Gürtelrose (Herpes zoster) – Ursachen
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Herpes zoster, auch als Gürtelrose bekannt, entsteht durch eine Reaktivierung des Varicella-Zoster-Virus (VZV), welches zur Familie der Herpesviren (Herpesviridae) gehört und als Humanes Herpesvirus 3 (HHV-3) klassifiziert ist.
Primärinfektion
- Die Erstinfektion mit dem Varicella-Zoster-Virus erfolgt meist im Kindesalter und manifestiert sich als Varizellen (Windpocken). Nach der Primärinfektion persistiert (verbleibt) das Virus lebenslang im Körper.
- Nach dem Abklingen der Windpocken wandert das Virus entlang der sensorischen Nervenfasern (afferenzielle Axone) in die sensorischen Ganglien des Rückenmarks (Spinalganglien) oder in die Hirnnervenganglien und verbleibt dort in einem latenten (inaktiven) Zustand.
Latenzphase
- Während der Latenzphase ist das Virus inaktiv und in den Neuronen (Nervenzellen) durch verschiedene Mechanismen vor dem Immunsystem des Wirtes geschützt.
- Das Virus liegt als episomale (extrachromosomale) DNA im Zellkern der betroffenen Neuronen vor. Es werden in dieser Phase keine infektiösen Virionen gebildet, sondern lediglich virale Transkriptionsprodukte auf niedrigem Niveau, die die Expression zellulärer Abwehrfaktoren und das Überleben der Neuronen begünstigen.
Reaktivierung
- Herpes zoster tritt dann auf, wenn das Varicella-Zoster-Virus in den Ganglienzellen reaktiviert wird, meistens durch eine Schwächung des Immunsystems. Dies kann ausgelöst werden durch:
- Alter (bei älteren Menschen häufiger aufgrund der natürlichen Abnahme der Immunfunktion)
- Immunsuppression (durch Erkrankungen wie HIV, Krebs oder durch immunsuppressive Therapien)
- Stress oder andere körperliche Belastungen
- Traumata oder Schädigung der betroffenen Ganglien
- Operationen oder UV-Strahlen
- Bei der endogenen Reaktivierung beginnen die latenten Viruspartikel, sich in den Ganglienzellen zu vermehren und wandern entlang der sensorischen Nervenfasern zurück zur Haut und den Schleimhäuten im entsprechenden Dermatom (Hautareal, das von einem bestimmten Spinalnerv innerviert wird). Dies führt zu einer entzündlichen Reaktion in den betroffenen Nerven und im Hautareal.
Entzündliche Reaktion und Symptomatik
- Neurale Entzündung
- Die Virusvermehrung in den Neuronen löst eine Entzündungsreaktion im betroffenen Ganglion und den umliegenden Nervenstrukturen aus. Dies führt zu zellulären Schäden, die die Nervenfunktion beeinträchtigen.
- Eine besondere Rolle spielen proinflammatorische Zytokine (wie Tumor-Nekrose-Faktor-Alpha, Interleukin-6 und -8), die in den infizierten Zellen freigesetzt werden und das lokale Immunsystem aktivieren.
- Dermatome
- Entsprechend dem betroffenen Nervenverlauf treten die typischen kutanen Manifestationen in einem Streifen auf, der das Versorgungsgebiet des betroffenen Spinalnerven abbildet. In den meisten Fällen betrifft die Reaktivierung einseitig ein bestimmtes Dermatom, typischerweise am Rumpf, aber auch im Gesichtsbereich.
- Die entzündliche Reaktion in der Haut führt zur Blasenbildung und zu den typischen schmerzhaften Vesikeln (Bläschen) mit serösem (klaren) Inhalt.
- Postherpetische Neuralgie (PHN)
- Eine postherpetische Neuralgie ist die häufigste Komplikation bei älteren Patienten und tritt bei ca. 10-20 % der Betroffenen auf.
- Die Ursache liegt in bleibenden Nervenschäden und einer Dysregulation der Schmerzsignale aufgrund der entzündlichen Veränderungen im Ganglion und in den peripheren Nerven.
