Operative Therapie
Nierenzellkarzinom (Hypernephrom)

Active Surveillance ("Aktives Zuwarten")

  • Es gibt weder objektive Kriterien zur Selektion adäquater Patienten noch eine einheitliche Definition zur aktiven Überwachung [2].
  • Bei Patienten mit hoher Komorbidität (schwerwiegende Begleiterkrankungen) und/oder begrenzter Lebenserwartung kann der kleine Nierentumor (Durchmesser ≤ 4 cm) überwacht werden [2].
    Im Alter wachsen Tumoren nur sehr langsam und metastasieren eher nicht. In solchen Fällen sollte primär eine Nadelbiopsie (Form der Gewebeentnahme (Biopsie)) zur durchgeführt werden. Trotz radiologischer Malignitätskriterien sind 20-30 % benigne (gutartige) Tumoren, sodass eine Operation unterbleiben kann. Ca. 60 % sind indolente (langsam wachsende) und 20 % aggressive Karzinome mit höherem Metastasierungspotential [3].
    Bei Nachweis von Tumorzellen erfolgt eine regelmäßige Kontrolle des Tumors (Nierensonographie/Ultraschall der Nieren oder auch Computertomographie, CT). Eine Operation sollte erst dann erfolgen, wenn der Tumor überproportional schnell wächst und das Metastasierungrisiko zunimmt. Dieses Vorgehen führt dazu, dass eine Operation ggf. primär vermieden wird bzw. falls notwendig im späteren Verlauf stattfindet.

Zur Heilung soll beim lokalisierten Nierenzellkarzinom eine chirurgische Resektion erfolgen.

1. Ordnung beim Nierenzellkarzinom

  • Nierenteilresektion bzw. partielle Nephrektomie (pNx) (chirurgische Entfernung des tumortragenden Anteils der Niere) ggf. auch eine Radiofrequenzablation (Zerstörung des Tumors durch starke Hitze) – vor allem bei kleinen Tumoren im Stadium I (T1 bis max. 4 cm) [1]; ; lokal begrenzte Tumoren im klinischen Stadium T2 [2] [Goldstandard]
    Die Nierenteilresektion ist der therapeutische Goldstandard beim lokal begrenzten Nierenzellkarzinom. [Goldstandard]
  • Radikale Nephrektomie bzw. totale Nephrektomie (TNx) (komplette Entfernung der tumortragenden Niere)
    • Laparoskopische Tumornephrektomie (Entfernung der "tumortragenden" Niere) – bis Stadium: T3, M0; gilt ebenfalls als Standardverfahren
      Beachte: Bei laparoskopischer Nephrektomie sind der intraoperative Blutverlust geringer und der stationäre Aufenthalt kürzer als bei offener Operation [2].
    • Radikale Tumornephrektomie – bei ungünstiger Tumorlokalisation (Tumorsitz) und ausgedehnten Tumoren, ggf. mit Lymphadenektomie (Lymphknotenentfernung)
    • Das tumorspezifische Überleben bei einer totalen Nephrektomie wurde mit 95,12 % (Laparoskopie) bzw. mit 94,36 % (offene Operation) beschrieben [2].
  • Adjuvante Lymphadenektomie (Lymphknotenentfernung):
    • Eine systematische oder extendierte Lymphadenektomie bei der operativen Therapie des Nierenzellkarzinoms soll bei unauffälliger Bildgebung und unauffälligem intraoperativen Befund nicht erfolgen [2].
    • Bei Patienten mit vergrößerten Lymphknoten kann zum lokalen Staging und zur lokalen Kontrolle eine Lymphadenektomie erfolgen (konsensbasierte Empfehlung; EK) [2].
  • Eine Adrenalektomie (operative Entfernung der Nebenniere) soll bei unauffälliger Bildgebung und unauffälligem intraoperativem Befund nicht erfolgen.
  • Bei der Nierentumorentfernung soll eine R0-Resektion (Entfernung des Tumors im Gesunden; in der Histopathologie ist kein Tumorgewebe im Resektionsrand nachweisbar) erfolgen.

Weitere Hinweise

  • Patienten, bei denen zwischen 1970 und 2010 eine radikale oder partielle Nephrektomie wegen T1-2Nx / N0M0-Nierenzellkarzinoms (RCC) durchgeführt wurde, wurden analysiert: Bei einem Nierenzellkarzinom mit maximal 3 cm Durchmesser beliefen sich die Raten des progressionsfreien bzw. krebsspezifischen Zehn-Jahres-Überlebens auf 93-95 % bzw. 97-99 %; jenseits dieser Schwelle beliefen sich diese Raten bei 91 % bzw. 95 % [5].
  • Durch die Nierenteilresektion bzw. partielle Nephrektomie (chirurgische Entfernung eines Teils der Niere; nephronsparendes Vorgehen) bei einem lokalisierten Nierenzellkarzinom (T1a-Tumor) ist die Progression zum Stadium 3 einer chronischen Nierenerkrankung seltener geworden [8].
    • Über 70-Jährige mit einem T1a Nierenzellkarzinom profitieren von einer partiellen Nephrektomie. Nach fünf Jahren waren rund die Hälfte der Patienten ohne Operation gestorben, von den operierten lebten hingegen noch ca. 80 % (= 62 % reduziertes Mortalitätsrisiko/Sterberisiko) [10].
  • Der Zustand der Pseudokapsel des Tumors nach der Nierenoperation ermöglicht eine Aussage über den wahrscheinlichen Verlauf der Erkrankung (bes. bei Patienten mit lokalisierten Nierenzellkarzinomen); Rate des progressionsfreien Überlebens (...)  über acht Jahre hinweg in Abhängigkeit von einer Pseudokapsel [6]: 
    • Grad 0: vollständig intakt. (85 %)
    • Grad I: Einbruch ohne Durchbruch (81 %)
    • Grad II:  vollständig durchbrochen (63 %)
    • Fehlende Pseudokapsel (43 %)

Bei Nierenzellkarzinom-Rezidiv

  • Bei lokoregionalen Rezidiven eines lokalen Nierenzellkarzinoms sollten Patienten auch eine lokale Therapie per Operation (= erneute Resektion) oder Strahlentherapie erhalten: Die lokale Behandlung geht mit einer höheren Überlebensrate einher als eine alleinige systemische Therapie [9].

