Syphilis – Einleitung

Syphilis, auch Lues oder "harter Schanker" genannt, gehört zu den sexuell übertragbaren Erkrankungen (engl. STD (sexually transmitted diseases) oder STI (sexually transmitted infections)). Sie wird verursacht durch das Bakterium Treponema pallidum (Spirochätenart).

Synonyme und ICD 10: Gumma; Harter Schanker; Konnataler Syphilis; Lues; Neurosyphilis; Progressive Parese; Schaudinn-Krankheit; Spätsyphilis; Syphilis (Lues); Treponema pallidum; Treponemeninfektion; Ulcus durum; ICD-10-GM A52.-: Spätsyphilis; ICD-10-GM A51.-: Frühsyphilis; ICD-10-GM A53.9: Syphilis, nicht näher bezeichnet; ICD-10-GM A50.-: Syphilis connata

Formen der Syphilis

Die erworbene Syphilis wird nach dem Krankheitsverlauf in vier Stadien eingeteilt:

  • Primärstadium: Ca. drei Wochen nach der Infektion entsteht das Ulcus durum (eine schmerzlose Verhärtung, die geschwürig zerfällt) an der Eintrittsstelle (sogenannter Primäraffekt); die lokalen Lymphknoten schwellen ebenfalls schmerzlos an (sogenannter Primärkomplex); diese Symptome bilden sich nach 4-6 Wochen auch ohne Therapie zurück.
  • Sekundärstadium: Wurde das Primärstadium nicht behandelt, so schreitet die Infektion weiter und macht vielfältige Symptome (Allgemeinsymptome und Hauterscheinungen/kleinfleckiges Exanthem am Körperstamm und an den proximalen Anteilen der Extremitäten; Enanthem: auf den Schleimhäuten befinden sich infektiöse rötliche Papeln (Bläschen/Knötchen; Plaques muqueses); im Bereich des Zungenrückens findet man Plaques lisses); unbehandelt klingen auch diese Beschwerden wieder ab und münden dann nach Monaten oder Jahren (= Latenz) im nachfolgenden Stadium.
  • Tertiärstadium (Jahre nach der Erstinfektion): In diesem Stadium hat sich der Erreger in allen Organen manifestiert, eine Gefahr besteht vor allem in der Beteiligung des zentralen Nervensystems.
  • Quartärstadium: Progressive (fortschreitende) Paralyse (Erscheinungsform der Neurosyphilis, die als Psychose mit neurologischen Ausfällen verläuft) und die Tabes dorsalis (Entmarkungsprozess des Hinterstrangs und der dorsalen Nervenwurzeln der Spinalnerven; dieses führt zu Störungen des Stellungssinns, Bewegungssinns und des Vibrationsempfindens).

Symptomfreie Phasen werden als Latenz bezeichnet. In Abhängigkeit von der seit der Infektion vergangenen Zeitspanne wird zwischen Früh- und Spätlatenz unterschieden.

Epidemiologie

  • Erregerreservoir: Der Mensch stellt zurzeit das einzige relevante Erregerreservoir dar.
  • Vorkommen: Die Infektion tritt weltweit auf.
  • Übertragungsweg: Die Übertragung des Erregers erfolgt durch Kontakt genitoanaler oder oraler Schleimhäute (selten der Haut) infizierter Patienten (Sexualkontakte) sowie durch Blut. Eine Sonderform ist die Syphilis connata, bei der die Infektion intrauterin von der Mutter auf das ungeborene Kind übertragen wird.
  • Inkubationszeit: Die Zeit von der Ansteckung bis zum Ausbruch der Erkrankung beträgt in der Regel 10 Tage bis 3 Monate.
  • Geschlechterverhältnis: Männer sind häufiger betroffen als Frauen.
  • Häufigkeitsgipfel: Die Erkrankung tritt vorwiegend im Alter zwischen 20 und 50 Jahren auf, wobei Frauen sich eher im jüngeren Alter (25-29 Jahre) und Männer meist im Alter zwischen 30-39 Jahren anstecken.
  • Prävalenz (Krankheitshäufigkeit): Syphilis ist die weltweit am dritthäufigsten sexuell übertragbare Erkrankung (STI; engl. sexually transmitted infections; STD, sexually transmitted diseases).
  • Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen): Bei Männern liegt die Inzidenz nach einem deutlichen Rückgang in den 90er-Jahren des 20. Jahrhunderts bei 11,5-13,5 pro 100.000 Einwohner pro Jahr, ähnlich hoch wie vor Beginn der AIDS-Ära. Bei Frauen ist die Inzidenz seit den 1990er-Jahren unter 1 pro 100.000 geblieben. Bei Männern, die Sex mit Männern haben (engl. men who have sex with men (MSM)), ist die Prävalenz 15-mal höher als bei anderen Männern [1]. Die Anzahl bestätigter Syphilisfälle hat in den vergangenen Jahren zugenommen.

