Calciumüberschuss (Hypercalcämie) – Einleitung

Von einer Hypercalcämie (Calciumüberschuss; Synonyme: Hypercalciämie; Hyperkalzämie; Hyperkalziämie; Hypercalcämie-Syndrom; ICD-10-GM E 83.5: Störungen des Kalziumstoffwechsels) spricht man, wenn bei einem Erwachsenen die Konzentration des Serum-Calciums über einen Wert von > 2,5 mmol/l steigt.

Klassifikation

  • Milde Hypercalcämie: Serum-Calcium-Wert zwischen 2,7 und 3,0 mmol/l
  • Schwere Hypercalcämie: Serum-Calcium-Wert über 3,0 mmol/l
  • Hypercalcämische Krise: Serum-Calcium-Wert über 3,5 mmol/l, verbunden mit schwerwiegenden Symptomen wie Polyurie (vermehrte Harnausscheidung), Exsikkose (Austrocknung), Hyperpyrexie (extremes Fieber: höher als 41 °C), Herzrhythmusstörungen, Schwäche, Lethargie, und in extremen Fällen Somnolenz (Benommenheit mit abnormer Schläfrigkeit bei erhaltener Ansprechbarkeit und Erweckbarkeit) bis zum Koma

Eine besondere Form der Hypercalcämie ist die tumorinduzierte Hypercalcämie (TIH; Tumorhypercalcämie; tumorassoziierte Hypercalcämie), die typischerweise mit einem Serum-Calcium-Wert > 3,5 mmol/l einhergeht und die oben genannten Symptome verursacht.

Ursachen

  • Primärer Hyperparathyreoidismus: Häufigste Ursache in der Hausarztpraxis (25 % der Fälle). Charakterisiert durch eine Überproduktion von Parathormon (PTH) durch die Nebenschilddrüsen.
  • Malignome: In bis zu 65 % der Fälle bei hospitalisierten Patienten. Die tumorassoziierte Hypercalcämie (TIH) ist häufig und kann durch PTHrP (parathyroid hormone-related protein) Produktion oder Osteolyse verursacht werden.
  • Andere Ursachen: Vitamin-D-Intoxikation, granulomatöse Erkrankungen (z. B. Sarkoidose), Medikamente (z. B. Thiazide), familiäre hypokalziurische Hypercalcämie.

Pathophysiologie

Die Calciumhomöostase wird durch ein komplexes Zusammenspiel von Parathormon (PTH), Vitamin D und Calcitonin reguliert. Eine Störung in einem dieser Systeme kann zu Hypercalcämie führen.

Klinik

  • Allgemeinsymptome: Müdigkeit, Schwäche, Übelkeit, Erbrechen, Anorexie, Polyurie (Urin: > 3 l/Tag), Polydipsie (pathologisch gesteigertes Durstgefühl), Dehydratation (Austrocknung)
  • Neurologische Symptome: Lethargie, Verwirrtheit, Depression, Somnolenz, Koma
  • Kardiovaskuläre Symptome: Hypertonie (Bluthochdruck), Arrhythmien, verkürztes QT-Intervall
  • Renale Symptome: Nephrokalzinose (Ablagerung von Calciumsalzen im Parenchym der Niere), nephrogene Diabetes insipidus, Nierensteine
  • Gastrointestinale Symptome: Obstipation (Verstopfung), Pankreatitis (Bauchspeicheldrüsenentzündung), Magengeschwüre

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Frauen sind 3- bis 4-mal häufiger betroffen als Männer.

Häufigkeitsgipfel: Die Häufigkeit steigt mit dem Lebensalter; nach dem 60. Lebensjahr steigt die Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) an.

Die Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) liegt bei 1 % und bis zu 3 % der postmenopausalen Frauen [1, 2]. Bei hospitalisierten Patienten ist diese höher.

Die Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen) der Hypercalcämie ist in der Allgemeinbevölkerung nicht bekannt.

Verlauf und Prognose

Der Verlauf und die Prognose der Hypercalcämie sind stark abhängig von der zugrunde liegenden Ursache und der Schwere der Erkrankung:

  • Milde Hypercalcämie: Kann oft asymptomatisch bleiben und wird zufällig entdeckt. Bei Behandlung der zugrunde liegenden Ursache ist die Prognose gut.
  • Schwere Hypercalcämie und hypercalcämische Krise: Erfordert sofortige medizinische Intervention. Unbehandelt kann sie zu schwerwiegenden Komplikationen und Tod führen.
  • Primärer Hyperparathyreoidismus: Bei frühzeitiger Diagnose und Therapie (z. B. operative Entfernung des Adenoms) ist die Prognose gut.
  • Tumorinduzierte Hypercalcämie: Die Prognose hängt stark von der Art und dem Stadium des zugrunde liegenden Malignoms (bösartige Erkrankung) ab. Eine adäquate Therapie kann die Lebensqualität verbessern und das Überleben verlängern, aber die langfristige Prognose ist häufig ungünstig.

Literatur

  1. Press DM, Siperstein AE, Berber E et al.: The prevalence of undiagnosed and unrecognized primary hyperparathyroidism: a population-based analysis from the electronic medical record. Surgery 2013; 154: 1232-8
  2. Marcocci C, Saponaro F: Epidemiology, pathogenesis of primary hyperparathyroidism: Current data. Ann Endocrinol (Paris) 2015; 76: 113-5 doi: 10.1016/j.ando.2015.03.015. Epub 2015 Apr 25.