Sexuelle Identitäten und Verhaltensweisen: Medizinischer Überblick zu Paraphilien und Spektren sexueller Orientierung
Sexuelle Identität und sexuelles Verhalten sind komplexe, individuell ausgeprägte Aspekte der menschlichen Persönlichkeit. Neben der heterosexuellen Norm existiert ein breites Spektrum an sexuellen Orientierungen und Ausprägungen, die sich in der Anziehung, im Verhalten oder der emotionalen Bindungsfähigkeit äußern. Auch Paraphilien – also sexuelle Interessen außerhalb gesellschaftlicher Konventionen – gehören in diesen Rahmen.
Dieser Artikel gibt einen strukturierten Überblick über relevante sexuelle Orientierungen und Verhaltensmuster – von Asexualität bis Sapiosexualität, von Transsexualität bis zu Paraphilien – und beleuchtet ihre medizinische Einordnung, Begriffsdefinition und Bedeutung für die Sexualmedizin.
Sexuelle Orientierungen
- Abrosexualität
Sexuelle Orientierung, die sich im Zeitverlauf verändert – mit Phasen intensiver Anziehung und Phasen der Abwesenheit jeglichen Interesses - Asexualität
Andauerndes oder dauerhaftes Fehlen sexuellen Verlangens oder sexueller Anziehung – ohne zwangsläufige Einschränkung emotionaler Bindungsfähigkeit - Bisexualität
Sexuelle Anziehung zu mehr als einem Geschlecht – meist gegenüber Männern und Frauen - Demisexualität
Sexuelle Anziehung entsteht nur nach Aufbau einer tiefen emotionalen Bindung - Fraysexualität
Umgekehrte Form der Demisexualität – sexuelle Anziehung lässt mit wachsender emotionaler Nähe nach - Grau-Sexualität
Zwischen Asexualität und häufiger Anziehung: seltenes, oft situationsabhängiges sexuelles Interesse - Pansexualität
Sexuelle Anziehung unabhängig von Geschlecht oder Geschlechtsidentität – offen gegenüber allen Identitätsformen
Geschlechtsspezifische Anziehungsformen
- Androsexualität
Primäre Anziehung zu männlich gelesenen oder maskulinen Personen – unabhängig vom eigenen Geschlecht - Gynosexualität
Primäre Anziehung zu weiblich gelesenen oder femininen Personen – unabhängig vom eigenen Geschlecht - Homosexualität
Sexuelle Anziehung zu Personen des eigenen Geschlechts – gleichgeschlechtliche Orientierung - Sapiosexualität
Sexuelle Anziehung zu Menschen auf Basis ihrer intellektuellen Fähigkeiten und kognitiven Ausstrahlung - Skoliosexualität (auch: Ceterosexualität, Embysexualität)
Sexuelle Anziehung zu nicht-binären oder geschlechtsnonkonformen Personen
Geschlechtsidentität
-
Transsexualität
Personen, die sich nicht mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht identifizieren und häufig den Wunsch nach Angleichung des körperlichen Geschlechts durch Hormone oder operative Maßnahmen äußern
Sexuelle Verhaltensweisen und Paraphilien
-
Paraphilien und sexuelle Verhaltensweisen
Sammelbegriff für ungewöhnliche sexuelle Vorlieben, bei denen die Erregung an Objekte, bestimmte Handlungen oder nicht-typische Partnerkategorien gebunden ist. Medizinisch relevant wird eine Paraphilie erst, wenn sie mit Leidensdruck, sozialer Beeinträchtigung oder Gefährdung Dritter einhergeht. Beispiele sind Fetischismus, Voyeurismus, Exhibitionismus oder Sadomasochismus.
Sexuelle Identitäten und Verhaltensweisen sind Ausdruck menschlicher Vielfalt. Die Aufgabe der Sexualmedizin ist es, über diese Varianten sachlich, evidenzbasiert und wertfrei zu informieren. Nicht alle Abweichungen von der Norm sind pathologisch – entscheidend sind das subjektive Wohlbefinden, die Freiwilligkeit und das Fehlen von Leidensdruck oder Zwang. Durch Aufklärung und Akzeptanz kann ein differenzierter und respektvoller Umgang mit sexueller Vielfalt gefördert werden – im Sinne ganzheitlicher sexueller Gesundheit.