Tetanie – Einleitung
Bei der Tetanie handelt es sich um ein Syndrom neuromuskulärer Übererregbarkeit. Sie führt vor allem zu schmerzhaften Muskelverkrampfungen.
Synonyme und ICD-10: Hyperkinetische Tetanie; Karpopedalspasmus; Konvulsionstetanie; Krampfbereitschaft; Pseudotetanie; Spasmophilie; Tetania; Tetanie; Tetanisches Achsensyndrom; ICD-10-GM R29.0: Tetanie
Physiologie
Tetanie entsteht durch eine gesteigerte Erregbarkeit der Nerven und Muskeln. Diese Übererregbarkeit kann durch Veränderungen im Elektrolythaushalt, insbesondere durch Schwankungen im Calciumspiegel, verursacht werden. Calcium spielt eine zentrale Rolle in der neuromuskulären Erregungsleitung und Muskelkontraktion. Niedrige Calciumspiegel (Hypokalzämie) können die Schwelle für die Auslösung von Aktionspotenzialen in Nerven und Muskeln senken, was zu unkontrollierten Muskelkontraktionen führt.
Charakteristische Laborbefunde für Tetanie
Tetanie, ein Zustand, der durch unwillkürliche Muskelkrämpfe und -kontraktionen gekennzeichnet ist, kann verschiedene Ursachen haben. Die charakteristischen Laborbefunde variieren je nach zugrunde liegender Ursache, umfassen aber häufig die folgenden:
- Hypocalcämie (niedriger Calciumspiegel im Blut)
- Gesamtcalcium: < 2,1 mmol/L (Normalbereich: 2,1-2,6 mmol/L)
- Ionisiertes Calcium: < 1,1 mmol/L (Normalbereich: 1,1-1,3 mmol/L)
- Hypomagnesiämie (niedriger Magnesiumspiegel im Blut)
- Serum-Magnesium: < 0,7 mmol/L (Normalbereich: 0,7-1,1 mmol/L)
- Hypokaliämie (niedriger Kaliumspiegel im Blut):
- Serum-Kalium: < 3,5 mmol/L (Normalbereich: 3,5-5,0 mmol/L)
- Hypophosphatämie (niedriger Phosphatspiegel im Blut):
- Serum-Phosphat: < 0,8 mmol/L (Normalbereich: 0,8-1,5 mmol/L)
- pH-Wert und Bicarbonat im Blut (bei respiratorischer oder metabolischer Alkalose):
- Blut-pH: > 7,45 (Normalbereich: 7,35-7,45)
- Bicarbonat (HCO3-): > 28 mmol/L (Normalbereich: 22-28 mmol/L)
- Parathormon (PTH)
- Bei hypoparathyreoidismus bedingter Tetanie: niedrige PTH-Werte
- Serum-PTH: < 1,1 pmol/L (Normalbereich: 1,1-6,8 pmol/L)
- Vitamin D-Spiegel
- Bei Vitamin-D-Mangel: 25-Hydroxyvitamin D (25(OH)D): < 50 nmol/L (Normalbereich: 50-125 nmol/L)
- Natriumspiegel (bei Hyponatriämie)
- Serum-Natrium: < 135 mmol/L (Normalbereich: 135-145 mmol/L)
Formen der Tetanie
Man kann die folgenden Formen der Tetanie unterscheiden:
- Hypocalcämische Tetanie: Tetanie, einhergehend mit erniedrigten Calcium-Blutwerten.
- Normocalcämische Tetanie: Tetanie, einhergehend mit normalen Calcium-Blutwerten.
Detaillierte Informationen zur Ursache der hypocalcämischen bzw. normocalcämischen Tetanie siehe unter "Ursachen".
Nach dem Auftreten kann man die latente ("verborgene") von der manifesten (klinisch "erkennbaren") Tetanie unterscheiden.
Ätiologie (Ursachen)
Hypocalcämische Tetanie
- Hypoparathyreoidismus (Nebenschilddrüsenunterfunktion)
- Vitamin-D-Mangel
- Akute Pankreatitis (Bauchspeicheldrüsenentzündung)
- Renale Osteodystrophie (Osteomalazie der Knochen/Knochenerweichung, die im Rahmen einer chronischen Nierenerkrankung infolge eines sekundären Hyperparathyreoidismus auftritt)
Normocalcämische Tetanie
- Hyperventilation (führt zu respiratorischer Alkalose und Calciumverringerung im Blut)
- Hypomagnesiämie (Magnesiummangel)
- Medikamenteninduzierte Tetanie (z. B. durch Diuretika/Entwässerungsmitteln)
- Metabolische Störungen (z. B. Alkalose)
Epidemiologie
Geschlechterverhältnis: Frauen sind häufiger betroffen als Männer.
Häufigkeitsgipfel: Die Erkrankung tritt vorwiegend im jüngeren bis mittleren Lebensalter auf.
Verlauf und Prognose
Verlauf
- Tetanie kann episodisch oder chronisch auftreten. Die Symptome können variieren und umfassen Muskelkrämpfe, Parästhesien (Kribbelgefühl) und Karpopedalspasmen (Krampf der Hand- und Fußmuskulatur). Latente Tetanie kann durch provokative Tests (z. B. Chvostek- und Trousseau-Zeichen) diagnostiziert werden.
Prognose
- In Abhängigkeit von der Ursache der Tetanie besteht im Regelfall die Möglichkeit einer medikamentösen Behandlung der Symptomatik. Die Prognose ist von der Grunderkrankung abhängig. Bei adäquater Behandlung der zugrunde liegenden Ursache kann die Symptomatik vollständig beherrscht werden. In chronischen Fällen kann eine Langzeittherapie erforderlich sein, um die Symptome zu kontrollieren und die Lebensqualität zu verbessern.