Vermehrte Harnausscheidung (Polyurie) – Differentialdiagnosen

Blut, blutbildende Organe – Immunsystem (D50-D90)

  • Sichelzellenanämie (med.: Drepanozytose; auch Sichelzellanämie, engl.: sickle cell anemia) – genetische Erkrankung mit autosomal-rezessivem Erbgang, die die Erythrozyten (rote Blutkörperchen) betrifft; sie gehört zur Gruppe der Hämoglobinopathien (Störungen des Hämoglobins; Bildung eines irregulären Hämoglobins, dem sogenannten Sichelzellhämoglobin, HbS)

Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (E00-E90)

  • Bartter-Syndrom – sehr seltene genetische Stoffwechselerkrankung mit autosomal-dominantem oder autosomal-rezessivem oder X-chromosomal-rezessivem Erbgang; Defekt tubulärer Transportproteine; Hyperaldosteronismus (Krankheitszustände, die mit einer erhöhten Ausschüttung von Aldosteron einhergehen), Hypokaliämie (Kaliummangel) und Hypotonie (niedriger Blutdruck) 
  • Conn-Syndrom (primärer Hyperaldosteronismus, PH) – Krankheit, die mit einer erhöhten Ausschüttung von Aldosteron einhergeht
  • Diabetes insipidus (angeborene oder erworbene Krankheit, die durch eine vermehrte Urinausscheidung (Polyurie) und ein gesteigertes Durstgefühl mit Polydipsie (vermehrtem Trinken) charakterisiert ist):
    • Diabetes insipidus centralis – bedingt durch einen Mangel an dem antidiuretischen Hormon (ADH) wg. Ausfall der ADH-Produktion (partiell (teilweise) oder total; permanent oder transient (vorübergehend); wg. z. B. hypothalamohypophysärer Tumor, Schädel-Hirn-Trauma (SHT) etc.)
    • Diabetes insipidus renalis (Synonym: nephrogener Diabetes insipidus; ICD-10 N25.1: Renaler Diabetes insipidus) – bedingt durch fehlendes oder ungenügendes Ansprechen der Nieren auf ADH (ADH-Konzentration ist normal bzw. sogar erhöht) → nächtliche Polyurie
  • Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit), schlecht eingestellt → auch zudem nächtliche Polyurie
  • Diabetisches Koma
  • Fanconi-Syndrom (Synonyme: Gluko-Amino-Phosphat-Diabetes, De-Toni-Debré-Fanconi-Syndrom, Reno-Tubuläres Syndrom (Fanconi)
    • genetisch bedingt (hereditäres De-Toni-Debré-Fanconi-Syndrom; autosomal-rezessiver Erbgang) – Nierenfunktionsstörung (proximaler Tubulus) mit Ausscheidung von Glucose, Aminosäuren, Kalium, Phosphat und Protein im Urin; Hypercalcämie mit dem Risiko einer Nephrocalcinose und einer metabolischen Azidose (stoffwechselbedingte Übersäuerung)
    • infolge sekundärer Genese erworben (z. B. Stoffwechselerkrankungen; nephrotoxische Substanzen)
  • Hypercalcämie (Calciumüberschuss) – z. B. wg. maligner Neoplasien/bösartige Neubildungen (z. B. multiple Knochenmetastasen bei Mammakarzinom/Brustkrebs, Plasmozytom etc.), Hyperparathyreoidismus (Nebenschilddrüsenüberfunktion)
  • Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion)
  • Hypoglykämie (Überzuckerung)
  • Morbus Basedow – Autoimmunerkrankung; es handelt sich dabei um eine durch stimulierende Autoantikörper gegen den TSH-Rezeptor (TRAK) induzierte Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion) (wg. erhöhter Organdurchblutung: GFR ↑)
  • Morbus Cushing – Gruppe von Erkrankungen, die zum Hyperkortisolismus (Hypercortisolismus; Überangebot von Cortisol) führen

Herzkreislaufsystem (I00-I99)

