Operative Therapie
Offene Wunde

Die Wundreinigung geht dem weiteren chirurgischen Vorgehen voraus: Wundreinigung (möglichst mit Einmal-Handschuhen), d. h. Entfernung von Schmutz bzw. Fremdkörpern, anschließend Spülung der Wunde mit viel Flüssigkeit zur bakteriellen Keimreduktion; geeignet ist eine Kochsalzlösung (NaCl 0,9 %), es reicht aber auch Leitungswasser aus [1].

Beachte:

  • Ein primärer Wundverschluss erfolgt durch Primärnaht (chirurgische Hautnaht, die zum direkten Verschluss von frischen Wunden innerhalb der ersten 6 Stunden nach dem Trauma gelegt wird) in Lokalanästhesie (örtlicher Betäubung).
  • Die "6-Stunden-Regel", innerhalb derer ein primärer Wundverschluss zu erfolgen hat, ist zu beachten, da sonst die primäre Wundheilung (sanatio per primam intentionem) durch die eingetretene bakterielle Kontamination gefährdet ist.
  • Menschen- und Katzenbisse sind in Bezug auf das Keimspektrum gefährlicher als Hundebisse.
  • Biss-, Kratz- und Stichwunden dürfen nicht durch eine Naht verschlossen werden.
  • Octenidin (Breitband-Antiseptikum) sollte nicht in Wundhöhlen ohne sicheren Sekretabfluss eingesetzt werden, da Nekrosegefahr besteht.
  • Bei Patienten mit schweren internistischen Grunderkrankungen oder Immunsuppression müssen selbst Bagatellverletzungen engmaschig kontrolliert werden.

Chirurgisches Vorgehen

  • Lokale Behandlung kleinerer Wunden: Trockenbehandlung mit Schutzpflastern und Schutzverbänden; natürliche Schorfbildung
  • Eine aufwendigere Behandlung der Wunde ist erforderlich, wenn:
    • die Wundränder weiter auseinander liegen
    • die Verletzung tiefer geht
    • es zu einer starken Blutung kommt
    • tiefer liegende Schichten und Strukturen wie Muskeln, Gefäße, Nerven beschädigt sind
  • Lokale Behandlung nekrotischer Wunden: Debridement (Wundtoilette, d. h. Entfernung von abgestorbenem (nekrotischem) Gewebe), mechanisch oder enzymatisch
  • Ggf. Entfernung eingesprengter Fremdkörper
  • Konservative Feuchtbehandlung bei größeren Wunden, z. B. Schürfwunden, mit synthetischen Wundverbänden (z. B. Folien, Hydrogele, Hydrokolloide)
  • Soweit arterielle Blutungen vorliegen, können diese zunächst provisorisch durch Kompression oder Klemmen gestoppt werden.
  • Die Behandlung ist zudem von der Art der Wunde abhängig:
    • Ablederungswunde: Da die Wundfläche groß ist, können beträchtliche Blutverluste entstehen. Eine chirurgische Versorgung ist erforderlich.
    • Bisswunde: Auch hier ist eine ärztliche Versorgung erforderlich. Die Wunde wird auf Grund der sehr großen Infektionsgefahr (ca. 85 %) gründlich gesäubert, debridiert (s. o.) und desinfiziert. Die Wunde wird im Regelfall nicht verschlossen.
      Beachte:
      • Dringend abzuraten ist eine Wundspülung mit Knopfkanülen oder Infusionskathetern!
        Kleine Bisswunden – insbesondere Bissverletzungen der Hand – werden in ihrer Bedeutung häufig unterschätzt. Hierbei großzügige Indikationsstellung für ein chirurgisches Débridement in Narkose im Operationssaal.
      • Verletzte mit einer Bisswunde an der Hand sollten unverzüglich einem Handchirurgiezentrum vorgestellt werden; Gesichtsbissverletzungen einer plastisch-chirurgischen Einrichtung.
    • Brandwunde: Lokale Kühlung. Im Anschluss erfolgt eine Behandlung mit entsprechenden Salben und Wundauflagen. Je nach Schwere der Verletzung kann eine stationäre Behandlung erforderlich sein. Siehe dazu auch unter "Verbrennungen".
    • Kratzwunde: In der Regel wird die Wunde nicht verschlossen (wegen Infektionsgefahr).
    • Riss-Quetschwunde (Platzwunde): Zur Abklärung von evtl. Begleitverletzungen ist eine ärztliche Versorgung erforderlich. Zur schnellen und narbenarmen Wundheilung muss ein Hautverschluss erfolgen. So wird auch vermieden, dass Keime in die Wunde eindringen.
    • Schnittwunde: Ein Verschluss der Haut sollte erfolgen; zuvor müssen allerdings Verletzungen tieferliegender Strukturen ausgeschlossen werden.
    • Schuss- und Explosionsverletzungen: Blutsstillung! (Beachte: Hämodynamisch relevante Blutungen sind hier die führende Todesursache.). Das Vorgehen muss sich an den DCS-Prinzipien orientieren (DCS: "damage control surgery"):

      • Blutungskontrolle ("stop the bleeding")
      • Kontaminationskontrolle und Lavage
      • Verhinderung weiterer Verletzungen bzw. der Zunahme von Verletzungsfolgen
      • Ischämieprophylaxe (Verhinderung der Minderdurchblutung), Erhalt der Perfusion (Durchblutung) bzw. Reperfusion
    • Schürfwunden: Diese sind meist stark verschmutzt und müssen daher besonders gereinigt und desinfiziert werden. Damit die Wunde bis zur Schorfbildung vor Keimen geschützt ist, werden Wundauflagen angelegt.
    • Stichwunde: Hier ist in jedem Fall eine ärztliche Versorgung erforderlich, um evtl. Begleitverletzungen beurteilen zu können. In der Regel wird die Wunde nicht verschlossen (wegen Infektionsgefahr), so kann das Wundsekret ablaufen.

Beachte: Bei allen Bissverletzungen der Hand mit Knochen und Gelenkbeteiligung ist eine stationäre Aufnahme erforderlich. Das Konsil Handchirurgie wird dabei empfohlen.

Eine operative Therapie wird erforderlich:

  • bei größeren und komplizierteren Wunden
  • wenn eine Wundrandquetschung eine Wundrandausschneidung notwendig macht (z. B. bei Bisswunden)
  • bei Pfählungsverletzungen (sofortige operative Therapie)
  • bei entstellenden oder funktionell einschränkenden Narben (spätere Operation)

Nach der operativen Primärversorgung wird die Wunde durch eine Hautnaht verschlossen.

Überprüfung des Impfschutzes!

Bei keinem oder unzureichendem Tetanus-Impfschutz bzw. im Zweifel: Simultanimpfung, aktiv und passiv (5-12 Stunden nach der Verletzung)

Eine Tollwut-Prophylaxe ist selten erforderlich. Ggf. Rücksprache mit dem Amtstierarzt zur Risikoevaluation.

Fadenzug

Der Fadenzug ("Fäden ziehen") erfolgt in Abhängigkeit von der Lokalisation der Wunde:

  • Kopf oder Hals – zwischen dem 4.-8. Tag (nach der OP)
  • Rumpf zwischen dem 7.-10. Tag
  • Extremitäten nach 10-15 Tagen

Literatur

  1. Fernandez R, Griffiths R (2012) Water for wound cleansing. Cochrane Database Syst Rev. doi: 10.​1002/​14651858.​cd003861.​pub3
     
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