Stoffwechselfaktoren beim Abnehmen – warum Menschen unterschiedlich schnell Gewicht verlieren

Warum verlieren manche Menschen bereits bei kleinen Ernährungsanpassungen rasch an Gewicht, während andere trotz Disziplin und Bewegung kaum Fortschritte sehen? Diese Unterschiede lassen sich nicht allein durch Willenskraft erklären. Entscheidend ist der individuelle Stoffwechsel (Metabolismus), der genetisch, hormonell und lebensstilbedingt geprägt ist und bestimmt, wie effizient Energie verbraucht, gespeichert oder mobilisiert wird.

Grundumsatz und Energieverbrauch: zentrale Stellgrößen beim Abnehmen

Der Grundumsatz beschreibt die Energiemenge, die der Körper in Ruhe für lebenswichtige Funktionen wie Atmung, Herzarbeit und Zellstoffwechsel benötigt. Er macht etwa 60-70 % des gesamten täglichen Energieverbrauchs aus und variiert deutlich zwischen Individuen.

Wesentliche Einflussfaktoren sind:

  • Geschlecht: Männer haben im Durchschnitt einen höheren Muskelanteil und damit einen höheren Grundumsatz.
  • Alter: Mit zunehmendem Alter sinkt der Grundumsatz, unter anderem durch Muskelabbau.
  • Körperzusammensetzung: Muskelgewebe ist metabolisch aktiver als Fettgewebe und erhöht den Energieverbrauch auch in Ruhe.

Personen mit höherem Grundumsatz reagieren bei gleichem Kaloriendefizit häufig mit einer schnelleren Gewichtsabnahme.

Genetik und Stoffwechselrate: individuelle Unterschiede von Geburt an

Genetische Faktoren beeinflussen zentrale Prozesse des Energiestoffwechsels, darunter Appetitregulation, Fettverbrennung (Lipolyse: Abbau von Fettgewebe) und Energieeffizienz. Varianten in Genen wie FTO (Fat Mass and Obesity associated gene; Gen, das mit Fettmasse und Übergewicht in Verbindung steht) oder MC4R (Melanocortin-4-Rezeptor-Gen; wichtiges Gen der zentralen Appetit- und Energieverbrauchsregulation im Gehirn) stehen in Zusammenhang mit:

  • veränderter Hunger- und Sättigungsregulation
  • unterschiedlicher Neigung zur Fettspeicherung
  • variabler Anpassung an Kaloriendefizite

Diese genetischen Unterschiede erklären, warum identische Diät- und Bewegungsstrategien bei verschiedenen Menschen sehr unterschiedliche Effekte zeigen können.

Hormone und Gewichtsabnahme: komplexe Stoffwechselsteuerung

Hormone sind zentrale Regulatoren des Körpergewichts. Insulin steuert den Glukose- und Fettstoffwechsel, während Leptin (Sättigungshormon) und Ghrelin (Hungerhormon) das Essverhalten beeinflussen. Bei Übergewicht kommt es häufig zu einer Leptinresistenz, bei der das Sättigungssignal abgeschwächt ist.

Auch die Schilddrüse spielt eine Schlüsselrolle:

  • Bei einer Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion) ist der Energieumsatz reduziert.
  • Selbst milde Funktionsstörungen können die Gewichtsabnahme messbar verlangsamen.

Hormonelle Unterschiede tragen somit wesentlich dazu bei, wie effizient ein Kaloriendefizit in Gewichtsverlust umgesetzt wird.

Adaptiver Stoffwechsel: Warum Diäten oft stagnieren

Ein wichtiger, oft unterschätzter Faktor ist die adaptive Thermogenese. Bei länger anhaltendem Kaloriendefizit senkt der Körper seinen Energieverbrauch, um Energiereserven zu schützen. Dies äußert sich unter anderem durch:

  • Absenkung des Grundumsatzes
  • reduzierte spontane Alltagsbewegung
  • gesteigerte metabolische Effizienz

Besonders stark ausgeprägt ist dieser Effekt bei sehr restriktiven Diäten. Er erklärt, warum Gewichtsabnahmen häufig stagnieren, obwohl die Energiezufuhr weiterhin niedrig bleibt.

Schlaf, Stress und Bewegung: Unterschätzte Stoffwechselfaktoren

Lebensstilfaktoren beeinflussen den Stoffwechsel über neuroendokrine Mechanismen. Chronischer Schlafmangel und Stress erhöhen den Cortisolspiegel (Stresshormon), was die Fettspeicherung – insbesondere im abdominalen Bereich – begünstigt.

Regelmäßige körperliche Aktivität wirkt dem entgegen, indem sie:

  • den Energieverbrauch erhöht
  • die Insulinsensitivität verbessert
  • den Erhalt und Aufbau von Muskelmasse unterstützt

Insbesondere Krafttraining trägt langfristig zur Stabilisierung des Grundumsatzes bei und verbessert die metabolische Flexibilität.

Fazit

Die Geschwindigkeit der Gewichtsabnahme wird von zahlreichen Stoffwechselfaktoren bestimmt. Genetik, Hormonstatus, Körperzusammensetzung und Lebensstil beeinflussen gemeinsam, wie der Körper auf ein Kaloriendefizit reagiert. Nachhaltige Erfolge beim Abnehmen erfordern daher ein individuell angepasstes, langfristig orientiertes Vorgehen, das diese Unterschiede berücksichtigt.

Literatur

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