  • Herzinsuffizienz  nächtliche Polyurie
  • Supraventrikuläre Tachykardie (SVT) – Tachykardie (Herzrasen), bei der es bis zu Herzfrequenzen von 150-220 Schlägen/Minute kommt; Ursprung der Erregung liegt im Bereich des Herzvorhofs (Atrium cordis) am Sinusknoten, Atrioventrikular-Knoten oder am His-Bündel

Mund, Ösophagus (Speiseröhre), Magen und Darm (K00-K67; K90-K93)

  • Diarrhoe (Durchfall), chronische

Neubildungen – Tumorerkrankungen (C00-D48)

  • ACTH-sezernierendes Bronchialkarzinom (Lungenkrebs)

Psyche – Nervensystem (F00-F99; G00-G99)

  • Primäre Polydipsie ‒ gesteigerter Flüssigkeitskonsum ohne Grunderkrankung
  • Psychogene Polydipsie (zwanghaftes Wassertrinken)

Symptome und abnorme klinische und Laborbefunde, die anderenorts nicht klassifiziert sind (R00-R99)

  • Osmotische Polyurie (z. B. wg. Elektrolyte, Glucose oder Harnstoff)

Urogenitalsystem (Nieren, Harnwege – Geschlechtsorgane) (N00-N99)

  • Erholungsphase nach einer tubulointerstitiellen Erkrankung (akute Tubulusnekrose)
  • Hydronephrose (Harnstauungsniere)
  • Niereninsuffizienz (chronisches Nierenversagen), chronische
  • Osmotische Diurese ‒ häufig durch folgende Substanzen ausgelöst: Glucose, Mannitol, Harnstoff
  • Polyurische Phase des akuten Nierenversagens (ANV)
  • Pyelonephritis (Nierenbeckenentzündung), chronische
  • Zystische Nierenkrankheit

Medikamente

  • Antibiotika
    • Gentamycin
    • Tetracyclin
  • Amphotericin B (Antimykotikum)
  • Anticholinergika (Polydipsie!/wg. vermehrten Trinkens) – Wirkstoffgruppe, die die Wirkung des Transmitters Acetylcholin hemmt
  • Antidepressiva (MAO-Hemmer; SSRI = Selective Serotonin Reuptake Inhibitor) – Nykturie durch zentralnervöse Effekte
  • Antiepileptika – Nykturie durch zentralnervöse Effekte
  • Antihypertensiva
  • Bronchodilatatoren
  • Calciumantagonisten (Calciumkanalblocker; Wirkstoffgruppe, die bei Bluthochdruck eingesetzt wird) ‒ führt zur Polyurie
  • Chlorpromazin (Polydipsie!) – Wirkstoff aus der Gruppe der Neuroleptika
  • Diuretika (Arzneimittel zur Ausschwemmung von Wasser) – insbesondere bei abendlicher Einnahme
  • Dopaminantagonisten – Nykturie durch zentralnervöse Effekte
  • Drogen: Cannabis (Haschisch und Marihuana), Ecstasy, Heroin, Kokain oder Speed (Amphetamine)
  • Glibenclamid (orales Antidiabetikum)
  • Hormone
    • Glucocorticoide (Polyurie)
    • Schilddrüsenhormone (Thyroxin)
  • Theophyllin – Wirkstoff, der zu den Xanthinderivaten gehört und vor allem im Rahmen der Therapie des Asthma bronchiale eingesetzt wird
  • Thioridazin (Polydipsie!) – Wirkstoff aus der Gruppe der Neuroleptika
  • Lithiumkarbonat
  • Stimulanzien – z. B. Alkohol, Koffein, Nikotin, Ephedrin, Kokain, Speed (Amphetamine)
  • Sympathomimetika

Weiteres 

  • Verhaltensbedingte Ursachen
    • Ernährung
      • Proteinreiche (eiweißreiche) Ernährung
    • Genussmittelkonsum
      • Alkoholgenuss
    •  Polydipsie (übermäßiges Durstgefühl)
      • große abendliche Trinkmengen  nächtliche Polyurie
  • Röntgenkontrastmitteleinnahme
  • Zustand nach ParavertebralanästhesieForm der Regionalanästhesie

Hinweis: Das Auftreten einer nächtlichen Polyurie geht im Regelfall nicht mit einer globalen Polyurie einher.