Pseudoallergie – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Mit dem Begriff Pseudoallergie werden Unverträglichkeitssymptome beschrieben, die ähnlich denen einer Allergie sind. Im Gegensatz zur echten Allergie handelt es sich jedoch um nicht-immunologische Reaktionen, das heißt, es liegt keine Überempfindlichkeitsreaktion des Immunsystems gegenüber dem körperfremden Stoff vor.

Pseudoallergische Reaktionen beruhen auf einer Disposition der erkrankten Person, also auf einer angeborenen oder erworbenen Fehlleistung der Abwehrmechanismen oder der Zielzellen beziehungsweise Zielorgane. Umweltfaktoren, einschließlich Virusinfektionen, können eine wesentliche Rolle bei der Exposition des genetischen Effekts spielen.

Die allergieähnlichen Symptome werden durch die vermehrte Ausschüttung von Mediatoren, wie Histamin, aus den Mastzellen ausgelöst. Diese Freisetzung erfolgt unspezifisch und ohne die Beteiligung von Antikörpern, die normalerweise bei allergischen Reaktionen vom Soforttyp beteiligt sind. Ein weiterer wichtiger Mechanismus ist die Histaminintoleranz, bei der Histamin aufgrund eines Enzymmangels (insbesondere Diaminoxidase, DAO) nicht ausreichend abgebaut werden kann.

Mechanismen der Histaminfreisetzung und -wirkung

  • Mastzellaktivierung: Die Mastzellaktivierung erfolgt unspezifisch durch verschiedene Trigger wie biogene Amine, bestimmte Lebensmittelzusatzstoffe und Medikamente. Dabei werden Histamin und andere Mediatoren freigesetzt, die die typischen Symptome einer Pseudoallergie verursachen.
  • Histaminabbau: Der extrazelluläre Abbau von Histamin erfolgt hauptsächlich durch das Enzym Diaminoxidase (DAO). Der intrazelluläre Abbau wird durch die Histamin-N-Methyltransferase katalysiert. Ein Mangel an diesen Enzymen führt zu einer erhöhten Histaminverfügbarkeit und somit zu verstärkten pseudoallergischen Reaktionen.

Relevante Auslöser

Zur Gruppe der Pseudoallergien gehören Intoleranzen auf biogene Amine, Lebensmittelzusatzstoffe sowie pharmakologische Intoleranzen (Arzneimittel) (s. u. Ätiologie).

Hinweis

Für den extrazellulären Abbau von Histamin ist die Diaminoxidase (DAO) erforderlich, und für den intrazellulären Abbau die Histamin-N-Methyltransferase. Ein Mangel oder eine Funktionsstörung dieser Enzyme kann zu einer Erhöhung der Histaminspiegel im Körper und damit zu verstärkten pseudoallergischen Symptomen führen.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Genetische Belastung – s. u. Pathogenese

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ernährung
    • Nahrungsmittel mit einem hohen Gehalt an vaso- oder psychoaktiven biogenen Aminen (natürlicherweise in Lebensmitteln vorkommende Aroma- und Geschmacksstoffe, wie Tyramin, Serotonin, Histamin, Synephrin, Feruloylputrescin, Putrescin, Cadaverin, Spermidin, Spermin)
    • Nahrungsmittel, die zu einer verstärkten Histaminfreisetzung führen wie Erdbeeren, Schokolade, Zitrusfrüchte, Tomaten
    • Lebensmittelzusatzstoffe beziehungsweise natürlicherweise in Lebensmitteln vorkommende Lebensmittelinhaltsstoffe, wie:
      • Antioxidantien: z. B. Butylhydroxyanisol (BHA)/E320, Butylhydroxytoluol (BHT)/E321, Gallate/E310 - E312
      • Aromastoffe
      • Farb- beziehungsweise Azofarbstoffe: z. B. Amaranth/E123, Chinolingelb/E104, Cochenille-Rot, Erythrosin/E 127, Gelborange S/E127, Indigotin (Indigkarmin)/E132, Curcumin/E100, Patentblau/E131, Tartrazin/E102 etc.; siehe unter Lebensmittelzusatzstoffe/Farbstoffe
      • Geliermittel: z. B. Mannit/E421, Sorbit/E420/
      • Geschmacksverstärker: Glutaminsäure und ihre Salze (Glutamate)/E620-625
      • Konservierungsmittel: Benzoate – p-Hydroxybenzoesäure: Benzoesäure und deren Salze/E210; Metasulfite, Nitrite und Nitrate/E49 - E252, PHB-Ester/E214 - E219, Propionsäure, Schwefeldioxid und Sulfite/E 221 - E227, Sorbinsäure und deren Salze/E200
      • Säureregulatoren: z. B. Tartrate/E337
      • Stabilisatoren bzw. Geliermittel: z. B. Sorbit/E420/, Mannit/E421
      • Salicylate (Salicylsäure)
    • Pestizidrückstände

