Riesenzellarteriitis – Einleitung

Die Riesenzellarteriitis (RZA) (Synonyme: Arteriitis temporalis; Arteriitis temporalis Horton, Riesenzellarteriitis, Horton'sche Riesenzellarteriitis; Großgefäßvaskulitis; Horton-Magath-Brown-Syndrom; kranielle Arteriitis; Morbus Horton; Polymyalgia arteriitica; Polymyalgia arteriitica mit Riesenzellen; Polymyalgia rheumatica; Riesenzellarteriitis a.n.k.; Riesenzellarteriitis bei Polymyalgia rheumatica; Riesenzellarteriitis bei rheumatischer Polymyalgie; Riesenzell-Arteriitis mit Arteriitis temporalis; Riesenzellengranuloarteriitis; Riesenzellgranuloarteriitis; ICD-10-GM M31.5: Riesenzellarteriitis bei Polymyalgia rheumatica) bezeichnet die häufigste Form der systemischen Vaskulitis (Entzündung von Blutgefäßen) bei Patienten über dem 50. Lebensjahr. Sie gehört zur Gruppe der Vaskulitiden (Gefäßentzündung).

Die Riesenzellarteriitis (RZA) und die Takayasu-Arteriitis (TA) werden unter dem Begriff „Großgefäßvaskulitis“ (GGV) zusammengefasst.

Die Riesenzellarteriitis betrifft vor allem große Gefäße im Bereich des Kopfes, der Aorta (Hauptschlagader) und ihre großen Arterienäste (Äste der Arteria carotis und der Arteria vertebralis) sowie extrakranielle ("außerhalb des Schädels") Gefäße wie beispielsweise die Extremitätenarterien. Auch kleinere Gefäße können mitbetroffen sein: Arteria ophthalmica und ihre extraparenchymalen Äste sowie auch die kleinen ziliaren Arterien.

Die Riesenzellarteriitis (RZA) ist in 50-66 % der Fälle mit der Polymyalgia rheumatica (PMR) assoziiert. In bis zu 70 % der Fälle liegt eine Augenbeteiligung vor. Weitere Komorbiditäten (Begleitkrankheiten) sind: Gesichtsschmerzen, Osteoporose (Knochenschwund), Hypokaliämie (Kaliummangel) und zahlreiche Infektionserkrankungen wie orale Candidiasis (Hefepilzerkrankung im Mund) und Herpes zoster (Gürtelrose). 

Geschlechterverhältnis: Frauen sind zwei- bis sechsmal häufiger betroffen als Männer.
In vielen Fällen kann man eine familiäre Häufung erkennen.

Häufigkeitsgipfel: Die Riesenzellarteriitis tritt fast ausschließlich jenseits des 50. Lebensjahres auf.

Die Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen) der Riesenzellarteriitis beträgt ca. 3,5 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner pro Jahr (in Deutschland).
Am höchsten ist die Inzidenz bei Frauen im Alter von 70 bis 79 Jahren. Es besteht in Europa ein deutliches Nord-Süd-Gefälle.

Verlauf und Prognose

Verlauf

Die Riesenzellarteriitis (RZA) ist ein Notfall und bedarf sofortiger medizinischer Intervention. Unbehandelt kann die Erkrankung zu einer Beteiligung der Aorta und ihrer Seitenäste führen, was wiederum zu schweren Komplikationen wie Aortenaneurysmen führt.

Die häufigste und schwerwiegendste Komplikation ist der irreversible Visusverlust, der bei etwa 15-20 % der Patienten auftritt, bevor eine adäquate Therapie eingeleitet wird. Zu den initialen Symptomen gehören Kopfschmerzen, Kauschmerzen, Claudicatio masticatoria (belastungsabhängige Kieferschmerzen während des Kauvorgangs), allgemeines Krankheitsgefühl und Fieber. Es können auch Gefäßveränderungen wie verdickte, empfindliche und pulsschwache Temporalarterien (Schläfenarterien)  beobachtet werden.

Da die Krankheit häufig zusammen mit der Polymyalgia rheumatica (PMR) auftritt, leiden viele Patienten zusätzlich unter gürtelförmigen Muskelschmerzen im Schulter- und Beckengürtelbereich.

Die Diagnose erfolgt klinisch und wird durch erhöhte Entzündungsparameter im Blut (wie BSG und CRP) sowie durch eine Biopsie der betroffenen Arterie gestützt. Bildgebende Verfahren wie Ultraschall und MRT können ebenfalls hilfreich sein.

Prognose

Die Prognose der RZA ist stark von einer schnellen Diagnose und Therapie abhängig. Die Behandlung erfolgt primär durch die Gabe von Glucocorticoiden. Eine verzögerte Diagnose und Therapie kann zu schwerwiegenden Folgen führen, insbesondere zu irreversiblen Schäden wie einem Visusverlust.

Ein Wiederaufflammen der Erkrankung ist nach Reduktion der Glucocorticoide häufig, und die Rezidivrate liegt bei etwa 30 %. Langfristige Glucocorticoid-Therapien sind daher oft notwendig, was wiederum das Risiko für Nebenwirkungen wie Osteoporose (Knochenschwund), Diabetes und Infektionen erhöht.

Komorbiditäten: Insbesondere die Assoziation mit der Polymyalgia rheumatica (PMR; s. u.), beeinflusst ebenfalls den Verlauf und die Prognose der Erkrankung. 

Beachte: Der klinische Verdacht auf eine Riesenzellarteriitis stellt eine sofortige Behandlungsindikation dar!

Komorbidität 

Die Riesenzellarteriitis (RZA) ist in 50-66 % der Fälle mit der Polymyalgia rheumatica (PMR) assoziiert. Typisch für PMR sind gürtelförmige Muskelschmerzen des Schulter- und Beckengürtels, die die Lebensqualität der Patienten erheblich beeinträchtigen können.

Leitlinien

  1. Hellmich B et al.: 2018 Update of the EULAR recommendations for the management of large vessel vasculitis Ann Rheum Dis. 2019 Jul 3. pii: annrheumdis-2019-215672. doi: 10.1136/annrheumdis-2019-215672.
  2. S2k-Leitlinie: Management der Großgefäßvaskulitiden. (AWMF-Registernummer: 060 - 007), Juli 2020 Kurzfassung Langfassung