Angststörungen – Medikamentöse Therapie

Therapieziel

  • Verbesserung der Symptomatik (Beschwerden).

Therapieempfehlungen

  • Psychotherapie (Gesprächstherapie) oder Psychopharmakotherapie (Behandlung mit Medikamenten zur Beeinflussung der Psyche) oder eine Kombination aus beiden.
  • Mittel der ersten Wahl: Citalopram, Escitalopram, Paroxetin, Sertralin (Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI)); Duloxetin, Venlafaxin (Selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI)). Wirklatenz: 2-6 Wochen [S3-Leitlinie].
  • Mittel der zweiten Wahl: Clomipramin, Imipramin (Trizyklische Antidepressiva); Buspiron, Hydroxyzin, Pregabalin [S3-Leitlinie].
  • Mittel der dritten Wahl: Opipramol und Buspiron (bei GAS (generalisierte Angststörung)) sowie Moclobemid (bei sozialer Phobie) [S3-Leitlinie].
  • Bei Panikattacken: Alprazolam, Lorazepam, Diazepam (Benzodiazepine); Einsatz nur kurzfristig, d. h. 2-4 Wochen (wg. Gefahr der Abhängigkeit) [S3-Leitlinie].
  • Der Einsatz von Medikamenten sollte grundsätzlich nur kurzfristig erwogen werden.
  • Siehe auch unter „Weitere Therapie“.

Weitere Hinweise

  • Langzeitwirkung: Effekte einer psychotherapeutischen oder medikamentösen Behandlung von Angststörungen halten auch nach 2 Jahren weiter an [3].
  • Antidepressiva-Evidenz: Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) und Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI) sind bei generalisierter Angststörung (GAS) signifikant wirksamer als Placebo [4].
  • Neue Therapieansätze: Eine Einzeldosis Lysergsäurediethylamid (LSD) von 100 µg zeigte bei mittelgradiger bis schwerer GAS ohne zusätzliche Psychotherapie einen signifikanten Anxiolyse-Effekt [5].

Wirkstoffe (Hauptindikation)

Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) – erste Wahl

Wirkstoff Indikationen (Anwendungsgebiete) Besonderheiten / Hinweise
Citalopram Panikstörung Dosisanpassung bei schwerer Nieren- oder Leberinsuffizienz erforderlich
Escitalopram Panikstörung, soziale Phobie, GAS Bei bekannter QT-Intervall-Verlängerung kontraindiziert
Paroxetin Panikstörung, soziale Phobie, GAS Vorsicht bei Leber- oder Niereninsuffizienz
Sertralin Panikstörung, soziale Phobie Vorsicht bei Leberinsuffizienz
  • Wirkweise: Hemmung der Wiederaufnahme von Serotonin (Botenstoff des Nervensystems).
  • Wirklatenz: 2-6 Wochen.
  • Nebenwirkungen: Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoe, Alopecia (Haarausfall), Blutungsneigung, motorische Unruhe, Angst, Agitiertheit, Hyponatriämie (zu niedriger Natriumwert im Blut), Hypotonie (niedriger Blutdruck), Gewichtszunahme, Mundtrockenheit, Müdigkeit, Schlafstörungen, sexuelle Funktionsstörungen, Suizidgedanken, Tremor (Zittern).
  • Cave: Serotonin-Syndrom (Verwirrtheit, Delir, Zittern, Schwitzen, Blutdruckveränderungen, Myoklonus (Muskelzuckungen), Mydriasis (erweiterte Pupillen)).

Selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI) – erste Wahl

Wirkstoff Indikationen (Anwendungsgebiete) Besonderheiten / Hinweise
Duloxetin GAS Kontraindiziert bei Leberinsuffizienz oder schwerer Niereninsuffizienz
Venlafaxin Panikstörung, soziale Phobie, GAS Dosisanpassung bei Nieren- oder Leberinsuffizienz erforderlich
  • Wirkweise: Hemmung der Wiederaufnahme der biogenen Amine (Serotonin und Noradrenalin).
  • Wirklatenz: 2-6 Wochen.
  • Nebenwirkungen: Übelkeit, Erbrechen, Schlafstörungen, Hypotonie, sexuelle Funktionsstörungen.

Monoaminoxidasehemmer (MAO-Hemmer) – dritte Wahl

Wirkstoff Indikation (Anwendungsgebiet) Besonderheiten / Hinweise
Moclobemid Soziale Phobie Mittel der dritten Wahl bei sozialer Phobie
  • Wirkweise: Hemmung des Abbaus der Neurotransmitter (reversibel).
  • Nebenwirkungen: Schlafstörungen, Hypotonie.

Trizyklische Antidepressiva – zweite Wahl

Wirkstoff Indikationen (Anwendungsgebiete) Besonderheiten / Hinweise
Clomipramin Panikstörung Dosisanpassung bei Nieren- oder Leberinsuffizienz erforderlich
  • Wirkweise: Hemmung der Wiederaufnahme von Noradrenalin, Serotonin und Dopamin.
  • Nebenwirkungen: anticholinerg (z. B. Mundtrockenheit, Obstipation), kardiotoxisch (Herzrhythmusstörungen), Hypotonie, Sedierung, Schlafstörungen, Gewichtszunahme, sexuelle Funktionsstörungen, Anstieg der Transaminasen (Leberwerte).

