Stressmanagement

Der Begriff Stress bezeichnet zum einen durch Stressoren (spezifische äußere Reize; Belastungen) hervorgerufene psychische und physische (somatische; körperliche) Reaktionen, die zur Bewältigung besonderer Anforderungen befähigen, und zum anderen die dadurch entstehende körperliche und geistige Belastung. Als Stress kann man also jede sinnvolle Reaktion des Körpers auf eine mögliche Gefahr bezeichnen. Es handelt sich dabei um "Flucht-Kampf-Reaktionen". Eine Reaktion, die im Rahmen der Evolution – vor allem in der Jäger- und Sammlerzeit  unabdingbar für das Überleben war.

Alle Stressreaktionen des Körpers lassen sich durch eine solche Flucht-Kampf-Reaktion mühelos erklären. Droht eine Gefahr, so muss sich der Organismus auf eine körperliche Aktivität vorbereiten. Zu diesem Zweck erhöht sich die Herzfrequenz, Blut wird aus den Abdominalorganen (Bauchorgane) in die Muskulatur verlagert, gleichzeitig werden die Wahrnehmungen auf ein Minimum reduziert. Schmerzempfindungen werden gedrosselt, die kognitiven Fähigkeiten werden erheblich eingeschränkt, das Immunsystem bereitet sich auf mögliche Verletzungen vor und so wird der Organismus auf Flucht oder Kampf vorbereitet. Werden die so zur Verfügung gestellten Energien nicht abgebaut, ergeben sich die Symptome von chronischem Stress (Dauerstress) (s. u.). Dieser Mechanismus gilt sowohl für den sogenannten Eustress, also Belastungen, die als angenehm empfunden werden, als auch für den Disstress, Belastungen die als unangenehm empfunden werden. Je höher der Disstress ist, desto mehr ist das Auftreten von Eustress gehemmt, denn Disstress vermindert die serotonergische Neurotransmission [1]. Unter einer serotonergischen Neurotransmission versteht man die Freisetzung des Neurotransmitters (Botenstoff) Serotonin und die Bindung desselben am Rezeptor.

Der Begriff Stress wird häufig missbraucht und missverstanden. Zunächst versteht man unter „Stress“ eine normale und vor allem erforderliche Reaktion unseres Körpers auf an uns gestellte Anforderungen. „Stress“ ist somit ein körperlicher und seelischer Aktivierungs- und Erregungszustand. 
Erst wir selber entscheiden darüber, ob Stress uns „beflügelt“ oder ob er uns krank macht. 

Wäre der Organismus nicht stressempfindlich, würde er auf die äußeren Faktoren auch nicht reagieren und somit sich nicht anpassen können und wäre nicht lebensfähig. Daraus folgt, dass ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den wahrgenommenen Anforderungen und den zur Verfügung stehenden Bewältigungsstrategien (engl. Coping) vorliegt.

Ein zentraler Präventionsfaktor von Dauerstress ist das mentale Abschließen mit einem belastenden Sachverhalt, d. h. ein Ablegen des krankhaften Overthinkings (Überdenken) [2]. Wünschenswert ist, belastende Themen so wenig wie möglich zu überdenken, wenn diese als subjektiv belastend empfunden werden. Wenn dieses als subjektiv belastend empfunden wird, bedeutet dieses, dass der Körper an die Grenze seiner „energetischen Reservekapazität“ getreten ist. Infolgedessen kommt es zu vermehrtem oxidativen Stress.

Negative, d. h.  disstressende Gedanken, sind nur durch als angenehm empfundene, eustressende Gedanken zu kompensieren. Eine zielführende Maßnahme ist dafür eine Psychotherapie, um positive, optimistische Gedankenstrukturen zu entwickeln. Dieses kann bei Erlebnissen wie Traumata (z. B. seelische Verletzung) ein durchaus langwieriger Prozess sein [3].

Symptome bzw. Beschwerden des Stresses:

Psychovegetative Störungen

  • Schnellerer Pulsschlag, erhöhter Blutdruck
  • Veränderungen des Atemmusters: Atemzüge werden schneller und nehmen zudem an Dauer ab – dies kann bis zur „Hyperventilation“ führen
  • Trockener Mund, trockener Hals
  • Feuchte Hände und Füße
  • Hitzegefühl
  • Unruhe, Zuckungen

Organische Störungen (im Regelfall sind dieses bereits Folgeerkrankungen des Dauerstresses

  • Abdominalschmerzen (Bauchschmerzen)
  • Erhöhte Muskelanspannung, im Rücken- und Nackenbereich
  • Magen- und Darmbeschwerden (Dyspepsie/Reiz Magen, gastroösophageale Refluxkrankheit, Sodbrennen, Diarrhoe/Durchfall, Obstipation/Verstopfung)
  • Cephalgie (Kopfschmerzen)
  • Nausea (Übelkeit)
  • Vertigo (Schwindelgefühle)
  • Insomnie (Schlafstörungen)
  • Sexuelle Appetenzstörung (sexuelle Lustlosigkeit)
  • Burnout-Syndrom

Stress führt u. a. zu Cortisol- und Katecholamin-Ausschüttung (biogene Amine Noradrenalin, Dopamin und Adrenalin), diese wiederum kann Ursache zahlreicher Folgeerkrankungen sein.

