Elektrolyte: Analyse und klinische Relevanz
Die Labordiagnostik von Elektrolyten (Salzen im Blut) ist ein zentrales Instrument der modernen Medizin. Elektrolyte regulieren den Wasserhaushalt, den Säure-Basen-Haushalt (Gleichgewicht von Säuren und Basen im Körper), die neuromuskuläre Erregbarkeit (Reizweiterleitung von Nerven und Muskeln), den Herzrhythmus sowie zahlreiche Stoffwechsel- und Hormonfunktionen. Schon geringe Abweichungen der Werte können auf akute oder chronische Erkrankungen hinweisen, die diagnostisch und therapeutisch beachtet werden müssen.
Die wichtigsten Laborparameter der Elektrolytanalytik sind:
Natrium (Na⁺) (Kochsalzbestandteil im Blut)
Natrium ist das wichtigste extrazelluläre Kation (positiv geladenes Teilchen außerhalb der Zellen). Es reguliert den Wasserhaushalt, den osmotischen Druck (Konzentration gelöster Teilchen im Blut) und den Blutdruck.
- Serum: Der Normbereich liegt bei 135-145 mmol/l.
Eine Hyponatriämie (Natriummangel) tritt zum Beispiel bei Herzinsuffizienz (Herzschwäche), SIADH (Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion) oder Dehydratation (Austrocknung) auf.
Eine Hypernatriämie (Natriumüberschuss) findet sich bei exzessivem Wasserverlust, Diabetes insipidus (vermehrte Urinausscheidung) oder unzureichender Wasseraufnahme. - 24-Stunden-Urin: Der Normbereich beträgt 100-260 mmol/24 h.
Eine erhöhte oder erniedrigte Natriumausscheidung gibt Aufschluss über Volumenstatus, Diuretikawirkung und renale Verluste bei Hyponatriämie.
Kalium (K⁺) (Kaliumsalz im Blut)
Kalium ist das wichtigste intrazelluläre Kation (innerhalb der Zellen). Es ist essenziell für die Erregungsleitung der Nerven, die Muskelaktivität und die elektrische Stabilität des Herzens.
- Serum: Der Normbereich liegt bei 3,5-5,0 mmol/l.
Eine Hypokaliämie (Kaliummangel) entsteht durch Diarrhö (Durchfall), Diuretika, Hyperaldosteronismus (Aldosteronüberproduktion) oder Hypomagnesiämie (Magnesiummangel).
Eine Hyperkaliämie (Kaliumüberschuss) tritt bei Niereninsuffizienz, Zelllyse, Azidose (Übersäuerung) oder durch kaliumsparende Medikamente auf. - 24-Stunden-Urin: Der Normbereich beträgt 25-125 mmol/24 h.
Die renale Kaliumausscheidung dient der Abklärung einer Hypo- oder Hyperkaliämie und ist essenziell zur Unterscheidung renaler von extrarenalen Ursachen.
Chlorid (Cl⁻) (Chloridion im Blut)
Chlorid ist das häufigste extrazelluläre Anion (negativ geladenes Teilchen). Es ist entscheidend für die Aufrechterhaltung des Säure-Basen-Gleichgewichts und des osmotischen Drucks.
- Serum: Der Normbereich liegt bei 98-107 mmol/l.
Eine Hypochlorämie (Chloridmangel) wird z. B. bei metabolischer Alkalose, Erbrechen oder Addison-Krankheit beobachtet.
Eine Hyperchlorämie (Chloridüberschuss) tritt u. a. bei Dehydratation, Niereninsuffizienz (dauerhafte Nierenschwäche) oder Azidose auf. - 24-Stunden-Urin: Der Normbereich beträgt 110–250 mmol/24 h.
Die Chloridausscheidung ist bedeutsam für die Beurteilung des Säure-Basen-Haushalts, insbesondere unter Diuretikatherapie oder bei Alkalosen.
Calcium (Ca²⁺) (Kalzium)
Calcium ist für den Knochenstoffwechsel, die Blutgerinnung, Muskelkontraktionen und die neuromuskuläre Erregbarkeit unentbehrlich.
- Serum: Der Normbereich (gesamt) liegt bei 2,20-2,65 mmol/l.
Eine Hypocalcämie entsteht bei Hypoparathyreoidismus, Vitamin-D-Mangel oder Pankreatitis.
Eine Hypercalciämie tritt auf bei primärem Hyperparathyreoidismus, malignen Tumoren oder Vitamin-D-Intoxikation. - 24-Stunden-Urin: Der Normbereich liegt bei < 7,5 mmol/24 h.
