Medikamentöse Therapie
Eisenmangelanämie

Therapieziel

  • Normalisierung des Eisenhaushaltes

Therapieempfehlungen

  • Eisensupplementierung (Eisensubstitution; Grunderkrankung muss unabhängig davon behandelt werden) sollte immer dann erfolgen, wenn eine manifeste Eisenmangelanämie besteht:
    • Hämoglobin (Hb) ≥ 8 g/dl, orale Eisensubstitution; Einnahme auf nüchternen Magen führt zu einer 20 % höheren Absorption/Aufnahme (parenteralen Substitution (hier: in die Vene) nur in Ausnahmefällen, d. h. nur wenn der Hb-Wert unter oraler Eisensubstitution nicht ansteigt) 
      Eisensubstitution: Erwachsene: 100-200 mg elementares Eisen, Kinder: 3-6 mg/kg KG in zwei Dosen aufgeteilt

    • Hämoglobin (Hb) < 7-8 g/dl, über Erythrozyten-Konzentrat (EK) nachdenken (Wie geht es dem Patient? Klinische Anämie-Symptome (Blutarmut) wie Kopfschmerzen, Schlappheit, Herzrasen? Besteht gleichzeitig eine Infektion? Ist der Hb auf dem absteigenden oder aufsteigenden Ast)
    • Hämoglobin (Hb) < 6 g/dl, i. d. R. Erythrozyten-Konzentrat (EK)
    • Hämoglobin (Hb) < 4,5-5,0 g/dl (< 2,8-3,1 mmol/l): absolute Transfusionsindikation [2]
  • Siehe auch unter "Weitere Therapie".

Weitere Hinweise

  • Selbst wenn der Hb-Wert nach einer Operation im Gastrointestinalbereich (Magen-Darm-Trakt) nicht unter 7 g/dl sinkt, der Hämoglobinspiegel aber um die Hälfte oder mehr abgesunken ist, muss einer Studie zufolge mit postoperativen Komplikationen gerechnet werden [1].
    Bei Patienten nach Herzoperationen konnten ebenfalls in solchen Fällen schon in der Vergangenheit erhöhte postoperative Komplikationen (erhöhtes Risiko für Mortalität (Sterberate), Apoplex (Schlaganfall), Myokardinfarkt (Herzinfarkt) und Nierenversagen) beobachtet werden.
  • Eine orale Eisensubstitution bei Patienten mit Eisenmangelanämie kann bereits nach zwei Wochen recht zuverlässig beurteilt werden. Ein Hb-Anstieg ≥ 1 g/dl bis Tag 14 galt als erfolgreich: Dieses erreichten 73 % der Patienten (= Responder). Der Anstieg sagte mit einer Sensitivität von 90,1 % und einer Spezifität von 70,3 % einen längerfristigen Erfolg voraus; das Ansprechen war von der Ursache der Anämie (Blutarmut) unabhängig [4].
  • Nicht anämische Eisenmangel-Patienten (IDNA, iron-deficient non-anaemic) zeigen nach einer Eisentherapie eine Besserung der subjektiv wahrgenommenen Müdigkeit, auf die objektiv messbare Leistungsfähigkeit hat diese dagegen keinen Einfluss [5].
  • Patienten mit einer Anämie aufgrund chronischer Entzündungen ("anemia of chronic inflammation", ACI) sollten wegen der durch Hepcidin ausgelösten Blockade eine enterale Eisenaufnahme eine i.v. Eisensubstitution erhalten. Alternativ oder adjuvant kann in solchen Fällen zu einer Eisensupplementation oral Lactoferrin eingesetzt werden. Dieses senkt die Ausschüttung von proinflammatorischen Zytokinen, wie IL-6 und somit die Hepcidin-Ausschüttung.
    Beachte: Hepcidin vermindert die Funktion des Eisentransportproteins Ferroportin, was zu einer verminderten enteralen Eisenresorption (Eisenaufnahme durch den Darm) und zugleich zu einer verminderten Freisetzung von Eisen aus Makrophagen (Fresszellen) und Hepatozyten (Leberzellen) führt. 
  • Hypogonadismus (Keimdrüsenunterfunktion) bei Männern: Testosteron-Substitution bei Männern mit Hypogonadismus, mit Anämie (Hämoglobin < 12,7 g/dl) [7]

Wirkstoffe (Hauptindikation)