Folgeerkrankungen des Stresses

Im Folgenden die wichtigsten Erkrankungen, die durch Stress mitbedingt sein können: 

  • Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten – z. B. Adipositas (Übergewicht), Diabetes mellitus Typ 2; Hypercholesterinämie (Fettstoffwechselstörung (Dyslipidämie), die durch einen erhöhten Cholesterinspiegel im Blut gekennzeichnet ist)
  • Herzkreislaufsystem – z. B. Arterielle Hypertonie (Bluthochdruck); Apoplex (Schlaganfall); Koronare Herzerkrankung (KHK; Herzkranzgefäßerkrankung); Myokardinfarkt (Herzinfarkt)
  • Mund, Ösophagus (Speiseröhre), Magen und Darm – z. B. Magen-Darmbeschwerden; Ulcus duodeni (Zwölffingerdarmgeschwür); Ulcus ventriculi (Magengeschwür)
  • Muskel-Skelett-System und Bindegewebe – Osteoporose (Knochenschwund); Rücken- und Nackenschmerzen
  • Ohren – Warzenfortsatz – z. B. Tinnitus (Ohrensausen); Vertigo (Schwindel)
  • Psyche – Nervensystem – z. B. generalisierte Angststörung (GAS), Burnout-Syndrom; Depression [1]; Insomnie (Schlafstörungen), Panikstörungen, Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), Soziophobie, Zwangsstörungen, Cephalgie (Kopfschmerzen), nicht näher bezeichnet; Migräne;
  • Somatoforme Störungen – insbesondere funktionelle Schmerzsyndrome, vor allem Cephalgie (Kopfschmerzen) 
  • Urogenitalsystem (Nieren, Harnwege – Geschlechtsorgane) – Zyklusstörungen der Frau; Sterilität, Erektionsstörungen (erektile Dysfunktion, ED), Orgasmusstörungen, Impotenz
  • Weiteres – Beschleunigter Alterungsprozess von Immunzellen; eingeschränkte Leistungsfähigkeit; ungünstiger Verlauf chronischer Erkrankung, v.a. von Tumorerkrankungen            

Stressmanagement bzw. Stressbewältigung

Der Mensch verfügt über unterschiedliche Pufferzonen, die sogenannten individuellen Ressourcen, mit denen er sich den täglichen Belastungen stellt. Diese Ressourcen können ein hohes Selbstwertgefühl, zwischenmenschliche Einfühlungsgaben bzw. guter Trainingszustand sein.
Seelische, zwischenmenschliche und körperliche Aspekte stehen in gegenseitiger Beziehung. So kann großer Stress im Arbeitsleben ohne negative Auswirkungen bleiben, wenn beispielsweise ein starkes familiäres Umfeld besteht. Ein stabiles familiäres Umfeld bzw. ein Freundeskreis, aus dem Wohlfühlen erwächst, ist ein maßgeblicher Präventionsfaktor für chronischen Disstress.
Auch individuelle Charaktereigenschaften beeinflussen Stress: Der eine nimmt sich alles zu Herzen und der andere macht aus allem das Beste.

Die Fähigkeit des Menschen, sich nach tiefen Krisen, eigenständig zu erneuern, im Sinne von Selbstregulation, wird mit dem Begriff Resilienz beschrieben. Je höher die Resilienz, desto stärker die Fähigkeit des Abschließens mit einer psychischen Belastung und desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, nach vorne zu schauen und Lösungen zu finden, Die Resilienzfähigkeit ist eine individuelle Eigenschaft. Sie unterliegt genetischen sowie epigenetischen Faktoren [4], die in der Mehrzahl in der frühkindlichen Phase ihren Ursprung haben.

