Ohren

Nachfolgend werden unter "Ohren" Krankheiten beschrieben, die gemäß ICD-10 dieser Kategorie zuzuordnen sind (H60-H95). Der ICD-10 dient der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten sowie verwandter Gesundheitsprobleme (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) und ist weltweit anerkannt.

Ohren

Das menschliche Ohr ist ein Sinnesorgan. Es vereint den Hörsinn und den Gleichgewichtssinn und sind somit wichtig für die Wahrnehmung und Orientierung.

Anatomie

Das Ohr wird wie folgt unterteilt:

  • Äußeres Ohr (Auris externa)
    • Ohrmuschel (Auricula auris)
    • äußerer Gehörgang (Meatus acusticus externus)
    • Trommelfell (Membrana tympani) – trennt das äußere Ohr vom Mittelohr
  • Mittelohr (Auris media) – lufthaltige Knochenhohlräume
    • Paukenhöhle
      • liegt hinter dem Trommelfell
      • enthält die drei Gehörknöchelchen Hammer (Malleus), Amboss (Incus), Steigbügel (Stapes)
    • Ohrtrompete (Tuba auditiva) (Synonym: Eustachische Röhre) – verbindet die Paukenhöhle mit dem Nasen-Rachen-Raum (Epipharynx, Pars nasalis pharyngis oder Rhinopharynx)
  • Innenohr (Auris interna)
    • Das Innenohr ist im Felsenbein (Pars petrosa ossis temporalis), an der Basis des Schläfenbeins (Os temporale) lokalisiert.
    • Es besteht aus einem komplexen System von kleinen Knochenhohlräumen, in die Gangsysteme eingebettet sind. Aufgrund seines Aussehens bzw. Anordnung wird es als "Labyrinth" bezeichnet.
    • Nach der Funktion unterscheidet man zwischen dem Schneckenlabyrinth (Labyrinthus cochlearis), das das eigentliche Hörorgan (Corti-Organ) enthält, und dem Vorhoflabyrinth (Labyrinthus vestibularis) mit dem Gleichgewichtsorgan:
      • Hörschnecke (Cochlea)
        • enthält Haarsinneszellen, die die Schallschwingungen registrieren; an deren Basis sitzen Nervenfasern, die über den Hörnerv (Nervus cochlearis (acusticus)) die Informationen zum Gehirn weiterleiten
      • Vestibularorgan (Gleichgewichtsorgan)
        • besteht aus drei halbkreisförmigen Kanälen (Bogengänge; Canales semicirculares ossei) und einem Vorhof (Vestibulum labyrinthi); in beiden Bereichen befinden sich Sinneszellen
        • Im Vorhof liegen zwei kleine Sinnesorgane, die den sogenannten Otolithenapparat bilden. Sie enthalten beetartig angeordnete Sinneszellen, auf denen feine Kristalle, die Otolithen, sitzen.
        • Von den Sinneszellen gelangt die Sinnesinformation über den VIII. Hirnnerv (Nervus vestibulocochlearis) zu entsprechenden Nervenkernen im Hirnstamm (Vestibulariskerne).

Physiologie

Außenohr und Mittelohr werden auch als Schallleitungsapparat bezeichnet. Das menschliche Ohr kann Schallwellen im Bereich von 16 bis 16.000 Hertz wahrnehmen. Unter- bzw. oberhalb dieses Bereiches liegen die Schallwellen in einem für den Menschen nicht hörbaren Bereich.

Das Außenohr nimmt die Schallwellen auf und leitet sie über den Gehörgang weiter zum Trommelfell. Nebenbei ermöglicht das äußere Ohr dem Menschen die Richtung zu bestimmen, aus der der Ton kommt. Das Trommelfell überträgt die Schallschwingungen auf die drei Gehörknöchelchen Hammer, Amboss und Steigbügel. Letztlich gelangen die Schallwellen in die Hörschnecke (Innenohr), wo sie in Nervenimpulse umgewandelt werden. Diese Erregung des Hörnervs wird dann von dem für das Hören zuständigen Teil des Großhirns (Hörkortex) als Sprache, Geräusch oder Ton wahrgenommen.

Das Innenohr beherbergt neben dem Hörorgan auch das Gleichgewichtsorgan. Dieses registriert Lage und Bewegung des Kopfes und ermöglicht die Orientierung im Raum. Mittels des Otolithenapparats werden lineare Beschleunigungen in horizontaler und vertikaler Ebene erkannt, das heißt Beschleunigung, Bremsen, Steigen und Fallen werden wahrgenommen. Durch die Bogengänge werden Drehbeschleunigungen des Kopfes erkannt.

Die wichtigsten Risikofaktoren für Ohrenerkrankungen

Verhaltensbedingte Risikofaktoren

Ernährung

  • Mikronährstoffmangel – Ein Defizit an Magnesium, Vitamin B12 und Folsäure steht im Zusammenhang mit Hörstörungen, insbesondere bei älteren Menschen.
  • Hyperlipidämie durch Fehlernährung – Erhöhte Blutfettwerte können die Durchblutung des Innenohrs beeinträchtigen und zur Innenohrschwerhörigkeit beitragen.

