenausleitung verwendet.
Eine weitere schulmedizinische Indikation bildet die Hypercalcämie (Calciumüberschuss) bei einer Niereninsuffizienz (Nierenschwäche; Funktionsverlust einer geschädigten Niere). Durch Chelate kann das Calcium gebunden und der Calcium-Spiegel im Blut reduziert werden. 

In der alternativen Medizin gibt es die Annahme, dass die calciumbindenden Eigenschaften der Chelate zur Behandlung der Atherosklerose (Arteriosklerose; Gefäßverkalkung) genutzt werden könnten, da die Plaques an den Gefäßwänden unter anderem aus Calcium bestünden. Hier wird die Chelattherapie zur Behandlung von Durchblutungsstörungen angewendet. Allerdings ist diese Indikation bislang nicht wissenschaftlich bewiesen.

Zielsetzung und Wirkung der Chelattherapie

Zielsetzung: Die Chelattherapie dient primär der Entfernung von Schwermetallen aus dem Körper, die aufgrund von Vergiftungen oder metabolischen Störungen akkumuliert wurden. Sie wird in der Schulmedizin hauptsächlich zur Behandlung von Schwermetallvergiftungen eingesetzt. Zusätzlich findet sie Anwendung bei der Behandlung von Eisenüberladungen des Körpers, die bei hämolytischen Anämien wie der Thalassämie vorkommen können. In der alternativen Medizin wird sie, wenn auch wissenschaftlich weniger fundiert, zur Behandlung von Atherosklerose durch ihre Fähigkeit, Calcium aus arteriellen Plaques zu binden, eingesetzt.

Wirkungsweise: Chelatbildner wie EDTA, DMSA und DMPS bilden Komplexe mit Schwermetallionen im Blutkreislauf, was deren Ausscheidung durch die Nieren erleichtert. Dies reduziert die Toxizität und die schädlichen Auswirkungen der Metalle auf den Körper. Bei der Behandlung von Eisenüberladungen unterstützen spezifische Chelatbildner wie Desferrioxamin und Deferipron die Mobilisierung und Ausscheidung des überschüssigen Eisens.

Indikationen (Anwendungsgebiete)

  • Schulmedizin:
    • Schwermetallvergiftungen (Blei, Quecksilber, Cadmium)
    • Eisenüberladung (z. B. bei Thalassämie)
    • Hypercalcämie bei Niereninsuffizienz
  • Alternative Medizin:
    • Atherosklerose* (unbewiesen)

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

  • Schwangerschaft
  • Durchblutungsstörungen
  • Niereninsuffizienz

*Die Kosten einer Chelattherapie gegen Atherosklerose werden von den gesetzlichen Krankenkassen nicht übernommen. Die Deutsche Chelat-Gesellschaft gibt die Kosten pro Infusion mit 100 bis 150 Euro an.

Vor der Behandlung

  • Medizinische Untersuchung: Eine gründliche Diagnostik ist entscheidend, um den Grad und die Art der Metallbelastung zu ermitteln. Dies umfasst in der Regel Blut- und Urinanalysen sowie gegebenenfalls weitere spezifische Tests.
  • Aufklärungsgespräch: Vor Beginn der Therapie führt der behandelnde Arzt ein ausführliches Gespräch mit dem Patienten. Hierbei werden die Ziele der Behandlung, mögliche Risiken und Nebenwirkungen sowie der Ablauf der Chelattherapie erörtert.
  • Vorbereitung der Infusion: Abhängig von der zu behandelnden Metallbelastung wird die Art und Dosierung des Chelatbildners festgelegt. Zusätzlich werden Maßnahmen zur Vermeidung von Nebenwirkungen getroffen, wie die mögliche Substitution von Mineralien und Spurenelementen.
  • Laborüberwachung: Vor der ersten Infusion werden Basiswerte der relevanten Blutparameter ermittelt, um im Verlauf der Therapie Veränderungen zeitnah erkennen und darauf reagieren zu können.

Das Verfahren

Chemische Grundlage für die Chelattherapie ist der Chelatkomplex. Der Begriff leitet sich von dem griechischen Wort „chele” ab, das Krebsschere bedeutet. Ein Chelatkomplex entsteht durch Bindung eines organischen oder anorganischen mehrzähnigen Liganden an ein Zentralatom. Dabei müssen mindestens zwei oder mehr Bindungsstellen des Zentralatoms besetzt sein, das meist ein Metallion ist. Somit können Chelate Metalle binden und z. B. im Falle einer Schwermetallvergiftung (z. B. Quecksilber, Blei und Cadmium) diese zur Ausscheidung bringen.