Weitere Wirkstoffe

Wirkstoffgruppe Wirkstoff(e) Indikationen (Anwendungsgebiete) Besonderheiten / Hinweise
Benzodiazepine Diazepam Akute und chronische Spannungs-, Erregungs- und Angstzustände Nur kurzfristig einsetzen
Benzodiazepinähnliche Substanzen Buspiron Angst- und Spannungszustände Mittel der dritten Wahl bei GAS
Anxiolytika Hydroxyzin Angstzustände Cave: QT-Zeit-Verlängerung [2]
Trizyklische Antidepressiva Opipramol GAS Mittel der dritten Wahl bei GAS
Antiepileptika Pregabalin GAS Mittel der zweiten Wahl bei GAS
Atypische Antipsychotika (Neuroleptika) Quetiapin Dosisanpassung bei Leberinsuffizienz erforderlich
  • Cave: QT-Zeit-Verlängerung und Risiko für Torsade-de-pointes-Arrhythmien bei Hydroxyzin [2].
  • Nebenwirkungen: Müdigkeit, Kopfschmerzen, Mundtrockenheit, Schwindel, Sedierung, Übelkeit, Erbrechen.

Hypnotika / Sedativa – bei Panikattacken

Wirkstoff Besonderheiten / Hinweise
Alprazolam Dosisanpassung bei Nieren- oder Leberinsuffizienz erforderlich
Clonazepam Dosisanpassung bei Nieren- oder Leberinsuffizienz erforderlich
Clorazepat Nur bei schweren Angstzuständen
Diazepam Nur kurzfristig anwenden
Lorazepam Bei leichteren Angstattacken
Oxazepam Alternative bei Unverträglichkeit anderer Benzodiazepine
  • Wirkweise: GABA-Agonisten (verstärken die Wirkung des hemmenden Botenstoffs GABA); verstärken inhibitorische Neurotransmission → anxiolytisch (angstlösend), sedativ (beruhigend).
  • Nebenwirkungen: Sedierung (Müdigkeit), verlängerte Reaktionszeit (verlangsamte Reaktionen), Dysarthrie (verwaschene Sprache), Ataxie (Gangunsicherheit), Nystagmus (Augenzittern), Abhängigkeit (Suchtgefahr).
  • Cave: Nur kurzfristiger Einsatz (2-4 Wochen).

Phytotherapeutika

  • Lavendelöl (Silexan): Nach zwei Wochen Therapie mit Lavendelöl (80 mg/Tag) zeigte sich eine signifikante Anxiolyse, nach sechs Wochen entsprach die anxiolytische Wirkung und Verbesserung der Lebensqualität der von Lorazepam (0,5 mg/Tag) [1].

Supplemente (Nahrungsergänzungsmittel; Vitalstoffe)

Geeignete Nahrungsergänzungsmittel für die Gesundheit von Nerven und Psyche sollten die folgenden Vitalstoffe enthalten:

  • Vitamine (A, C, E, D3, B1, B2, Niacin (Vitamin B3), Pantothensäure (Vitamin B5), B6, B12, Folsäure, Biotin)
  • Mineralstoffe (Kalium, Magnesium)
  • Spurenelemente (Molybdän, Selen, Zink)
  • Fettsäuren (Omega-3-Fettsäuren: Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA))
  • Sekundäre Pflanzenstoffe (Beta-Carotin, Grüntee-Polyphenole, Epigallocatechingallate)
  • Weitere Vitalstoffe (Coenzym Q10 (CoQ10), Phosphatidylserin, Fruchtsäuren – Citrat (gebunden in Magnesiumcitrat und Kaliumcitrat))

Bei Vorliegen einer Insomnie (Schlafstörung) infolge einer Angststörung s. u. Insomnie/Medikamentöse Therapie/Supplemente.

Beachte: Die aufgeführten Vitalstoffe sind kein Ersatz für eine medikamentöse Therapie. Nahrungsergänzungsmittel sind dazu bestimmt, die allgemeine Ernährung in der jeweiligen Lebenssituation zu ergänzen.

Für Fragen zum Thema Nahrungsergänzungsmittel stehen wir Ihnen gerne kostenfrei zur Verfügung.

Nehmen Sie bei Fragen dazu bitte per E-Mail – info@docmedicus.de – Kontakt mit uns auf, und teilen Sie uns dabei Ihre Telefonnummer mit und wann wir Sie am besten erreichen können.

Literatur

  1. Woelk H, Schläfke S: A multi-center, double-blind, randomised study of the Lavender oil preparation Silexan in comparison to Lorazepam for generalized anxiety disorder. Phytomedicine . 2010 Feb;17(2):94-9 doi: 10.1016/j.phymed.2009.10.006
  2. Rote-Hand-Brief zu Atarax® und AH 3® N (Hydroxyzin) vom 14.04.2015
  3. Bandelow B, Sagebiel A, Belz M et al.: Enduring effects of psychological treatments for anxiety disorders: meta-analysis of follow-up studies. Brit J Psychiatry 2018;212:333-8
  4. Cochrane Database of Systematic reviews Antidepressants versus placebo for generalised anxiety disorder (GAD) Version published: 30 January 2025 https://doi.org/10.1002/14651858.CD012942.pub2

Leitlinien

  1. S3-Leitlinie: Behandlung von Angststörungen. (AWMF-Registernummer: 051-028), April 2021 Kurzfassung Langfassung