Zur Stressbewältigung (Coping) gehören kognitive und das Verhalten betreffende Strategien (Ressourcen), wie mit dem Stress (Stressor) umgegangen wird. Ein breites Repertoire an Copingstrategien kann dabei eingesetzt werden:

  • Instrumentelles Coping: dieses zielt primär auf Veränderung der Situation. Dabei kann das Einholen von Informationen helfen oder auch die soziale Unterstützung von Familie, Freunde etc.
  • Emotionales Coping: Veränderung von Gefühlen und Gedanken, um die Realität anzunehmen (z. B. sich kognitiv umstrukturieren und ablenken, Beten etc.)
  • Regeneratives Coping: z. B. Entspannungstraining
  • Destruktives Coping (meiden): Drogen- und Alkoholmissbrauch; problematisches Essverhalten

Im Mittelpunkt des Stressmanagements bzw. der Stressbewältigung stehen:

  • Emotionale Intelligenz
    Die Emotionale Intelligenz entscheidet darüber, wie Stress empfunden bzw. bewältigt wird. Sie beschreibt die Art und Weise, wie man intuitiv mit anderen Menschen und kritischen Situationen umgeht. Der Umgang mit Menschen unterscheidet sich je nach Ausprägung der Gehirnhälften. Je vorherrschender die linke Gehirnhälfte ist (= analytisches Denken), desto sachlicher und je vorherrschender die rechte Gehirnhälfte ist (= vernetztes Denken und Emotionen), desto gefühlsbetonter.
  • Soziale Unterstützung
    Ohne Menschen, mit denen man reden kann, ohne Unterstützung durch Partner, Familie oder Freunde fehlt eine wichtige Hilfe im Umgang mit Stress und belastenden Lebenssituationen. Sie geben Kraft. Viele kritische Ereignisse und Belastungen verlieren ihren Schrecken, solange Sie Menschen haben, denen Sie etwas bedeuten und mit denen Sie sich austauschen können und die Ihnen Hilfe anbieten. 
    Hinweis: Solange man in einer guten psychischen Verfassung ist, kann ein gesunder positiver Eigendialog ein passendes Komplementärstück zum sozialen Umfeld bei der Stressbewältigung sein [5].
  • Positive Copingstrategie bzw. Coping
    Copingstrategien bzw. Coping (engl.: to cope with, „bewältigen, überwinden“) bezeichnet die Art des Umgangs mit einem als bedeutsam und schwierig empfundenen Lebensereignis (hier: Stress) oder einer Lebensphase. [hier: Fähigkeit, mit kritischen Situationen oder Belastungen konstruktiv umzugehen = krankheitsmindernd]. Anders als die emotionale Intelligenz sind konstruktive Copingstrategien erlernbar.

Man unterscheidet zwischen:

  • Positiven Copingstrategien – Fähigkeit, mit kritischen Situationen oder Belastungen konstruktiv umzugehen = krankheitsmindernd
  • Negativen Copingstrategien – belastungsverstärkende Einstellungen wie Selbstvorwürfe, Abkapselung von Mitmenschen = krankheitsfördernd       

Stressmanagement

Zahlreiche Wege führen zur Stressbewältigung. Hierunter versteht man alle Maßnahmen, die die seelische Gesundheit erhalten, wie Freunde treffen, Sport treiben, Lachen, Lernen und Gelassenheit. 

Nachfolgend die tragenden Säulen des Stressmanagements:

  • Zeitmanagement
  • Gesunde Ernährung
  • Sport und Bewegung
  • Psychohygiene
  • Soziale Kontakte
  • Regelmäßige Ruhe- und Schlafphasen – ggf. Meditation
  • Erlernen eines neuen Wissensbereiches (z. B. Sprache), wenn dieser mit Freude und Motivation verknüpft ist.

Literatur

  1. Tafet G et al.: The Links Between Stress and Depression: Psychoneuroendocrinological, Genetic, and Environmental Interactions. J Neuropsychiatry Clin Neurosci . Spring 2016;28(2):77-88. doi: 10.1176/appi.neuropsych.15030053. Epub 2015 Nov 9.
  2. Kaiser B et al.: “Thinking too much”: A Systematic review of a common idiom of distress. Soc Sci Med. Author manuscript; available in PMC 2016 Dec 1. Published in final edited form as: Soc Sci Med. 2015 Dec; 147: 170-183. Published online 2015 Oct 21. doi: 10.1016/j.socscimed.2015.10.044
  3. Eagleson C et al.: The power of positive thinking: Pathological worry is reduced by thought replacement in Generalized Anxiety Disorder. Behav Res Ther. 2016 Mar; 78: 13-18. doi: 10.1016/j.brat.2015.12.017
  4. Feder A et al.: Psychobiology and molecular genetics of resilience. Nat Rev Neurosci. Author manuscript; available in PMC 2010 Mar 5. Published in final edited form as: Nat Rev Neurosci. 2009 Jun; 10(6): 446-457. doi: 10.1038/nrn2649
  5. Allen A et al.: Self-Compassion, Stress, and Coping. Soc Personal Psychol Compass. Author manuscript; available in PMC 2010 Aug 3. Published in final edited form as: Soc Personal Psychol Compass. 2010 Feb 1; 4(2): 107-118. doi: 10.1111/j.1751-9004.2009.00246.x