Zusammenfassung
Herpes zoster entsteht durch eine Reaktivierung des in den Ganglienzellen verbleibenden Varicella-Zoster-Virus. Nach der endogenen Reaktivierung wandern die Viruspartikel entlang der Nerven zurück zur Haut und verursachen eine lokale Entzündungsreaktion mit Blasenbildung und neuropathischen Schmerzen im betroffenen Dermatom. Faktoren wie Alter, Immunsuppression und Stress erhöhen das Risiko der Reaktivierung.
Ätiologie (Ursachen)
Biographische Ursachen (= erhöhtes Zoster-Risiko)
- Lebensalter – höheres Alter: Die Erkrankung tritt vorwiegend zwischen dem 60. und 70. Lebensjahr auf. Mit 85 Jahren haben ca. 50 % der Bevölkerung mindestens eine Episode eines Herpes zoster erlebt.
Verhaltensbedingte Ursachen (= erhöhtes Zoster-Risiko)
- Genussmittelkonsum
- Alkohol
- Tabak (Rauchen, Passivrauchen)
- Übergewicht (BMI ≥ 25; Adipositas)
Krankheitsbedingte Ursachen (= erhöhtes Zoster-Risiko: per se oder therapiebedingt)
- Immunschwäche wg.
- Transplantationen
- Maligner hämatologischer Erkrankungen (bösartige Erkrankungen der blutbildenden Organe) wie dem Hodgkin-Lymphom, Leukämie; Plasmozytom (multiples Myelom); HIV/AIDS
- Asthma bronchiale, chronisches (10 %) [1, 2]
- Atopische Dermatitis (Neurodermitis) [2]
- Chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD) (30 %) [1]
- Depression (10 %) [1]
- Diabetes mellitus, Typ 1 (27 %) [1]
- Lupus erythematodes (Autoimmunerkrankung) (0,3 %) [1]
- Psoriasis (Schuppenflechte), schwere [4]
- Rheumatoide Arthritis (chronisch entzündliche Multisystemerkrankung, die sich meist in Form einer Synovialitis (Gelenkinnenhautentzündung) manifestiert) (46 %) [1]
- Tumorerkrankungen
- Zöliakie [5]
Medikamente
- COVID-19-Impfung (mRNA-Vaccine, Vektorimpfstoff)? – impfassoziierte Herpes-zoster-Erkrankung ist wohl nicht gerechtfertigt [6]
- Immunsuppressive Therapie
- Statintherapie, dosisabhängig (um 13 % erhöht (Odds-Ratio [OR]: 1,13; 95%-Konfidenzintervall zwischen 1,11 und 1,15)) [3]
- Steroidtherapie (Corticosteroide/Cortisol; Dexamethason)
Umweltbelastung – Intoxikationen (Vergiftungen)
- UV-Belastung, hohe
Literatur
- Forbes HJ et al.: Quantification of risk factors for herpes zoster: population based case-control study. BMJ2014; 348: g2911; doi: 10.1136/bmj.g2911
- Kwon HJ et al.: Asthma as a risk factor for zoster in adults: A population-based case-control study. doi: http://dx.doi.org/10.1016/j.jaci.2015.10.032
- Matthews A et al.: Statin use and the risk of herpes zoster: a nested case-control study using primary care data from the U.K. Clinical Research Practice Datalink. BJD 2016; online 2. November. doi: 10.1111/bjd.14815
- Tsai SY, Chen HJ, Lio CF, Ho HP et al.: Increased risk of herpes zoster in patients with psoriasis: A population-based retrospective cohort study. PLoS One. 2017;12: https://doi.org/10.1371/journal.pone.0179447
-
Ludvigsson JF, Choung RS, Marietta EV, Murray JA, Emilsson L: Increased risk of herpes zoster in patients with coeliac disease – nationwide cohort study. Scand J Public Health. 2017;1403494817714713. doi: 10.1177/1403494817714713.
-
Akpandak I et al.: Assessment of Herpes Zoster Risk Among Recipients of COVID-19 Vaccine JAMA Netw Open. 2022;5(11):e2242240. doi:10.1001/jamanetworkopen.2022.42240