Die folgende Aufzählung gibt einen Überblick zu verschiedenen Chelaten und ihren Anwendungsgebieten:

  • EDTA (Ethylendiamintetraazetat) – Schwermetallvergiftung, z. B. Blei- oder Quecksilbervergiftung
  • DMSA (Meso-2,3-Dimercapto-succinylsäure) – Schwermetallvergiftung, z. B. Blei- oder Quecksilbervergiftung
  • DMPS (2,3-Dimercaptopropyl-L-sulfonat) – Schwermetallvergiftung, z. B. Blei- oder Quecksilbervergiftung
  • N-Acetylcystein – schwacher, aber gut verträglicher Komplexbildner, der ebenfalls bei Schwermetallvergiftung angewendet wird
  • Algen-Präparate – die schwermetallbindenden Eigenschaften von Algen sind bekannt, allerdings ist eine Wirkung im menschlichen Organismus bisher nicht erwiesen
  • Desferrioxamin – zugelassene Substanz zur Behandlung eines Eisenüberschusses, z. B. bei Thalassämie
  • Deferipron – zugelassene Substanz zur Behandlung eines Eisenüberschusses, z. B. bei Thalassämie

Die Chelate werden durch eine langsame Infusion in Kombination mit Spurenelementen, Vitaminen und Eisensupplementen (nicht bei Eisenüberschuss) verabreicht. Da sich Chelate auch mit Metallionen verbinden, die eine sinnvolle, wichtige Funktion im Organismus haben, müssen zusätzlich Spurenelemente bzw. Mineralstoffe substituiert werden, um Störungen im Elektrolythaushalt zu verhindern, die unter anderem zu lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen führen können. Aufgrund dieser Komplikationen sollte die Chelattherapie mit großer Vorsicht angewendet werden.

Die Chelattherapie wird in mehreren Sitzungen durchgeführt und der Patient kann während der Infusionen problemlos lesen, fernsehen oder arbeiten.

Nach der Behandlung

  • Überwachung der Reaktionen: Unmittelbar nach der Infusion wird der Patient überwacht, um frühzeitig auf mögliche akute Nebenwirkungen wie allergische Reaktionen oder Veränderungen im Elektrolythaushalt reagieren zu können.
  • Nachsorgeuntersuchungen: Regelmäßige Blut- und Urinuntersuchungen sind notwendig, um die Wirksamkeit der Therapie zu bewerten und die Ausscheidung der Metalle zu verfolgen. Dies hilft auch, das Risiko einer erneuten Akkumulation zu minimieren.
  • Ernährungs- und Lebensstilberatung: Patienten können Beratungen erhalten, wie sie durch Ernährungsumstellungen und Veränderungen im Lebensstil einer weiteren Schwermetallbelastung vorbeugen können.
  • Anpassung der Therapie: Basierend auf den Ergebnissen der Nachsorgeuntersuchungen kann die Dosierung der Chelatbildner angepasst werden, um eine optimale Wirksamkeit und Sicherheit zu gewährleisten.
  • Psychologische Unterstützung: Bei Bedarf wird psychologische Unterstützung angeboten, insbesondere wenn die Metallbelastung oder die Behandlung selbst eine psychische Belastung für den Patienten darstellt.

Mögliche Komplikationen

Frühkomplikationen

  • Lokale Reaktionen: Schwellungen, Rötungen oder Schmerzen an der Infusionsstelle.
  • Allergische Reaktionen: Selten, aber mögliche allergische Reaktionen auf den Chelatbildner.
  • Elektrolytstörungen: Schnelle Entfernung von Metallen kann zu temporären Ungleichgewichten im Elektrolythaushalt führen, die Herzrhythmusstörungen verursachen können.

Spätkomplikationen 

  • Nährstoffmangel: Langfristige Chelattherapie kann zur Ausleitung von essentiellen Metallen wie Zink und Kupfer führen, was zu Mangelerscheinungen führen kann.
  • Nierenfunktion: Langfristige Anwendung von einigen Chelatbildnern kann zu einer Belastung der Nierenfunktion führen.
  • Psychische Effekte: Langfristige Behandlungen und das Bewusstsein über eine Schwermetallbelastung können psychische Belastungen verursachen oder verstärken.

Wegen der Möglichkeit von Komplikationen ist die Anwendung der Chelattherapie ausschließlich erfahrenen Ärzten überlassen. 

Literatur

  1. Edzard E, Eisenberg D: Praxis Naturheilverfahren: Evidenz basierte Komplementärmedizin. Springer Verlag 2005
  2. Wehling M: Klinische Pharmakologie. Georg Thieme Verlag 2005
  3. Risler T, Kühn KW: Facharzt Nephrologie. Elsevier, Urban & Fischer Verlag 2008
  4. Ärztegesellschaft für klinische Metalltoxikologie https://www.metallausleitung.de/ 

     
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