Atemnotsyndrom des Erwachsenen (ARDS) – Weitere Therapie

Allgemeine Maßnahmen

  • Wichtigste Maßnahme ist die Beseitigung der zugrunde liegenden Ursache (Grunderkrankung).
  • Überprüfung der Dauermedikation wegen möglicher Auswirkungen auf die bestehende Erkrankung.

Intensivmedizinische Behandlung gemäß [S3-Leitlinie]

Die Behandlung richtet sich nach der S3-Leitlinie „Invasive Beatmung und Einsatz extrakorporaler Verfahren bei akuter respiratorischer Insuffizienz“ (schwere Atemschwäche) (AWMF-Registernummer 001-021, Version 2.0, August 2025).

  • Lungenprotektive Beatmung (schutzende Beatmung der Lunge)
    • Tidalvolumen (Atemzugvolumen) ca. 6 ml/kg Idealgewicht, Plateaudruck (Druck in der Lunge am Ende der Einatmung) ≤ 30 cm H₂O.
    • Individuell angepasster PEEP (positiver Druck am Ende der Ausatmung; z. B. FiO₂/PEEP-Tabelle, PEEP-Trial, Ösophagusdruckmessung, Lungenultraschall/EIT).
    • Frühzeitige Spontanatmung unter biphasischer positiver Druckunterstützung (BIPAP – Beatmungsform mit wechselnden Druckniveaus).
    • Hinweis: Die lungenprotektive Ventilation hat Vorrang vor der unmittelbaren Korrektur der Hypoxämie (Sauerstoffmangel im Blut).
    • Keine Hochfrequenzbeatmung bei erwachsenen Patienten mit ARDS (akutes Atemnotsyndrom) empfohlen.
  • Lagerungstherapie (Positionswechsel zur Verbesserung der Atmung)
    • Erhöhter Oberkörper; bei schwerem ARDS (PaO₂/FiO₂ < 150 mmHg) Bauchlagerung empfohlen – bevorzugt etwa 16 Stunden Dauer.
    • Beendigung bei anhaltender Verbesserung der Sauerstoffversorgung in Rückenlage (4 h nach Rücklagerung: PaO₂/FiO₂ ≥ 150 bei PEEP ≤ 10 cm H₂O und FiO₂ ≤ 0,6).
    • Relative Kontraindikationen (Einschränkungen): offenes Abdomen (Bauchhöhle), Wirbelsäuleninstabilität, erhöhter intrakranieller Druck (Hirndruck), hämodynamisch wirksame Herzrhythmusstörungen, Schock (Kreislaufversagen).
  • Flüssigkeitsrestriktion (zurückhaltende Flüssigkeitsgabe)
    • Konservatives Volumenmanagement zur Reduktion des interstitiellen Lungenödems (Flüssigkeitsansammlung im Lungengewebe) und zur Verbesserung der Lungenmechanik.
  • Pharmakotherapie (medikamentöse Behandlung)
    • Analgetika (Schmerzmittel) und Sedativa (Beruhigungsmittel) nach Sedierungs- und Weaning-Protokoll (Entwöhnung von der Beatmung).
    • Keine routinemäßige Gabe systemischer Glucocorticoide (Kortisonpräparate; individuelle Entscheidung bei Einzelfällen).
    • Keine intravenöse oder inhalative Anwendung von β₂-Mimetika (bronchienerweiternde Medikamente).
    • Keine Hochdosis-Antioxidantien (hochdosierte Radikalfänger).
  • Nichtinvasive Oxygenationsstrategien (Sauerstoffzufuhr ohne Beatmungsschlauch)
    • NIV (nichtinvasive Beatmung)/CPAP (kontinuierlicher Atemwegsdruck)/HFNO (High-Flow-Sauerstoffgabe)/Helm-NIV senken Mortalität (Sterblichkeit) und Intubationsrate (Notwendigkeit einer künstlichen Beatmung) im Vergleich zur Standard-Sauerstoffgabe [1].
    • Auswahl nach Patiententoleranz und klinischer Expertise.
  • Extrakorporale Verfahren (außerhalb des Körpers ablaufende Verfahren)
    • vvECMO (venovenöse extrakorporale Membranoxygenierung – künstliche Sauerstoffanreicherung des Blutes außerhalb des Körpers) bei schwerem ARDS nur nach Ausschöpfen konservativer Maßnahmen einschließlich Bauchlagerung (Empfehlungsgrad schwach [S3-Leitlinie]).
    • Low-flow-ECCO₂R/pECLA (extrakorporale Kohlendioxid-Elimination): kein Einsatz außerhalb klinischer Studien ([S3-Leitlinie]).
    • ECMO-Zentren: müssen strukturelle Anforderungen erfüllen (ECMO-spezifische Ausbildung, 24/7-Intensivmediziner, verfügbare Fachdisziplinen, diagnostische/interventionelle Verfahren, mobiles ECMO-Team).
  • Beatmungsparameter und Mortalität
    • Mechanische Größen der Beatmung (Driving Pressure – Druckamplitude, mechanische Power – mechanische Leistung) beeinflussen die Mortalität – Begrenzung dieser Parameter während der gesamten Beatmungsdauer senkt das Risiko beatmungsassoziierter Lungenschäden [2].
  • Weaning und Sedierungsstrategien (Entwöhnung von der Beatmung und Steuerung der Beruhigung)
    • Kombination eines Weaning-Protokolls mit protokollbasierten Aufwach- und Sedierungsstrategien.
    • Bei Langzeitbeatmung Einsatz von Zwerchfell-Ultraschall zur Beurteilung der Entwöhnbarkeit empfohlen ([S3-Leitlinie]).

Weitere Hinweise

  • Bei akuter hypoxischer Ateminsuffizienz (schwere Form der Atemnot) reduzieren nichtinvasive Verfahren (Helm- oder Masken-NIV, High-Flow-Oxygenierung) die Mortalität und Intubationsrate im Vergleich zur Standard-Sauerstoffgabe [1].
  • Mechanische Ventilations-„Dosis“ (Produkt aus Atemfrequenz, Tidalvolumen, Druckamplitude) korreliert mit der Mortalität – Begrenzung senkt das Risiko beatmungsinduzierter Lungenschäden [2].

Organisationen und Selbsthilfegruppen

  • Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA)
    Postfach 91 01 52, D-51071 Köln
    Telefon: 0221-89920, Fax: 0221-8992300, E-Mail: poststelle@bzga.de, Internet: www.bzga.de

Literatur

  1. Ferreyro BL et al.: Association of Noninvasive Oxygenation Strategies With All-Cause Mortality in Adults With Acute Hypoxemic Respiratory Failure: A Systematic Review and Meta-analysis. JAMA. 2020;324(1):57-67. doi:10.1001/jama.2020.9524
  2. Urner M et al.: Time-varying intensity of mechanical ventilation and mortality in patients with acute respiratory failure: a registry-based, prospective cohort study. Lancet Respir Med 2020; https://doi.org/10.1016/S2213-2600(20)30325-8

Leitlinien

  1. S3-Leitlinie: Extrakorporale Zirkulation (ECLS / ECMO), Einsatz bei Herz-und Kreislaufversagen. (AWMF-Registernummer: 011 - 021), August 2020 Kurzfassung Langfassung
  2. S3-Leitlinie: Invasive Beatmung und Einsatz extrakorporaler Verfahren bei akuter respiratorischer Insuffizienz. (AWMF-Registernummer: 001 - 021), August 2025 Kurzfassung Langfassung