Folgeerkrankungen
Schwangerschaftsdiabetes (Gestationsdiabetes mellitus)

Im Folgenden die wichtigsten Erkrankungen bzw. Komplikationen, die durch Gestationsdiabetes mellitus (Schwangerschaftsdiabetes) mit bedingt sein können:

Angeborene Fehlbildungen, Deformitäten und Chromosomenanomalien (Q00-Q99)

Fehlbildungs-Prävalenzen (Krankheitshäufigkeit) der Kinder betrugen bei Müttern [9]:

  • ohne Diabetes 0,29 %,
  • mit präkonzeptionellem Diabetes 0,79 %,
  • mit GDM 0,38 %

Beispielsweise betrugen die angepassten RRs der zyanotischen angeborenen Herzkrankheit (z. B. Fallot-Tetralogie) 4,61 (95 % CI 4,28-4,96) für Schwangerschaftsdiabetes und 1,50 (95 % CI 1,43-1,58) für GDM; Die angepassten RRs von Hypospadien (Harnröhre mündet auf der Unterseite des Penis) betrugen 1,88 (95 % CI 1,67-2,12) für Schwangerschaftsdiabetes und 1,29 (95 % CI 1,21-1,36) für GDM [9].

Bestimmte Zustände, die ihren Ursprung in der Perinatalperiode haben (P00-P96)

  • Atemstörungen
  • Makrosomie (Neugeborenes mit einem sehr hohen Geburtsgewicht) – Die Makrosomie ist definiert als ein Geburtsgewicht oberhalb der 95. Perzentile (= 4.350 g)
  • Nierenvenenthrombose ‒ Verschluss eines die Niere versorgenden Blutgefäßes
  • Perinatale Mortalität (Anzahl der kindlichen Todesfälle in der Perinatalperiode/Totgeburten und Todesfälle bis zum 7. Tag nach der Geburt) ↑
  • Polyglobulie ‒ Vermehrung der roten Blutkörperchen

Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (E00-E90)

  • Adipositas ‒ das Risiko des Neugeborenen, im späteren Leben an Adipositas zu erkranken, ist erhöht
  • Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) ‒ das Risiko ist bei Mutter und Kind erhöht; insulinpflichtiger Schwangerschaftsdiabetes führt bei 90 Prozent zu Typ-2-Diabetes: Das größte Risiko für Typ-2-Diabetes haben Frauen, die während der Schwangerschaft mit Insulin behandelt werden mussten: Fast zwei Drittel dieser Gruppe von Teilnehmerinnen der prospektiven Gestationsdiabetes-Studie (PINGUIN-Studie; Postpartale Intervention bei Gestationsdiabetikerinnen unter Insulintherapie) entwickelten innerhalb von drei Jahren nach der Entbindung einen Typ-2-Diabetes – innerhalb von 15 Jahren waren es sogar über 90 Prozent. In der prospektiven Gestationsdiabetes-Studie wird die Entwicklung von Typ-2-Diabetes bei Gestationsdiabetikerinnen seit 19 Jahren analysiert.
    Neu ist jedoch die Erkenntnis, dass Stillen auch langfristig einem Typ-2-Diabetes der Mutter vorbeugt. Dies gilt ausschließlich für diejenigen Gestationsdiabetikerinnen, bei denen keine mit Typ-1-Diabetes assoziierten Autoantikörper nachgewiesen werden konnten. Dies traf auf die meisten der 304 Teilnehmerinnen der Studie zu: Nur 32 Teilnehmerinnen hatten diese Autoantikörper gebildet. Bei ihnen konnte kein Einfluss des Stillens auf die Entwicklung eines Diabetes postpartum festgestellt werden [2].
    • Durch Stillen Typ-2-Diabetes um zehn Jahre verzögern: Dabei ist die Länge des Stillens entscheidend: Nur wer länger als drei Monate stillte, hatte ein 15-Jahres-Risiko für Typ-2-Diabetes von 42 Prozent. Noch mehr konnten die Probandinnen ihr Erkrankungsrisiko verringern, wenn sie in diesem Zeitraum ihr Baby ausschließlich mit Muttermilch ernährten (15-Jahres-Risiko von 34,8 Prozent). Durch das Stillen konnten die autoantikörper-negativen Teilnehmerinnen die Entwicklung von Typ-2-Diabetes um durchschnittlich zehn Jahre verzögern [2].
    • Die Frauen, die ihren Gestationsdiabetes während der Schwangerschaft allein mit einer Diät behandeln konnten, erzielten durch das Stillen den größten vorbeugenden Erfolg. Dieser war nicht abhängig vom Body-Mass-Index (BMI) der Teilnehmerinnen. Allerdings stillten die übergewichtigen Frauen ihr Kind im Schnitt früher ab – und zwar im Mittel nach fünf Wochen. Dagegen betrug die durchschnittliche Stilldauer bei der Gesamtheit der Teilnehmerinnen neun Wochen [2].
  • Mediterrane Kost nach der Entbindung führte dazu, dass 40 % seltener an einem Typ-2-Diabetes erkrankten (Hazard Ratio HR 0,60; 95-Prozent-Konfidenzintervall 0,44-0,82) [4]
  • Diabetesrisiko des Kindes von Müttern mit Gestationsdiabetes: Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen) des Diabetes mellitus war bei Kindern von Müttern mit Gestationsdiabetes fast doppelt so hoch wie bei den Kindern stoffwechselgesunder Frauen (4,52/10.000 Personenjahre (PJ) versus 2,4/10.000 PJ) [7].
  • Diabetische Ketoazidose (DKA) – schwerwiegende Stoffwechselentgleisung (Ketoazidose) bei Insulinmangel
  • Hyperbilirubinämie* ‒ erhöhter Blutspiegel des Gallefarbstoffes
  • Hypocalcämie (Calciummangel)*
  • Hypoglykämie* (Unterzuckerung)
  • Hypomagnesiämie* (Magnesiummangel)
  • Metabolisches Syndrom ‒ das Risiko des Neugeborenen, im späteren Leben am metabolischen Syndrom zu erkranken, ist erhöht