Die Calciumausscheidung ist essenziell zur Abklärung von Hyper- oder Hypokalzurie, etwa bei Hyperparathyreoidismus (Nebenschilddrüsenüberfunktion) oder Nierensteinleiden.
Magnesium (Mg²⁺) (Magnesiumsalz)
Magnesium wirkt als Kofaktor zahlreicher Enzyme, beeinflusst den Energiestoffwechsel, die neuromuskuläre Erregbarkeit und das Herz-Kreislauf-System.
- Serum: Der Normbereich liegt bei 0,75-1,05 mmol/l.
Eine Hypomagnesiämie tritt häufig bei Alkoholabusus, Malabsorption, Diuretikatherapie oder Diabetes mellitus auf.
Eine Hypermagnesiämie ist meist Folge einer Niereninsuffizienz oder exzessiven Zufuhr. - 24-Stunden-Urin: Der Normbereich beträgt 3,0-5,0 mmol/24 h.
Eine gesteigerte Ausscheidung spricht für renalen Verlust, eine erniedrigte für intestinale Malabsorption.
Phosphat (PO₄³⁻) (Phosphorsalz)
Phosphat ist essenziell für die Energiegewinnung (ATP), den Knochenaufbau, Zellfunktionen und die pH-Pufferung.
- Serum: Der Normbereich liegt bei 0,84-1,45 mmol/l.
Eine Hypophosphatämie tritt auf bei Refeeding-Syndrom, Mangelernährung, Alkoholabusus oder Insulintherapie.
Eine Hyperphosphatämie entsteht bei Niereninsuffizienz, Tumorlyse oder Hypoparathyreoidismus (Nebenschilddrüsenunterfunktion). - 24-Stunden-Urin: Der Normbereich beträgt 15-50 mmol/24 h.
Die Phosphatausscheidung dient der Differenzierung renaler versus extrarenaler Ursachen und der Verlaufskontrolle bei Phosphatstörungen.
Osmolalität / Osmolarität (Teilchenkonzentration im Blut)
Die Osmolalität (in mosmol/kg) und Osmolarität (in mosmol/l) beschreiben die Konzentration aller gelösten Teilchen im Blut und sind zentrale Kenngrößen des Wasserhaushalts.
- Serum: Normbereich 275-295 mosmol/kg.
Eine erhöhte Osmolalität weist auf Dehydratation, Hyperglykämie oder Intoxikationen (z. B. Methanol, Ethanol, Ethylenglykol) hin.
Eine erniedrigte Osmolalität tritt auf bei SIADH, Überwässerung oder Nierenfunktionsstörung. - 24-Stunden-Urin: Normbereich 300-900 mosmol/kg.
Die Urinosmolalität ist wichtig zur Abklärung von Polyurie-Syndromen, Diabetes insipidus und Störungen der ADH-Regulation.
Normwerte der Elektrolytanalytik (Serum, 37 °C)
Elektrolytparameter – Referenzbereiche
Parameter | Normbereich | Einheit | Klinische Bedeutung |
---|---|---|---|
Natrium (Na⁺) | 135–145 | mmol/l | Wasserhaushalt, osmotischer Druck, Blutdruckregulation |
Kalium (K⁺) | 3,5–5,0 | mmol/l | Herzrhythmus, neuromuskuläre Erregbarkeit |
Chlorid (Cl⁻) | 98–107 | mmol/l | Säure-Basen-Haushalt, osmotischer Druck |
Calcium (Ca²⁺) | 2,20–2,65 | mmol/l | Knochenstoffwechsel, Blutgerinnung, Nervenleitung |
Magnesium (Mg²⁺) | 0,75–1,05 | mmol/l | Enzymaktivität, Muskel-/Nervenfunktion |
Phosphat (PO₄³⁻) | 0,84–1,45 | mmol/l | Energiehaushalt, Knochenstoffwechsel |
Osmolalität (berechnet) | 275–295 | mosmol/kg | Hydratationszustand, Wasser-/Salzhaushalt |
Nachfolgend ist eine diagnostisch interpretierbare Tabelle, die die wichtigsten Elektrolytparameter jeweils für Serum und 24-Stunden-Urin enthält. Neben den Normwerten werden typische Abweichungen, deren mögliche Ursachen und die diagnostische Relevanz aufgeführt. Die Struktur dient der schnellen klinischen Orientierung:
Elektrolytparameter – Normwerte, Abweichungen und diagnostische Hinweise