Genussmittelkonsum

  • Rauchen – Chronischer Tabakkonsum wirkt gefäßverengend und beeinträchtigt die Mikrozirkulation im Innenohr. Das Risiko für Hörminderung ist deutlich erhöht.
  • Alkoholkonsum – Exzessiver Alkoholkonsum kann zentrale Hörverarbeitung und Gleichgewicht negativ beeinflussen.

Drogenkonsum

  • Ototoxische Substanzen – Illegale Substanzen wie Kokain oder organische Lösungsmittel schädigen direkt das Corti-Organ im Innenohr.

Körperliche Aktivität

  • Mangel an Bewegung – Bewegungsmangel fördert vaskuläre Risikofaktoren wie arterielle Hypertonie, die mit Innenohrfunktionsstörungen assoziiert sind.

Psycho-soziale Situation

  • Chronischer Stress – Dauerhafte psychische Belastung kann über die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse zu Vasospasmen (Gefäßverkrampfungen) im Innenohr führen und Tinnitus sowie Hörstörungen begünstigen.

Schlafqualität

  • Schlafmangel und Schlafstörungen – Erhöhen das Risiko für zentralnervöse Hörverarbeitungsstörungen und verstärken subjektiven Tinnitus.

Übergewicht (BMI ≥ 25; Adipositas)

  • Abdominelle Adipositas – Erhöht die Wahrscheinlichkeit für metabolische Syndrome und vaskuläre Veränderungen, welche die Innenohrdurchblutung beeinträchtigen können.

Krankheitsbedingte Risikofaktoren

  • Bakterielle und virale Infektionen – Otitis media (Mittelohrentzündung), Masern, Mumps, Herpes zoster oticus, Epstein-Barr-Virus oder Influenza-Viren können Strukturen des Mittel- und Innenohrs direkt schädigen.
  • Blutdruckschwankungen – Sowohl Hypertonie (Bluthochdruck) als auch Hypotonie (niedriger Blutdruck) können die Cochlea-Mikrozirkulation stören.
  • Erkrankungen an Kiefer und Zähnen – Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD), Pulpitis (Zahnwurzelentzündungen) oder Bruxismus (Zähneknirschen) können reflektorisch Ohrenschmerzen und -geräusche auslösen.
  • Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems – Apoplex (Schlaganfall), Herzinsuffizienz (Herzschwäche) oder arterielle Verschlusskrankheiten (AVK; Durchblutungsstörung der Körperarterien) wirken sich negativ auf die Innenohrdurchblutung aus.
  • Hirntumoren – Akustikusneurinome (Vestibularisschwannome) oder andere raumfordernde Prozesse im Kleinhirnbrückenwinkel verursachen Hörminderung, Tinnitus oder Schwindel.
  • Hormonelle Veränderungen – Insbesondere während der Menopause (Klimakterium) treten vermehrt Hörminderungen und Tinnitus (Ohrgeräusche) auf, möglicherweise durch vaskuläre (gefäßbedingte) oder zentrale Umstellungen.
  • Multiple Sklerose – Entzündliche Entmarkungsherde im Bereich der Hörbahn können zu plötzlichem Hörverlust oder zentral bedingtem Tinnitus führen.
  • Stoffwechselerkrankungen – Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2 sowie chronische Niereninsuffizienz (Nierenschwäche) führen über Mikroangiopathien zu einer Schädigung des Innenohrs.
  • Umweltbelastung – Chronische Belastung mit toxischen Substanzen (z. B. Lösungsmittel, Schwermetalle, Pestizide) kann ototoxisch wirken und Innenohrstrukturen nachhaltig schädigen.

Physikalische und umweltbedingte Risikofaktoren

  • Lärmbelastung – Dauerhafte oder wiederholte Exposition gegenüber hohen Schalldruckpegeln (z. B. am Arbeitsplatz, bei Konzerten, durch Kopfhörer) ist der häufigste Risikofaktor für lärminduzierte Schwerhörigkeit und akuten Tinnitus.
  • Druckveränderungen – Barotraumen durch Tauchen, Fliegen oder Hyperbare Sauerstofftherapie können das Trommelfell und die Mittelohrstruktur schädigen.

Bitte beachten Sie: Diese Übersicht stellt nur einen Auszug relevanter Risikofaktoren dar. Detaillierte Informationen finden Sie in den krankheitsspezifischen Artikeln des Ohrensystems (z. B. Otitis media, Hörsturz, Tinnitus, Akustikusneurinom).

Häufige Erkrankungen der Ohren

Wie sehr Wohlbefinden und Lebensqualität von einem gut funktionierenden Hörvermögen abhängig sind, wird häufig erst bemerkt, wenn die Ohrengesundheit beeinträchtigt ist.

Zu den häufigsten Ohrenerkrankungen zählen:

Die wichtigsten diagnostischen Maßnahmen für Ohrenerkrankungen

Labordiagnostik

Medizingerätediagnostik

Welcher Arzt hilft Ihnen?

Der Verdacht auf eine Erkrankung des Ohrs wird in der Regel zunächst durch den Hausarzt (Facharzt für Allgemeinmedizin oder Innere Medizin) gestellt.

Bei unkomplizierten akuten Beschwerden erfolgt die Erstbehandlung häufig durch den Hausarzt. Bei anhaltenden, wiederkehrenden oder unklaren Symptomen sollte eine Überweisung an einen Hals-Nasen-Ohren-Arzt (HNO-Arzt) erfolgen.