Die Infektiosität besteht im Primär- und Sekundärstadium sowie während der Frühlatenz (bis etwa ein Jahr nach der Infektion).

Verlauf und Prognose

Verlauf

  • Die Syphilis verläuft in vier Stadien (siehe oben).
  • Im Primär- und Sekundärstadium bestehen Symptome, die bei adäquater Therapie vollständig abheilen können.
  • Ohne Behandlung schreitet die Erkrankung weiter und kann das Tertiär- und Quartärstadium erreichen, in denen irreversible Schäden an Organen, insbesondere dem zentralen Nervensystem, auftreten können.
  • Symptomfreie Phasen (Latenz) können mehrere Jahre dauern.

Prognose

  • Frühzeitige Diagnose und Therapie: Mittels rechtzeitiger und adäquater Therapie (Antibiotikagabe, meist Penicillin) heilt die Erkrankung erfolgreich aus.
  • Unbehandelte Fälle: Ohne Therapie kann die Syphilis zu schweren Komplikationen und langfristigen gesundheitlichen Schäden führen. Die Spätstadien der Syphilis (Tertiär- und Quartärstadium) sind mit hoher Morbidität und Mortalität verbunden.
  • Koinfektion mit HIV: Ca. die Hälfte der Syphilis-Patienten weist gleichzeitig eine HIV-Koinfektion (Doppelinfektion) auf, was die Prognose verschlechtert.
  • Prävention und Partnerbehandlung: Eine Diagnostik und ggf. Therapie der Sexualpartner und -partnerinnen sollte durchgeführt werden, um eine Reinfektion und weitere Verbreitung zu verhindern.

Eine Schutzimpfung gegen Syphilis steht bislang nicht zur Verfügung.

In Deutschland ist der direkte oder indirekte Nachweis des Erregers nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) namentlich meldepflichtig, soweit die Nachweise auf eine akute Infektion hinweisen.

Literatur

  1. Tsuboi M et al.: Prevalence of syphilis among men who have sex with men: a global systematic review and meta-analysis from 2000-20. Lancet Global Health July 08, 2021 doi:https://doi.org/10.1016/S2214-109X(21)00221-7

Leitlinien

  1. Tiplica GS et al.: 2015 European guidelines for the management of partners of persons with sexually transmitted infections. JEADV 2015; online 7. Mai 2015
  2. WHO Guidelines for the Treatment of Treponema pallidum (syphilis). ISBN 978 92 4 154980 6 (NLM classification: WC 170) © World Health Organization 2016
  3. S2k-Leitlinie: Sexuell übertragbare Infektionen (STI) - Beratung, Diagnostik, Therapie. (AWMF-Registernummer: 059 - 006), August 2018 Langfassung
  4. S1-Leitlinie: Neurosyphilis. (AWMF-Registernummer: 030 - 101), Mai 2020 Langfassung
  5. S2k-Leitlinie: Diagnostik und Therapie der Syphilis. (AWMF-Registernummer: 059-002), Juni 2021 Langfassung
  6. S2k-Leitlinie: Labordiagnostik schwangerschaftsrelevanter Virusinfektionen. (AWMF-Registernummer: 093-001), Oktober 2021 Langfassung