Schädel-Hirn-Trauma – Einleitung

Das Schädel-Hirn-Trauma (SHT) (ICD-10-GM S06.-: Intrakranielle Verletzung) bezeichnet die Verletzungen des Schädels mit Beteiligung des Gehirns. Das Schädel-Hirn-Trauma tritt häufig im Rahmen von Verkehrsunfällen und Stürzen auf.

Formen des Schädel-Hirn-Traumas

Das Schädel-Hirn-Trauma kann nach Schweregrad und Art der Verletzung klassifiziert werden:

  • Grad 1: Commotio cerebri (Gehirnerschütterung) (ICD-10-GM S06.0): Keine dauerhafte Schädigung.
  • Grad 2: Contusio cerebri (Hirnprellung) (ICD-10-GM S06.3-): Umschriebene Hirnverletzung, kann offen oder geschlossen sein.
  • Grad 3: Compressio cerebri (Gehirnquetschung) (ICD-10-GM S06.2-): Diffuse Hirnverletzung, kann offen oder geschlossen sein.

Zusätzlich gibt es Sonderformen:

  • Schädelprellung: Verletzung des Kopfes/Schädels ohne Fraktur oder Funktionseinschränkung des Gehirns.
  • Offenes Schädel-Hirn-Trauma: Eröffnung der Dura mit Kontakt nach außen.
  • Nicht akzidentelles Schädel-Hirn-Trauma (NASHT): Beispiel ist das Schütteltrauma.

Die Beurteilung nach einem Schädel-Hirn-Trauma wird mit der Glasgow Coma Scale durchgeführt (s. u. Klassifikation).

Circa 15 % der Personen mit einem schweren Schädel-Hirn-Trauma weisen begleitende Verletzungen der Wirbelsäule auf.

Bis 30 % der Patienten mit einem SHT haben ein Polytrauma (Kombination mehrerer gleichzeitig entstandener Verletzungen, wobei eine Verletzung oder die Kombination der Verletzungen lebensbedrohend ist).

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Männer sind häufiger betroffen als Frauen (2-3 : 1).

Häufigkeitsgipfel

  • Kindliches Alter (ca. 5 Jahre)
  • Jugendliches Alter (ca. 20 Jahre)
  • Ab dem 70. Lebensjahr

Prävalenz und Inzidenz (Krankheitshäufigkeit und Neuerkrankungen)

  • In Deutschland beträgt die Inzidenz ca. 200-330 pro 100.000 Einwohner pro Jahr.
  • Häufigste Unfallverletzung im Kindesalter mit einer Inzidenz von 581 pro 100.000 Einwohner.
  • Etwa 250.000 Fälle jährlich in Deutschland, davon 91 % leicht, 54 % mittel, und 5 % schwer.

Verlauf und Prognose

Verlauf

  • Die Symptome eines SHT können von leichten Kopfschmerzen bis zu schweren neurologischen Defiziten reichen.
  • Intrakranielle Blutungen (Hirnblutungen) sind eine häufige Komplikation und können bis zu 48 Stunden nach dem Trauma auftreten. Innerhalb der ersten fünf Tage nach einem SHT kann der Hirndruck noch ansteigen.
  • Eine stationäre Einweisung zur weiteren diagnostischen Abklärung und Beobachtung des Patienten ist bei Vorliegen folgender Symptome erforderlich:
    • Koma (Bewusstlosigkeit)
    • Amnesie (Form der Störung des Gedächtnisses für zeitliche oder inhaltliche Erinnerungen)
    • Mehrfaches Erbrechen, wenn ein enger zeitlicher Zusammenhang zur Gewalteinwirkung besteht
    • Zunehmende Bewusstseinsstörung
    • (Fokal) neurologisches Defizit
    • Krampfanfall
    • Verdacht auf Liquorfistel (Verbindung zwischen dem Liquorsystem und der Außenwelt: nasal oder otogen/Liquoraustritt über Nase oder Ohren)
    • Hinweise auf eine Gerinnungsstörung (z. B. Antikoagulantien-Behandlung, nicht sistierende Blutung, Laborbefunde usw.)
    • Klinische Zeichen einer Schädelfraktur (Schädelbruch) oder Nachweis im kranialen CT (Computertomographie des Schädels)
    • Verdacht auf Impressionsfraktur (Eindrückungsknochenbruch) und/oder penetrierende Verletzungen.