Medikamentengruppen*

  • Anästhetika (intravenöse)
  • Analgetika
    • Acetylsalicylsäure (ASS)
    • β-Lactam-Antibiotika
    • Nicht-saure Analgetika (Ketoprofen, Metamizol, Paracetamol)
    • Nichtsteroidale Antirheumatika (Diclofenac, Flurbiprofen, Ibuprofen, Meclofenaminsäure, Mefenaminsäure, Naproxen)
  • Antiadiposita (Orlistat)
  • Antibiotika
    • Aminoglykoside (Gentamycin (Gentamicin), Gentamycin-AT, Streptomycin, Tobramycin)
    • Cephalosporine (Cefoxitin, Ceftazidim, Ceftriaxon, Cefuroxim)
    • Chinolone/Fluorchinolone/Gyrasehemmer (Ciprofloxacin, Moxifloxacin, Nalidixinsäure, Norfloxacin, Lomefloxacin, Levofloxacin, Ofloxacin)
    • Dapson
    • Glykopeptidantibiotika (Teicoplanin, Vancomycin)
  • Antiepileptika (Carbamazepin, Gabapentin, Pregabalin)
  • Antiglutamaterge Medikamente (Memantin)
  • Antikonvulsiva (Carbamazepin, Oxcarbamazepin)
  • Antimalaria-Mittel (Atovaquon, Chinin, Hydrochinin, Pyrimethazin)
  • Antiparkinsonmedikament (Amantadin)
  • Antituberkulostatika (Rifampicin)
  • Betablocker
    • Lokale Betablocker (Betaxolol, Timolol)
  • Dipeptidyl-Peptidase 4-Inhibitoren (DPP-4-Inhibitoren; Gliptine)  – Saxagliptin
  • Hämorrhoidalmittel (Policresulen)
  • Hormone
    • Antiandrogene (Cyproteronacetat)
    • Prostaglandinderivate (lokal) – Bimatoprost, Latanoprost, Travoprost, Unoprostone
    • 5-α-Reduktase-Hemmer (Dutasterid, Finasterid)
  • Immunsuppressiva (Azathioprin
  • Kolloidale Plasmaersatzmittel
  • Lokalanästhetika
  • Muskelrelaxantien/Antispatika (Tolperison)
  • Röntgenkontrastmittel
  • Sedativa (Clomethiazol)
  • Sympathomimetika
    • α-Sympathomimetika (Oxymetazolin, Xylometazolin)

Medikamente, die Hemmer der DAO (Diaminoxidase) sind:

  • Antibiotika
    • Aminoglykoside (Framycetin, Neomycin, Paromomycin)
    • Clavulansäure
    • Isoniazid
  • Antiarrhythmika
    • Calciumantagonisten (Verapamil)
  • Antidepressiva
    • Trizyklische Antidepressiva (Amitriptylin)
  • Antiemetika (Metoclopramid)
  • Antimalariamittel (Chloroquin)
  • Antiprotozoika (Pentamidin)
  • Antipsychotika (Neuroleptika) – Promethazin
  • Bronchospasmolytika (Aminophyllin)
  • Expektorantien (Ambroxol, N-Acetylcystein)
  • Neuroleptika (Promethazin)
  • Parasympatholytika (Pirenzepin)
  • Plasmaexpander (Gelatine) 
  • Vasodilatatoren (Dihydralazin)

Nachfolgend aufgeführte nicht-steroidale Analgetika bzw. Antiphlogistika können bei Personen mit allergischer Disposition zusätzlich zu einer Histamin-Ausschüttung führen, sodass es zu einer verstärkten Histaminwirkung kommen kann:  

  • Acetylsalicylsäure 
  • Diclofenac
  • Indometacin
  • Flurbiprofen 
  • Ketoprofen
  • Meclofenaminsäure
  • Mefenaminsäure
  • Naproxen

Cave!
Alkohol mindert die Enzymaktivität der DAO (Diaminoxidase) und verstärkt die Resorption von Histamin!
Dieses führt gleichzeitig zu einer nicht IgE-vermittelten Freisetzung von Histamin aus den Mastzellen und basophilen Granulozyten.

*Patienten mit Pseudoallergien reagieren häufig zudem auf Farbstoffen in Lebensmitteln und Medikamenten: Azofarbstoff Tartrazin (E 102) und Gelborange S (E 110) wird häufig verschiedenen Arzneimitteln, auch Antiallergika, beigefügt
Weitere Farbstoffe in Arzneimittel mit Allergierisiko sind:
Chinolingelb (E 104), Echtgelb (E 105) und Ponceau 4R (E 124)!

Unter "Lebensmittelzusatzstoffe" finden Sie eine Datenbank mit allen Stoffgruppen: Lebensmittelzusatzstoffe mit allergischen und/oder pseudoallergischen Potenzial sind dort entsprechend  gekennzeichnet.