Bei der endoskopischen Harnblasenbiopsie (Synonym: zystoskopische Biopsie) handelt es sich um ein diagnostisches Verfahren der Urologie und Onkologie, welches zur Tumordiagnostik der Harnblase eingesetzt wird. Zur Durchführung der Untersuchung wird ein flexibles oder starres Zystoskop genutzt, welches unter Sicht in die Harnröhre eingeführt wird. Zur Sichtverbesserung muss regelmäßig eine Spülung der Harnröhre erfolgen.
Von besonderer Bedeutung ist die endoskopische Harnblasenbiopsie bei der Erkennung eines Harnblasenkarzinoms, welches in Deutschland relativ oft auftritt. Die Anwendung der endoskopischen Harnblasenbiopsie ist deshalb von großer Bedeutung, da durch eine frühe Erkennung des Tumors eine signifikant verbesserte Heilungschance besteht. Insgesamt weisen mehr als 70 % der Patienten bei der Erkennung des Harnblasenkarzinoms einen nicht invasiven Befall des Urothels (Gewebe in harnleitenden Organen, dass durch eine spezielle Resistenz gegenüber dem Harn gekennzeichnet ist) oder die darunter liegende bindegewebige Lamina propria (oberflächliche Gewebeschicht) auf. Die Prognose für die Lebenserwartung bei einem vorliegenden Tumor ist jedoch nicht nur vom Zeitpunkt der Diagnosestellung, sondern auch von der Art des Tumors abhängig. Betrachtet man niedrig gradige papillär (Wachstumsform) wachsende Tumoren mit einem Rezidivrisiko (Wiederauftreten des Tumors) von ungefähr 50 % in den ersten zwei Jahren, so lässt sich diese Karzinomform verhältnismäßig gut durch eine lokale Therapie behandeln. Im Gegensatz hierzu können in der Harnblase auch Tumoren auftreten, die weitaus aggressiver sind und auch bei einer frühen Erkennung durch eine Biopsie mit einer schlechteren Prognose einhergehen.
Als Therapiemaßnahme steht nun in der Regel nicht die lokale Therapie im Vordergrund, stattdessen werden chirurgische Therapiemaßnahmen wie eine Zystektomie (operative Entfernung der Harnblase) und ein Blasenersatz durchgeführt. Eine frühe Therapie als Folge einer frühen Erkennung erhöht insgesamt die Chance auf eine organerhaltende Therapie, sodass es wichtig ist, frühzeitig diese aggressive Tumorentität (Tumorart bzw. Krebseigenschaft) zu identifizieren. Eine präzise Tumoridentifikation samt Bestimmung der Malignität (Bösartigkeit) des Tumors lässt sich nur durch eine endoskopische Harnblasenbiopsie erreichen, sodass diese aktuell den Goldstandard (Verfahren der ersten Wahl) in der Harnblasen-Tumordiagnostik darstellt.
Die Biopsie selbst ist definiert durch die Entnahme von Gewebe zur weiteren Untersuchung. Mikroskopisch und unter Umständen auch histochemisch (immunologisch) lässt sich nun feststellen, ob es sich bei der Gewebeprobe um ein pathologisch verändertes Gewebe handelt und sollte ein pathologischer Prozess vorliegen, ob es sich um einen benignen oder malignen (gut- oder bösartigen) Befund handelt.
Das Vorliegen eines Harnblasenkarzinoms stellt sich in der Zystoskopie so dar, dass typischerweise vereinzelte, erhabene und gerötete Blasenschleimhautbezirke vorliegen.
Indikationen (Anwendungsgebiete)
- Harnblasenkarzinom – zur Beurteilung der Entität eines Tumors ist die Nutzung der Harnblasenbiopsie von wichtiger Bedeutung. Des Weiteren ist die Stadienbestimmung des Karzinoms für die Auswahl der Therapiemaßnahmen entscheidend.
Kontraindikationen (Gegenanzeigen)
Es sind keine Kontraindikationen für eine Durchführung einer endoskopischen Harnblasenbiopsie bekannt.
Vor der Operation
- Narkose – vor der endoskopischen Harnblasenbiopsie erfolgt die Gabe eines Narkotikums. Die Biopsie wird in Vollnarkose vollzogen. Somit ist eine Narkosefähigkeit eine Voraussetzung für den Eingriff.
Das Operationsverfahren
Ablauf des Verfahrens
- Nach erfolgter Narkoseeinleitung wird der Patient in die Brust-Bauch-Lage gelegt. Nach dem Anschluss der verschiedenen Spüleinheiten zur Sichtverbesserung kann nun nach Säuberung des Harnröhrenausganges das Endoskop in die Harnröhre eingeführt werden.
- Nach Erreichen der Blase wird endoskopisch überprüft, welches Areal sich für eine Biopsie eignet.
