Klinefelter-Syndrom – Einleitung

Das Klinefelter-Syndrom (KS) bezeichnet eine Gonosomenanomalie (Geschlechtschromosomenanomalie) des männlichen Geschlechts, die zu einem primären Hypogonadismus (Keimdrüsenunterfunktion) führt. Diese chromosomale Störung ist in den meisten Fällen durch ein zusätzliches X-Chromosom (47, XXY) gekennzeichnet. Die betroffenen Männer sind phänotypisch (äußerlich) und sozial männlich, weisen jedoch häufig Merkmale wie Großwuchs, kleine Hoden, Gynäkomastie (Vergrößerung der männlichen Brustdrüse) und Azoospermie (Fehlen von Samenzellen im Samen) auf. Im Verlauf der späten Adoleszenz (späten Jugend) entwickelt sich ein zunehmender Testosteronmangel.

Synonyme und ICD-10: Fehlbildungssyndrom der Geschlechtschromosomen bei männlichem Phänotyp; Anomalie der Geschlechtschromosomen bei männlichem Phänotyp; Fehlen von Geschlechtschromosomen bei männlichem Phänotyp; Karyotyp 47,XYY; Klinefelter-Anomalie der Geschlechtschromosomen; Klinefelter-Reifenstein-Syndrom; Klinefelter-Syndrom; Klinefelter-Syndrom, Karyotyp 47,XXY; Klinefelter-Syndrom, männlicher Phänotyp, mit Karyotyp 46,XX; Klinefelter-Syndrom, männlicher Phänotyp, mit mehr als zwei X-Chromosomen; männlicher Phänotyp mit Gonosomen-Mosaik; männlicher Phänotyp mit Karyotyp 47,XYY; männlicher Phänotyp mit Strukturanomalie der Geschlechtschromosomen; männlicher Phänotyp mit Strukturanomalie der Gonosomen; Mosaik der männlichen Geschlechtschromosomen a.n.k.; XXXXY-Syndrom; XXY-Syndrom; XYY-Syndrom; ICD-10-GM Q98.-: Sonstige Anomalien der Gonosomen bei männlichem Phänotyp, andernorts nicht klassifiziert

Das Klinefelter-Syndrom wird in ungefähr 10 % der Fälle pränatal (vorgeburtlich) entdeckt und in ca. 25 % in der Kindheit und im Erwachsenenalter. Der Großteil bleibt jedoch unentdeckt.

Formen des Klinefelter-Syndroms

  • Klassisches Klinefelter-Syndrom: 47, XXY
  • Varianten mit höherer X-Chromosomenzahl: 48, XXXY; 49, XXXXY
  • Mosaikform: 47, XXY/46, XY oder andere Mosaikkonstellationen

Epidemiologie

Häufigkeitsgipfel: Diagnose meist in der späten Adoleszenz oder im Erwachsenenalter

Prävalenz (Krankheitshäufigkeit): Etwa 1-2 pro 1.000 männliche Neugeborene

Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen): Ca. 1-2 Erkrankungen pro 1.000 männliche Neugeborene

Verlauf und Prognose

Verlauf

  • Testosteronmangel mit Symptomen wie Libidoverlust, Antriebsmangel und Depressivität.
  • Stoffwechselprobleme und erhöhtes Risiko für Diabetes mellitus Typ 2, Frakturen (Knochenbrüche), Varikosis (Krampfadern), Thrombosen (Gefäßverschluss durch ein Thrombus (Blutgerinnsel)), Embolien (Verschluss eines Blutgefäßes durch eingeschwemmtes Material), Epilepsie sowie andere neurologische und psychische Störungen.
  • Sterilität ist häufig.

Prognose

  • Die Lebenserwartung ist im Vergleich zur allgemeinen männlichen Bevölkerung um etwa 11,5 Jahre reduziert.
  • Der Erfolg der Testosteronsubstitutionstherapie hängt stark von der frühen Diagnose ab.
  • Häufig geht das Syndrom mit einer Sterilität einher.
  • Die rechtzeitige Diagnose und Therapie können die Lebensqualität und -erwartung erheblich verbessern.

Assoziierte Erkrankungen

  • Diabetes mellitus Typ 2
  • Osteoporose (Knochenschwund)
  • Varikosis (Krampfadern)
  • Thrombosen und Embolien
  • Epilepsie
  • Neurologische und psychische Störungen

Leitlinien

  1. Leitlinie Urologie und Urogynäkologie Österreich: Leitlinie Klinefelter-Syndrom. Journal für Urologie und Urogynäkologie 2008; 15 (Sonderheft 6) (Ausgabe für Österreich), 22-23
  2. S2k-Leitlinie: Varianten der Geschlechtsentwicklung (AWMF-Registernummer: 174 - 001), Juli 2016 Langfassung