Supraventrikuläre Tachykardie – Einleitung

Die supraventrikuläre Tachykardie (SVT) (SV-Tachykardie) ist eine Herzrhythmusstörung, die zur Gruppe der Reizleitungsstörungen gehört. Im Rahmen der Tachykardie kommt es dabei zu Herzfrequenzen von 150-220 Schlägen/Minute. Eine Tachykardie ist definiert durch mindestens 3 Schläge mit einer Frequenz von > 100/min.

Thesaurussynonyme und ICD-10: atriale Tachykardie; ektope atriale Tachykardie; nodale Tachykardie; paroxysmale Knotentachykardie; paroxysmale sinuaurikuläre Tachykardie; supraventrikuläre paroxysmale Tachykardie; Vorhoftachykardie; ICD-10-GM I47.1: Ventrikuläre Arrhythmie durch Re-entry)

Die supraventrikuläre Tachykardie gehört zur Gruppe der supraventrikulären Arrhythmien.

Ursprung und Erregungsleitung

Der Ursprung der Erregung liegt im Bereich des Herzvorhofs (lat. Atrium cordis) am Sinusknoten, Atrioventrikular-Knoten (lat. Nodus atrioventricularis; "Vorhof-Kammer-Knoten"; AV-Knoten) oder am His-Bündel. Diese stellen Teile des Herzreizleitungssystems dar.
Bei der ventrikulären Tachykardie liegt der Erregungsursprung im Bereich der Herzkammer (Ventrikel) in den Tawara-Schenkeln.

Häufigkeit und Auftreten

Die supraventrikuläre Tachykardie (SVT) zählt mit der ventrikulären Tachykardie zu den paroxysmalen (anfallsartigen) Tachykardien.
Die SVT ist die häufigste symptomatische Tachyarrhythmie bei Kindern, Jugendlichen sowie bei Patienten mit einem angeborenen Herzfehler (Vitien).

Formen der supraventrikulären Tachykardie

Zu den supraventrikulären Tachykardien zählen:

AV-Knoten-Reentrytachykardie (AVNRT)

  • Häufigste paroxysmale supraventrikuläre Tachykardie (PSVT) bei Erwachsenen.
  • Macht 60-70 % aller paroxysmalen Rhythmusstörungen aus.
  • Häufig betroffen: Frauen mittleren Alters.

AV-Reentry-Tachykardie (AVRT)

  • Eine Form der supraventrikulären Herzrhythmusstörung, die durch eine akzessorische Leitungsbahn zu einer kreisenden Erregung zwischen Vorhof und Kammer führt.
  • Häufigste Form bei Kindern und Jugendlichen.

Fokale atriale Tachykardie

  • Entstehung in umschriebenen Vorhofarealen ("fokal").
  • Charakterisiert durch einen regelmäßigen atrialen Rhythmus mit einer Frequenz von über 100 Schlägen/min.

Vorhofflattern

  • Regelmäßige, schnelle Vorhofkontraktionen.

Formen der supraventrikulären Tachykardie entsprechend der Lokalisation

  • Sinusknoten-Reentrytachykardie
  • Atriale Makro-Reentrytachykardie
  • Fokale atriale Tachykardie
  • AV-Knoten-Reentrytachykardie (AVNRT)
  • AV-Reentrytachykardie bei akzessorischer Leitungsbahn
  • Junktionale ektope Tachykardie

Weitere Formen der supraventrikulären Tachykardie

  • Incessant: nicht endende Tachykardie.
  • Paroxysmal: anfallsartig auftretend.
  • Repetitiv: kurze Sinusaktionen zwischen tachykarden Phasen.
  • Sustained: anhaltende Tachykardie, die mindestens 30 Sekunden besteht.
  • Non-sustained: nicht-anhaltende Tachykardie.
  • Warming up/cooling down: am Beginn schneller werdende und am Ende wieder langsamer werdende Frequenz.

Diagostik

Im EKG (Elektrokardiogramm) weisen supraventrikuläre Tachykardien einen schmalen Kammerkomplex (QRS-Breite ≤ 120 ms) auf und werden daher als Schmalkomplextachykardien bezeichnet.

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Frauen haben ein zweifach erhöhtes Risiko für eine supraventrikuläre Tachykardie

Häufigkeitsgipfel: Die Erkrankung tritt mit zunehmendem Alter häufiger auf; Personen ab 65 Jahren haben im Vergleich zu jüngeren Menschen ein 5-fach erhöhtes Risiko.

Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) liegt bei 2,25/1.000 Personen 
(in Deutschland).

Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen) beträgt 35 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner pro Jahr.