Eisen

  • Die Eisensubstitution sollte oral mit zweiwertigem Eisen (z. B. Eisensulfat, -gluconat und -fumarat) aufgeteilt) erfolgen → bessere Resorption als dreiwertiges Eisen (dies wird bei der parenteralen Substitution eingesetzt; nur in Ausnahmefällen indiziert) und geringere Nebenwirkungen
  • Wirkformen 
    • orale Therapie: Eisen-II-Sulfat, Eisen-II-Gluconat, Eisen-II-Succinat, Eisen-II-Glycin-Sulfat-Komplex; empfohlene Tagesdosis für:
      • Erwachsene: 100-200 mg elementares Eisen
      • Kinder: 3 - 6 mg/kg Körpergewicht (in zwei Dosen aufgeteilt)
    • parenterale Therapie*: Eisen-III-Hydroxid-Dextran-Komplex, Eisen-III-Natrium-Gluconat-Komplex, Eisen-III-Chlorid, Eisensaccharose; nur wenn der Hb-Wert unter oraler Eisensubstitution nicht ansteigt, d. h. Eisen durch einen Malabsorptionssyndrom (Erkrankungen, die durch eine gestörte Aufnahme von Substraten aus dem Darm entstehen) oral schlecht resorbiert wird.
      Indikation für eine intravenöse Eisentherapie: Hb-Wert unter 10 g/dl, Unverträglichkeit oder unzureichende Wirkung oraler Präparate, ausgeprägte Krankheitsaktivität sowie begleitende Erythropoetin-Therapie.
    • Beachte: Bei Dextranpräparaten wird ein erhöhtes Risiko für eine anaphylaktische Reaktion angegeben [3]: 
      • 2,6-fach erhöhtes Anaphylaxierisiko im Vergleich zur Anwendung nicht dextranhaltiger Präparate (Odds Ratio [OR: 2,6; 95 %-Konfidenzintervall zwischen 2,0 und 3,3; p ˂ 0,001).
      • Das geringste Risiko wird für die Verwendung von Eisensaccharose angegeben.
  • Dosierungshinweise: Tagesdosis von 100-200 mg in zwei Einzeldosen; Verbesserung der oralen Eisenresorption durch gleichzeitige Gabe Vitamin-C-reichen Fruchtsäften
  • Cave! Eisenintoxikation bei Kindern schon durch das 5-fache der therapeutischen Dosis eines Erwachsenen! Typische Symptome sind Nausea, Erbrechen, Diarrhoe, toxische Hepatitis (Lebernekrosen), Herzinsuffizienz (Herzschwäche) und metabolische Azidose (stoffwechselbedingte Übersäuerung).
  • Eisenüberladung (vor allem bei parenteraler Eisensubstitution): Gabe von Deferoxamin oder Deferasirox
  • Nebenwirkungen: vor allem gastrointestinale Symptomatik; Schwarzfärbung des Stuhls
  • Nebenwirkungen bei parenteraler Gabe von Eisenpräparaten (Eisensucrose, Eisencarboxymaltose, Eisen-Isomaltosid, Eisendextran, Eisen-Natrium-Gluconat): Kounis-Syndrom: akute allergische Koronararterienspasmen, die zu einem Myokardinfarkt führen können; Häufigkeit nicht bekannt
  • Therapiedauer: 3-6 Monate
  • Therapiekontrolle anhand der Ferritinwerte; eine erfolgreiche Eisensubstitution führt zu einem Anstieg der Retikulozyten innerhalb von einer Woche nach Therapiebeginn. Zielparameter (nach > 7 d nach Eisensubstitution bestimmen):
    • Serum-Ferritin (Eisenspeicher): 200-500 μg/l
    • Transferrinsättigung (TFS; engl. transferrin saturation, TSAT): > 20-40 %

Sicherheit der intravenösen Eisensupplementierung

  • Eine Analyse auf Grundlage von mehr als 35.000 Infusionen ergab, dass die intravenöse Eisen-Supplementierung im Allgemeinen gut vertragen wird. Präparateabhängig kam es allerdings bei 3,9 % aller Behandlungen zu Überempfindlichkeitsreaktionen/Infusionsreaktionen: 
    • Eisensucrose: 4,3 %
    • Eisendextran: 3,8 %
    • Ferumoxytol: 1,8 %
    • Eisencarboxymaltose: 1,4 %
    Nur in zwei Fällen war die Gabe von Adrenalin aufgetreten (bzw. dokumentiert).
    Beachte: Eine frühere Reaktion auf eine Eiseninfusion ist ein Risikofaktor für eine erneute Überempfindlichkeitsreaktion.

Literatur

  1. Spolverato G et al.: Effect of Relative Decrease in Blood Hemoglobin Concentrations on Postoperative Morbidity in Patients Who Undergo Major Gastrointestinal Surgery. JAMA Surg 2015; online 29. Juli; doi: 10.1001/jamasurg.2015.1704
  2. Bundesärztekammer (2014) Querschnitts-Leitlinien (BÄK) zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten, 4. überarbeitete und aktualisierte Auflage. http://www.bundesaerztekammer.de. Zugegriffen: 4. Mai 2015
  3. Wang C et al.: Comparative Risk of Anaphylactic Reactions Associated With Intravenous Iron Products. JAMA 2015; 314(19): 2062–2068. doi: 10.1001/jama.2015.15572
  4. Okam MM et al.: Iron supplementation, response in iron-deficiency anemia: analysis of five trials. The American Journal of Medicine 2017, online 26. April doi: http://dx.doi.org/10.1016/j.amjmed.2017.03.045
  5. Houston BL et al.: Efficacy of iron supplementation on fatigue and physical capacity in non-anaemic iron-deficient adults: a systematic review of randomised controlled trials. BMJ Open 2018;8:e019240. doi:10.1136/ bmjopen-2017-019240
  6. Arastu AH et al.: Analysis of Adverse Events and Intravenous Iron Infusion Formulations in Adults With and Without Prior Infusion Reaction. JAMA Network Open. 2022;5(3):e224488. https://doi.org/10.1001/jamanetworkopen.2022.4488
  7. Pencina KM etal.: Efficacy of Testosterone Replacement Therapy in Correcting Anemia in Men With Hypogonadism A Randomized Clinical Trial JAMA Netw Open. 2023;6(10):e2340030. doi:10.1001/jamanetworkopen.2023.40030

Leitlinien

  1. S3-Leitlinie: Präoperative Anämie. (AWMF-Registernummer: 001 - 024), April 2018 Langfassung

     
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