Parameter | Material | Normbereich | Abweichung | Mögliche Ursachen | Diagnostische Hinweise |
---|---|---|---|---|---|
Natrium (Na⁺) | Serum | 135–145 mmol/l | ↓ Hyponatriämie | SIADH, Herzinsuffizienz, Hypovolämie | Volumenstatus, Wasserhaushalt |
↑ Hypernatriämie | Diabetes insipidus, Exsikkose | Osmotische Balance, Hypo-/Hyperhydratation | |||
Urin (24 h) | 100–260 mmol | ↓ | extrarenaler Verlust, Aldosteronüberschuss | Natriumretention vs. Verlust | |
↑ | SIADH, renaler Verlust | Kontrolle Diuretikatherapie, Hyponatriämiediagnostik | |||
Kalium (K⁺) | Serum | 3,5–5,0 mmol/l | ↓ Hypokaliämie | Diuretika, Diarrhö, Hyperaldosteronismus | Risiko für Arrhythmien, Muskelstörungen |
↑ Hyperkaliämie | Niereninsuffizienz, Azidose, Zellzerfall | Akute Behandlungsindikation bei kardialer Gefährdung | |||
Urin (24 h) | 25–125 mmol | ↓ | extrarenaler Verlust, Hypoaldosteronismus | Differenzierung Hypokaliämie-Ursache | |
↑ | renaler Kaliumverlust, Diuretika | Renale Kaliumausscheidung bei Normokaliämie | |||
Chlorid (Cl⁻) | Serum | 98–107 mmol/l | ↓ Hypochlorämie | Erbrechen, metabolische Alkalose, Addison-Krankheit | Säure-Basen-Störung, Volumenstatus |
↑ Hyperchlorämie | Dehydratation, Azidose, Niereninsuffizienz | Anionen-Bilanz, Azidosediagnostik | |||
Urin (24 h) | 110–250 mmol | ↓ | Alkalose, Diuretika | Begleitelektrolytverlust | |
↑ | Azidose, hoher Kochsalzkonsum | Cl⁻ als Marker für HCl-Verlust oder -Zufuhr | |||
Calcium (Ca²⁺) | Serum | 2,20–2,65 mmol/l | ↓ Hypocalcämie | Hypoparathyreoidismus, Vitamin-D-Mangel | Tetanierisiko, Parathormonwirkung |
↑ Hypercalciämie | Hyperparathyreoidismus, Malignome | Nierensteinrisiko, Hypervitaminose D | |||
Urin (24 h) | < 7,5 mmol | ↓ | Hypoparathyreoidismus, renale Retention | Risiko Hypocalcämie trotz Normwert im Serum | |
↑ | Hyperparathyreoidismus, Osteolyse, Diuretika | Hyperkalzurie, Steinbildung, renale tubuläre Erkrankungen | |||
Magnesium (Mg²⁺) | Serum | 0,75–1,05 mmol/l | ↓ Hypomagnesiämie | Alkoholabusus, Diuretika, Malabsorption | Neuromuskuläre Störungen, Arrhythmien |
↑ Hypermagnesiämie | Niereninsuffizienz, Überdosierung | Bradykardie, Muskelschwäche | |||
Urin (24 h) | 3,0–5,0 mmol | ↓ | Malabsorption, geringe Zufuhr | Enterale vs. renale Verlustdifferenzierung | |
↑ | Renale Magnesiumverluste (z. B. Bartter-Syndrom) | Differentialdiagnose bei Hypomagnesiämie | |||
Phosphat (PO₄³⁻) | Serum | 0,84–1,45 mmol/l | ↓ Hypophosphatämie | Refeeding, Alkoholismus, Insulintherapie | ATP-Mangel, respiratorische Insuffizienz |
↑ Hyperphosphatämie | Niereninsuffizienz, Tumorlyse, Hypoparathyreoidismus | Sekundärer Hyperparathyreoidismus | |||
Urin (24 h) | 15–50 mmol | ↓ | Nierenversagen, Hypoparathyreoidismus | Retention trotz Hyperphosphatämie | |
↑ | renale Verluste (z. B. tubuläre Schädigung) | Phosphatdiabetes, Fanconi-Syndrom | |||
Osmolalität | Serum | 275–295 mosmol/kg | ↓ | SIADH, Überwässerung | ADH-Diagnostik, Wasserhaushalt |
↑ | Dehydratation, Hyperglykämie, Intoxikation | Osmotisches Ungleichgewicht, Komaursache | |||
Urin (24 h) | 300–900 mosmol/kg | ↓ | Diabetes insipidus, Wasserdiurese | Differenzierung Polyurieformen | |
↑ | SIADH, konzentrierter Urin | ADH-Aktivität, Osmoregulation |