Verlauf und Prognose

Verlauf

  • Inkubationszeit und Auslöser: Die supraventrikuläre Tachykardie (SVT) kann plötzlich und unerwartet auftreten. Häufige Auslöser sind Stress, körperliche Anstrengung, Koffein, Alkohol und bestimmte Medikamente. Die SVT kann episodisch (paroxysmal) oder kontinuierlich (incessant) verlaufen.
  • Symptomatik: Die SVT manifestiert sich typischerweise durch plötzlich einsetzende Palpitationen (Herzklopfen), die von wenigen Sekunden bis zu mehreren Stunden anhalten können. Die Herzfrequenz liegt dabei zwischen 150 und 220 Schlägen pro Minute. Weitere Symptome können Schwindel, Synkopen (kurz andauernde Bewusstlosigkeit), Brustschmerzen, Atemnot und Angstgefühle sein. Bei einigen Patienten treten auch Übelkeit und Schwitzen auf. In schwereren Fällen kann eine SVT zu einer Beeinträchtigung der Herzfunktion und einer verminderten Auswurfleistung des Herzens führen, insbesondere bei Patienten mit bereits bestehender Herzinsuffizienz.
  • Diagnose: Die Diagnose erfolgt in der Regel durch ein Elektrokardiogramm (EKG), das während einer Tachykardie-Episode durchgeführt wird. Charakteristisch ist ein schmaler QRS-Komplex (≤ 120 ms), der auf eine supraventrikuläre Herkunft der Tachykardie hinweist. Die Differentialdiagnose umfasst andere Formen der Tachykardie, wie ventrikuläre Tachykardien, die einen breiten QRS-Komplex aufweisen.
  • Akuttherapie: Die Behandlung einer akuten SVT-Episode kann durch vagale Manöver, wie Valsalva-Manöver oder das Eintauchen des Gesichts in kaltes Wasser, eingeleitet werden. Sollte dies nicht erfolgreich sein, erfolgt die pharmakologische Kardioversion mit Adenosin oder Verapamil. In einigen Fällen kann eine elektrische Kardioversion (Wiederherstellung des normalen Herzrhythmus) erforderlich sein, insbesondere bei hämodynamischer Instabilität.

Prognose

  • Kurzfristige Prognose: Die kurzfristige Prognose bei Patienten mit SVT ist in der Regel gut, insbesondere wenn keine strukturelle Herzerkrankung vorliegt. Die meisten Episoden können effektiv behandelt und kontrolliert werden.
  • Langfristige Prognose: Die langfristige Prognose hängt von der zugrunde liegenden Ursache und der Häufigkeit der Tachykardie-Episoden ab. Bei idiopathischer SVT ohne strukturelle Herzerkrankung ist die Prognose exzellent, und die Patienten können ein normales Leben führen. Bei Patienten mit struktureller Herzerkrankung oder anderen Komorbiditäten kann die SVT jedoch zu einer Verschlechterung der Herzfunktion beitragen und die Prognose entsprechend verschlechtern.
  • Rezidivrisiko: Die Rezidivrate (Wiederauftreten der Erkrankung) der SVT ist hoch, insbesondere bei nicht behandelten Patienten. Wiederholte Episoden können die Lebensqualität beeinträchtigen und erfordern oft eine langfristige Behandlung. Die Katheterablation, bei der das arrhythmogene Gewebe im Herzen verödet wird, bietet eine kurative Option mit hohen Erfolgsraten und niedrigen Rezidivraten.
  • Komplikationen: Obwohl selten, können Komplikationen auftreten, insbesondere bei anhaltender oder häufig rezidivierender SVT. Dazu gehören
    • Herzinsuffizienz: Insbesondere bei Patienten mit bereits bestehender Herzschwäche.
    • Thromboembolische Ereignisse: Wie Apoplex (Schlaganfall), besonders bei anhaltender Tachykardie.
    • Synkopen: Durch verminderte Hirndurchblutung während der Tachykardie-Episoden.
  • Langzeitmanagement: Das Langzeitmanagement zielt darauf ab, die Häufigkeit und Schwere der Tachykardie-Episoden zu reduzieren. Dazu gehören:
    • Medikamentöse Therapie: Betablocker, Calciumkanalblocker oder Antiarrhythmika.
    • Katheterablation: Insbesondere bei Patienten mit häufigen oder symptomatischen Episoden.
    • Lebensstiländerungen: Vermeidung von Auslösern wie Koffein, Alkohol und Stress.
    • Regelmäßige kardiologische Kontrollen: Zur Überwachung und Anpassung der Therapie.
  • Lebensqualität: Bei adäquater Behandlung können die meisten Patienten mit SVT eine normale Lebensqualität und Lebenserwartung haben. Die regelmäßige Nachsorge und Anpassung der Therapie sind entscheidend, um das Auftreten von Symptomen und Komplikationen zu minimieren.

Zusammenfassend ist die supraventrikuläre Tachykardie eine gut behandelbare Herzrhythmusstörung mit einer meist günstigen Prognose, insbesondere bei frühzeitiger Diagnose und adäquater Therapie.

Leitlinien

  1. S2k-Leitlinie: Tachykarde Herzrhythmusstörungen im Kindes- und Jugendalter. (AWMF-Registernummer: 023 - 022), November 2018 Langfassung
  2. S2k-Leitlinie: Tachykarde ventrikuläre Herzrhythmusstörungen im Kindes- und Jugendalter - Indikationen zur ICD Therapie. (AWMF-Registernummer: 023 - 037), August 2013