Bei Metastasierung

  • Eine umfangreiche Analyse von Befunden der US-nationalen Krebsdatenbank konnte zeigen, dass Patienten mit metastasiertem Nierenzellkarzinom, die eine „targeted therapy“ (Immuntherapie) erhalten haben, länger lebten, wenn zudem eine zytoreduktive Nephrektomie (zytoreduktiv, d. h. Entfernung eines Großteils der Tumormassen (Senkung der Tumorlast) zum Ziel; Nephrektomie: operative Entfernung einer Niere) vorgenommen wird. Das mediane Gesamtüberleben war in der Gruppe mit Operation im ersten, zweiten, dritten und späteren Jahren durchgängig signifikant länger [4]: Vergleich zur Patientengruppe ohne chirurgischen Eingriff [4]:
    • 1. Jahr:  62,7 % versus 34,7 %
    • 2. Jahr: 39,1 % versus 17,1 %
    • 3. Jahr und später: 27,7 % versus 9,8 %
  • Die zytoreduktive Nephrektomie im metastasierten Stadium ist eine Therapieoption bei Patienten in gutem Allgemeinzustand.
  • Auch bei einem metastasierten Nierenzellkarzinom (Hypernephrom) ist prinzipiell eine Heilung möglich; in solchen Fällen erfolgt erst die Tumorexstirpation und in einer zweiten Operation werden die Metastasen (Tochtergeschwülste) entfernt (Metasektomie).
  • Voraussetzungen zur Metastasenresektion (operative Entfernung von Metastasen) [2]:
    • Der Primärtumor sollte unter Kontrolle sein.
    • Weitere extrathorakale (außerhalb des Brustkorbs) Metastasierung nach interdisziplinärer Absprache.
    • Die Metastasen müssen komplett resektabel (chirurgische entfernbar, mit Aussicht auf Heilung oder Besserung) sein.
    • Das allgemeine und funktionelle Operationsrisiko muss vertretbar sein.
  • Resektable Lungenmetastasen sollten wegen der häufigen lymphogenen Metastasierung mit einer systematischen Lymphknotendissektion reseziert werden [2].
  • Eine Phase-III-Studie konnte bei Patienten mit metastasiertem klarzelligem Nierenzellkarzinom und einer mäßigen bis schlechten Prognose konnte die Nichtunterlegenheit einer alleinigen Therapie mit Sunitinib (Tyrosinkinaseinhibitor; 50 mg/d in Zyklen über vier Wochen, gefolgt von 14-tägigen Pausen) nachweisen: Die mediane Überlebenszeit betrug 18,4 Monate in der Gruppe ohne und 13,9 Monate in der Gruppe mit Nephrektomie [7].

Literatur

  1. Huang WC et al.: Management of Small Kidney Cancers in the New Millennium: Contemporary Trends and Outcomes in a Population-Based Cohort. JAMA Surg. 2015;150(7):664-672. doi:10.1001/jamasurg.2015.0294.
  2. S3-Leitlinie: Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Nierenzellkarzinoms. (AWMF-Registernummer: 043-017OL), Februar 2023 Kurzfassung Langfassung
  3. Lane BR, Tobert CM, Riedinger CB: Growth kinetics and active surveillance for small renal masses. Curr Opin Urol, 2012. 22(5): p. 353-9.
  4. Hanna N et al.: Survival Analyses of Metastatic Renal Cancer Patients Treated With Targeted Therapy With or Without Cytoreductive Nephrectomy: A National Cancer Data Base Study. JCO 2016; online 20. Juni. doi: 10.1200/JCO.2016.66.7931.
  5. Bhindi B et al.: Are We Using the Best Tumor Size Cut-Points for Renal Cell Carcinoma Staging? Urology 2017, online 12. April; doi: 10.1016/j.urology.2017.04.010
  6. Xi W et al.: Evaluation of Tumor Pseudocapsule Status and Its Prognostic Significance in Renal Cell Carcinoma. J Urol. 2017 Nov 8. pii: S0022-5347(17)77849-4. doi: 10.1016/j.juro.2017.10.043.
  7. Méjean A et al.: Sunitinib Alone or after Nephrectomy in Metastatic Renal-Cell Carcinoma. NEJM 2018; online 3. Juni. doi: http://dx.doi.org/10.1056/NEJMoa1803675
  8. Chen K et al.: Evolving trends in the surgical management of renal masses over the past two decades: A contemporary picture from a large prospectively-maintained database. Int J Urol 2019. doi: https://doi.org/10.1111/iju.13909
  9. Liu Y et al.: Locoregional recurrence after nephrectomy for localized renal cell carcinoma: Feasibility and outcomes of different treatment modalities. Cancer Medicine 2022; doi: 10.1002/cam4.4790
  10. Tang Y et al.: Survival benefit stratification of partial nephrectomy versus non-surgical treatment in elderly patients with T1a renal cell carcinoma Cancer Medicine 11 January 2023 https://doi.org/10.1002/cam4.5580

Leitlinien

  1. S3-Leitlinie: Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Nierenzellkarzinoms. (AWMF-Registernummer: 043-017OL), Februar 2023 Kurzfassung Langfassung
     
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