*In der Perinatalperiode

Herzkreislaufsystem (I00-I99)

  • Arterielle Hypertonie; das Risiko im späteren Leben an einer Hypertonie zu erkranken, ist erhöht für:
    • Neugeborene
    • Mutter (Incidence Rate Ratio: IRR = 1.85; 95 % CI 1.59-2.16) [8]
      • Mütter, die nach der Entbindung eine gesunde ausgewogene Ernährung (mediterrane Kost) zu sich nahmen, waren um 30 % seltener hyperton (HR 0,70; 0,56-0,88) [5]
  • Koronare Herzkrankheit (KHK, Herzkrankgefäßerkrankung) (IRR = 2.78; 95 % CI 1.37-5.66) [8]

Infektiöse und parasitäre Krankheiten (A00-B99)

  • Candidainfektionen (Pilzinfektionen), nicht näher bezeichnet

Ohren – Warzenfortsatz (H60-H95) 

  • Hyakusis (hier: Hochtonhörverlust) [3]

Psyche – Nervensystem (F00-F99; G00-G99)

  • Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) [1]
  • Postpartale Depression (PPD; Wochenbettdepression; im Gegensatz zu einem kurzzeitig anhaltenden „Baby-Blues“ birgt diese das Risiko für eine dauerhafte Depression) [6]

Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett (O00-O99)

  • Dammriss
  • Frühgeburt
  • Gestationsdiabetes bei einer erneuten Schwangerschaft
  • Präeklampsie ‒ in der Schwangerschaft auftretende Erkrankung, die mit den Symptomen Ödeme (Wassereinlagerungen im Gewebe), Proteinurie (erhöhte Ausscheidung von Eiweiß mit dem Urin) und arterielle Hypertonie (Bluthochdruck) einhergeht
  • Schulterdystokie (Schulterblattfehlbildung/Einstellungsanomalie, die nach der Geburt des Kopfes die vollständige Entwicklung des Kindes erschwert) als Geburtshindernis
  • Schwangerschaftsinduzierte Hypertonie ‒ durch die Schwangerschaft bedingtes Auftreten von Bluthochdruck
  • Schwere postpartale Blutung ‒ Blutung, die nach der Entbindung des Kindes auftritt
  • Später intrauteriner Fruchttod (IUFT)

Urogenitalsystem (Nieren, Harnwege – Geschlechtsorgane) (N00-N99)

  • Harnwegsinfektionen (HWI), nicht näher bezeichnet

Weiteres

  • Das Risiko einer Sectio (Kaiserschnitt) ist erhöht. 
  • Ein erhöhtes Risiko für eine Verkalkung der Koronararterien, selbst dann, wenn sich der Blutzuckerspiegel wieder normalisiert hat [10].

Literatur

  1. Schmitt Jochen, Romanos Marcel: Prenatal and Perinatal Risk Factors for Attention-Deficit/Hyperactivity Disorder. Archives of Pediatrics & Adolescent Medicine, Published online September 10, 2012. doi:10.1001/archpediatrics.2012.1078
  2. Ziegler AG et al. (2012): Long-Term Protective Effect of Lactation on the Development of Type 2 Diabetes in Women With Recent Gestational Diabetes Mellitus, Diabetes DOI: 10.2337/db12-0393
  3. Selcuk A, Terzi H, Turkay U, Kale A, Genc S: Does gestational diabetes result in cochlear damage? J Laryngol Otol. 2014 Nov;128(11):961-5. doi: 10.1017/S0022215114002515.
  4. Tobias DK et al.: Healthful Dietary Patterns and Type 2 Diabetes Mellitus Risk Among Women With a History of Gestational Diabetes Mellitus. Arch Intern Med. 2012;172(20):1566-1572. doi:10.1001/archinternmed.2012.3747.
  5. Li S et al.: Healthful Dietary Patterns and the Risk of Hypertension Among Women With a History of Gestational Diabetes Mellitus: A Prospective Cohort Study. NIH 2016. doi: 10.1161/HYPERTENSIONAHA.115.06747
  6. Azami M et al.: The association between Gestational Diabetes and Postpartum Depression: A Systematic Review and Meta-analysis, Diabetes Res Clin Pract. 2019 Feb 5. pii: S0168-8227(18)31706-6. doi: 10.1016/j.diabres.2019.01.034.
  7. Blotsky AL et al.: Gestational diabetes associated with incident diabetes in childhood and youth: a retrospective cohort study. CMAJ April 15, 2019 191 (15) E410-E417; doi: https://doi.org/10.1503/cmaj.181001
  8. Daly B et al.: Increased risk of ischemic heart disease, hypertension, and type 2 diabetes in women with previous gestational diabetes mellitus, a target group in general practice for preventive interventions: A population-based cohort study PLOS Medicine Published: January 16, 2018 https://doi.org/10.1371/journal.pmed.1002488
  9. Wu Y et al.: Association of Maternal Prepregnancy Diabetes and Gestational Diabetes Mellitus With Congenital Anomalies of the Newborn. Diabetes Care 2020 Oct; dc200261 https://doi.org/10.2337/dc20-0261
  10. Gunderson EO et al.: Gestational Diabetes History and Glucose Tolerance After Pregnancy Associated With Coronary Artery Calcium in Women During Midlife: The CARDIA Study Circulation 1 Feb. 2021 https://doi.org/10.1161/CIRCULATIONAHA.120.047320
     
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