Diagnostik der Körpertemperatur und Fieberklassifikation – Fiebermessung (inkl. Fiebertypen)

Die Körpertemperatur ist ein zentraler Vitalparameter zur Beurteilung entzündlicher, infektiöser und metabolischer Prozesse. Die Messung erfolgt mit digitalen Thermometern an unterschiedlichen Körperstellen. Goldstandard ist die rektale Temperaturmessung (Messung im Enddarm), da sie die Körperkerntemperatur (Temperatur im Inneren des Körpers) am genauesten widerspiegelt.

Messorte, Messdauer und systematische Abweichung zur Kerntemperatur

Messort Messdauer Mittlere Abweichung zur rektalen Messung Bemerkung
Rektal (Enddarm) 3-5 Minuten Goldstandard, hohe Genauigkeit
Oral (unter der Zunge) 5-8 Minuten -0,4 °C Beeinflusst durch Atmung, Flüssigkeitsaufnahme [3]
Axillär (Achselhöhle) ca. 10 Minuten -0,7 °C Niedrigste Zuverlässigkeit unter Routinebedingungen [2]
Aurikulär (im Ohr) 1-3 Sekunden -0,6 °C Abhängig von Technik und Gehörgangsbedingungen [2]

Wichtig: Alle peripheren Methoden zeigen systematische Unterschätzung gegenüber rektaler Temperatur und sollten bei kritischer Beurteilung entsprechend interpretiert werden [2][3].

Fieberklassifikation nach Messmethode

Die folgenden Werte basieren auf klinischen Standarddefinitionen für rektale Temperaturmessung. Die Referenzbereiche für andere Messorte wurden anhand valider Mittelwertabweichungen berechnet (siehe unten).

Temperaturklassifikation je Messort

Alle Angaben in °C

Kategorie Rektal [°C] Oral [°C] Axillär [°C] Aurikulär [°C]
Normwert 36.1-37.2 35.7-36.8 35.4-36.5 35.5-36.6
Subfebril (leicht erhöhte Temperatur) 37.3-38.0 36.9-37.6 36.6-37.3 36.7-37.4
Leichtes Fieber 38.1-38.5 37.7-38.1 37.4-37.8 37.5-37.9
Mäßiges Fieber 38.6-39.0 38.2-38.6 37.9-38.3 38.0-38.4
Hohes Fieber 39.1-39.9 38.7-39.5 38.4-39.2 38.5-39.3
Sehr hohes Fieber > 40.0 > 39.6 > 39.3 > 39.4

Berechnungsgrundlage

Die Klassifikation basiert auf den rektalen Grenzwerten nach klinischer Konvention [4] und wurde für andere Messorte mittels folgender systematischer Korrekturfaktoren angepasst:

  • Oral: -0,4 °C
  • Axillär: -0,7 °C
  • Aurikulär: -0,6 °C

Diese Korrekturwerte ergeben sich aus der Studienlage zur Messgenauigkeit [2][3]. Alle gerundeten Grenzbereiche berücksichtigen klinische Relevanz und Messungenauigkeit im Routineeinsatz.

Physiologische Schwankungen und Einflussfaktoren

  • Tagesrhythmus: Minimum zwischen 2:00-6:00 Uhr, Maximum zwischen 17:00-20:00 Uhr
  • Körperliche Aktivität (Bewegung, Sport): kann Temperatur um bis zu 2 °C ansteigen lassen
  • Menstruationszyklus (Monatszyklus): Ovulationsbedingter (Eisprung-bedingter) Anstieg der Basaltemperatur (Temperatur in Ruhe) um ca. 0,5 °C
  • Säuglinge (Babys): bis zu 0,5 °C höhere Temperatur im Vergleich zu Erwachsenen
  • Ältere Menschen: geringere Fieberreaktion – Werte > 37,8 °C (rektal) können bereits auf Infektion hinweisen [4]

Referenzwerte aus epidemiologischer Studienlage

Eine großangelegte Studie mit 35.488 Personen ohne Infektion oder Antibiotikatherapie ergab:

  • Mittlere orale Temperatur: 36,6 °C
  • 95 %-Konfidenzintervall: 35,7-37,3 °C
  • 99 %-Konfidenzintervall: 35,3-37,7 °C

Abweichungen gegenüber oral:

  • Temporal (an der Stirn): -0,03 °C
  • Trommelfell (Gehörgang): -0,06 °C
  • Axillär (Achselhöhle): -0,26 °C

Einfluss durch Komorbiditäten (Begleiterkrankungen):

  • Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion): -0,013 °C (p = 0,01)
  • Malignome (bösartige Tumoren): +0,020 °C (p < 0,001) [3]

Typische Temperaturreaktionen bei Fieber

Fieber ist eine Sollwertverstellung im Hypothalamus (Teil des Zwischenhirns), ausgelöst durch endogene oder exogene Pyrogene (Fieber-auslösende Stoffe). Es stellt eine physiologische Reaktion zur Optimierung der Immunantwort dar.

  • Liebermeister-Regel: ca. +10 Herzschläge/min pro 1 °C Temperaturanstieg
  • Ausnahme: relative Bradykardie (verlangsamter Herzschlag) bei Typhus abdominalis

Fiebertypen und zugeordnete Krankheitsbilder

Fiebertyp Beschreibung Typische Krankheiten
Febris continua (kontinuierliches Fieber) Kontinuierliches Fieber um ~39 °C mit tageszeitlicher Schwankung < 1 °C; persistiert über mehrere Tage Fleckfieber, Lobärpneumonie (Lungenentzündung), Rickettsiosen, Typhus, Paratyphus, Scharlach, Tularämie
Febris remittens (remittierendes Fieber) Remittierendes Fieber mit tgl. Schwankung um 1-2 °C, ohne Rückkehr zur Normaltemperatur Tuberkulose
Febris intermittens (intermittierendes Fieber) Intermittierendes Fieber mit Fieberspitzen und Phasen von Normal- oder Untertemperatur, starke Tagesschwankung Akute Brucellose, Endokarditis (Herzinnenhautentzündung), Malaria, Miliartuberkulose, Osteomyelitis (Knochenmarkentzündung), Salmonellose, Sepsis (Blutvergiftung)
Relapsfieber (Rückfallfieber) Rezidivierendes Fieber mit kurzen Fieberphasen, unterbrochen von fieberfreien Tagen Malaria (Sumpffieber, Wechselfieber), Rückfallfieber
Febris undulans (wellenförmiges Fieber) Undulierendes, wellenförmiges Fieber mit Fieberspitzen bis zu 40 °C Brucellose, Hodgkin-Lymphom (Lymphknotenkrebs)
Doppelgipfliges Fieber Zweiphasiger Verlauf: nach fieberfreier Phase folgt erneuter Fieberanstieg Denguefieber, Gelbfieber, Influenza (Grippe inkl. pandemischer/aviärer Form), Masern

Indikationen zur ärztlichen Vorstellung bei Kindern [1]

  • Fieber > 38,5 °C
  • Fieberdauer > 3 Tage
  • Trinkverweigerung oder Dehydratation (Flüssigkeitsmangel)
  • Durchfall > 2 Tage, Erbrechen > 12 Stunden
  • Krampfanfälle, zunehmende Schmerzen
  • Hautausschlag, Ohrenschmerzen, Atemnot

Fieber bei Sepsis – klinische Relevanz

Eine Studie zeigte:
Viele Patienten mit laborbestätigter Bakteriämie (Bakterien im Blut) wiesen keine Temperaturen ≥ 38,0 °C auf. Dennoch bestand eine deutliche Korrelation zwischen Fieberhöhe und Sepsisrisiko [5].

Literatur

  1. Stiftung Kindergesundheit. Newsletter März 2016
  2. Niven DJ et al.: Accuracy of Peripheral Thermometers for Estimating Temperature. Ann Intern Med. 2015 Nov 17;163(10):768-77. doi: 10.7326/M15-1150.
  3. Obermeyer Z et al.: Individual differences in normal body temperature: longitudinal big data analysis of patient records. BMJ 2017; 359 doi: https://doi.org/10.1136/bmj.j5468 (Published 13 December 2017)
  4. Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e. V.: Mein Kind hat Fieber. DGKJ 2018. www.​dgkj.​de
  5. Speaker SL et al.: Relationship Between Oral Temperature and Bacteremia in Hospitalized Patients. J Gen Intern Med 2023; https://doi.org/10.1007/s11606-023-08168-6