Prognose

  • Wer zwei Wochen nach einem schweren Schädel-Hirn-Trauma (SHT) noch im Koma liegt, hat eindeutig eine ungünstige Prognose. Nach einem halben Jahr waren mehr als die Hälfte wieder selbstständig, von denen, welche die ersten Wochen überlebten, waren es sogar fast zwei Drittel. Nach einem Jahr wiederum gaben 20 % mit schwerem sowie ein Drittel mit moderatem SHT keinerlei Einschränkungen mehr an [1].
  • Bei einem schweren SHT ist mit bleibenden Schäden wie z. B. Wesensveränderungen oder Abnahme der Merkfähigkeit zu rechnen. Nur zehn bis 30 Prozent der Überlebenden haben tolerable Einschränkungen. Bei rund 25 Prozent der Patienten führen die gravierenden Verletzungen zu einem Wachkoma – die Großhirnfunktion fällt aus, während Funktionen von Zwischenhirn, Hirnstamm und Rückenmark erhalten bleiben.
  • In Deutschland sterben jährlich 2.750 Menschen an einem SHT. Bis zum frühen Erwachsenenalter sind Schädel-Hirn-Verletzungen die häufigste Ursache von langfristiger Behinderung und Tod. Bei leichten Schädel-Hirn-Traumata ist die Letalität (Sterblichkeit bezogen auf die Gesamtzahl der an der Krankheit Erkrankten) sehr gering. Bei einem schweren SHT beträgt die Letalität ca. 33 %. Bei Kindern beträgt die Letalität insgesamt 0,5 %, bei schwerem SHT allerdings 14 %.
  • Eine stationäre Überwachung ist essenziell, da Komplikationen wie intrakranielle Blutungen und ein Anstieg des Hirndrucks auch verzögert auftreten können.

Beachte: 

  • SHT-Patienten unter Vitamin-K-Antagonisten (VKA) haben eine erhöhte 30-Tages-Mortalität (Sterberate) im Vergleich zu Patienten ohne orale Antikoagulation (Blutverdünner); unter direkten oralen Antikoagulantien (DOAK) und ADP-Inhibitoren (ADPi) scheint das nicht zuzutreffen [3].
  • Ältere Menschen, die mit einem stumpfen Schädel-Hirn-Trauma in die Notaufnahme kommen, verletzen sich häufiger schwer als jüngere, am häufigsten sind subdurale Hämatome und Subarachnoidalblutungen. Die häufigste Ursache waren Stürze auf den Boden beim Gehen oder Stehen [4].

Literatur

  1. McCrea MA et al.: Functional Outcomes Over the First Year After Moderate to Severe Traumatic Brain Injury in the Prospective, Longitudinal TRACK-TBI Study JAMA Neurol. Published online July 6, 2021. doi:10.1001/jamaneurol.2021.2043
  2. Schneider ALC et al.: Cognitive Outcome 1 Year After Mild Traumatic Brain Injury: Results From the TRACK-TBI Study. Neurology 2022; https://doi.org/10.1212/WNL.0000000000200041
  3. Posti JP et al.: Effect of Oral Anticoagulation and Adenosine Diphosphate Inhibitor Therapies on Short-term Outcome of Traumatic Brain Injury. Neurology 2022; https://doi.org/10.1212/WNL.0000000000200834
  4. Mower WR et al.: Blunt Head Injury in the Elderly: Analysis of the NEXUS II Injury Cohort. Ann Emerg Med 2024; https://doi.org/10.1016/j.annemergmed.2024.01.003

Leitlinien

  1. S2k-Leitlinie: Begutachtung nach gedecktem Schädel-Hirntrauma im Erwachsenenalter. (AWMF-Registernummer: 094 - 002), Juli 2018 Langfassung
  2. S2k-Leitlinie: Laterale Mittelgesichtsfrakturen. (AWMF-Registernummer: 007 - 016), dog Februar 2014
  3. S2e-Leitlinie: Schädel-Hirn-Trauma im Erwachsenenalter. (AWMF-Registernummer: 008-001), Dezember 2015 Kurzfassung Langfassung
  4. S2k-Leitlinie: Schädel-Hirn-Trauma im Kindes- und Jugendalter. (AWMF-Registernummer: 024 - 018), Februar 2022 Langfassung
  5. S3-Leitlinie: Polytrauma / Schwerverletzten-Behandlung. (AWMF-Registernummer: 187 - 023), Dezember 2022 Kurzfassung Langfassung