- Ist dies erfolgt, so kann die Biopsiezange in den Arbeitskanal des Endoskopes eingeführt werden. Im Anschluss hieran wird die Zange geöffnet und das selektierte Schleimhautareal kann nach dem Ergreifen durch das Schließen der Biopsiezange entnommen werden. Bei der Entnahme des Gewebes muss zur Entfernung eine ruckartige Bewegung der Zange erfolgen.
- Nach erfolgter Entfernung des Gewebes wird das Gewebe durch den Arbeitskanal des Endoskops gezogen und nach einer Transferierung in ein spezielles Transportmedium zur Untersuchung dem Pathologen überlassen.
- Um mögliche Komplikationen zu vermeiden, ist es notwendig, das Gewebeareal aus dem das zu untersuchende Material entnommen wurde, endoskopisch zu beurteilen.
Zusätzliche Verfahren zur Beurteilung eines Harnblasenkarzinoms
- Urinzytologische Untersuchung (Synonym: Urinzytologie) – um die Sensitivität (Prozentsatz erkrankter Patienten, bei denen die Krankheit durch die Anwendung des Tests erkannt wird, d. h. ein positives Testresultat auftritt) zu erhöhen, ist es notwendig, die endoskopische Harnblasenbiopsie um zusätzliche diagnostische Verfahren zu erweitern. Von besonderer Bedeutung ist die urinzytologische Untersuchung (Zelluntersuchung vom Urin) von spontan ausgeschiedenem oder durch Blasenspülung gewonnenem Urin. Das primäre Ziel dieser Untersuchungsmethode ist die Suche nach malignen (bösartig) veränderten Zellen. Ein positiver urinzytologischer Befund weist auf das Vorhandensein eines Tumors hin, der sowohl innerhalb der Harnblase als auch im oberen Harntrakt (Ureteren/Nierenbeckenkelchsystem) lokalisiert sein kann. Allerdings muss beachtet werden, dass wenig maligne Tumoren beziehungsweise vereinzelte Zellen mit einem negativen Befund einhergehen, da das Vorhandensein eines „Low-grade“-Tumors (wenig maligne) nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Des Weiteren können Nebenbefunde die Interpretation der zytologischen Befunde beeinflussen, da durch degenerative Veränderungen, Harnwegsinfektionen (HWI) und Fremdkörper ein positiver Befund vorgetäuscht werden kann.
- Sonographie – Der Einfluss der Sonographie zur Beurteilung der Harnblase wird inzwischen fast standardmäßig genutzt. Die Ultraschalluntersuchung lässt sowohl die Begutachtung von Raumforderungen im Bereich des Nierengewebes als auch des Nierenbeckenkelchsystems zu. Überdies können mögliche Metastasen (Tochtergeschwülste) durch die Sonographie erkannt werden.
Nach der Operation
- Nach der Operation erhält der Patient ein leichtes Analgetikum (Schmerzmittel) und ggf. ein Antibiotikum.
- Der Patient sollte in den nächsten Tagen ausreichend Flüssigkeit (2-2,5 l)zu sich nehmen, damit mögliche Keime sowie Blut besser ausgeschieden werden können. Des Weiteren sollten in den ersten 24 Stunden nicht schwer gehoben werden und anstrengede Aktivitäten vermieden werden.
- Der Arzt sollte konsultiert werden, wenn nach 3 Tagen immer noch Blut im Urin ist. Weitere Symptome, die Anlass zu einem Arztbesuch sind, sind brennende Schmerzen beim Wasserlassen über den zweiten Tag hinaus, trüber bzw. übelriechender Urin, Auftreten großer Koagual (Blutgerinnsel) im Urin, Flankenschmerzen (Schmerzen in der rechten oder linken Körperflanke) und Fieber.
Mögliche Komplikationen
- Blutungen – die Entnahme des Gewebes aus der Harnblase geht in der Regel mit leichten Blutungen einher. In Ausnahmefällen kann es jedoch zu massiven Blutungen kommen, da es sich bei dem umliegenden Gewebe um stark durchblutetes Gewebe handelt. Da jedoch das Harnblasenkarzinom häufig primär bei älteren und gesundheitlich weniger stabilen auftritt, kann signifikanter Blutverlust mit deutlichen Symptomen einhergehen.
- Perforation der Harnblasenwand – neben Blutungen können durch die Biopsie oder durch das Endoskop selbst Verletzungen der Blasenwand auftreten. Eine Durchtrennung der Blasenwand stellt eine massive und gegebenenfalls lebensbedrohliche Komplikation da.
Literatur
- Karl A, Tritschler S, Zaak D, Tilki D, Stief C, Burger M: Diagnostische Verfahren beim Harnblasenkarzinom. Der Urologe. 2010. 49:1303-1312
- Knobloch von R: Endoskopische Urologie. Springer Verlag 2009
- Rübben H: Uroonkologie. Springer Verlag 2009
- Schmelz U: Facharztwissen Urologie – Differenzierte Diagnostik und Therapie. Springer Verlag 2006
- Jocham D: Praxis der Urologie. Georg Thieme Verlag 2007