Gesichtsschmerzen – Klassifikation
Klassifikation des anhaltenden idiopathischen Gesichtsschmerzes nach ICHD-3 [4]
A. Gesichtsschmerz und/oder Schmerz im Mundbereich, der die Kriterien B und C erfüllt. |
B. Wiederkehrend für mindestens zwei Stunden/Tag über mehr als drei Monate. |
C. Der Schmerz weist beide der folgenden Charakteristika auf:
|
D. Die klinisch-neurologische Untersuchung ist unauffällig. |
E. Eine dentale Ursache wurde durch entsprechende Untersuchungen ausgeschlossen. |
F. Nicht besser erklärt durch eine andere ICHD-3-Diagnose. |
Die neue internationale Gesichtsschmerzklassifikation (ICOP; https://doi.org/ncwc) unterscheidet verschiedene Arten von Gesichtschmerzen (z. B. kraniomandibuläre Dysfunktion, anhaltender idiopathischer Gesichtsschmerz).
Klassifikation von Mund- und Gesichtsschmerzen
- Ausgangslage: Frühere Systeme zur Einordnung orofazialer (Mund- und Gesichtsschmerzen) waren heterogen und teilweise wenig trennscharf – mit Lücken in der ICD-Kodierung (internationale Krankheitsklassifikation) und uneinheitlichen Diagnosekriterien [1-3].
- Aktueller Standard: Die International Classification of Orofacial Pain (ICOP, internationale Klassifikation orofazialer Schmerzen, 1. Ausgabe) bietet erstmals ein international konsentiertes, fachübergreifendes Klassifikationssystem; sie orientiert sich am strukturellen Rahmen der International Classification of Headache Disorders (Internationale Klassifikation der Kopfschmerzerkrankungen, ICHD-3) und ist auf Anschlussfähigkeit an die ICD-11 (internationale Klassifikation der Krankheiten, 11. Revision) ausgelegt [1-3].
- Struktur der ICOP:
- Sechs Domänen: dentoalveoläre/orale Schmerzen (Zahn-, Alveolar- und Mundschleimhautschmerzen); myofasziale/muskuloskelettale Schmerzen (Muskelschmerzen); Kiefergelenkschmerzen; schmerzhafte kraniale Neuropathien (u. a. Trigeminusschmerzen); Gesichtsschmerzen mit Kopfschmerzassoziation; idiopathische orofaziale Schmerzen (ohne erkennbare Ursache) [1].
- Psychosoziale Beurteilung: Ergänzende Achse zur Erfassung schmerzbedingter Beeinträchtigung, Komorbiditäten (Begleiterkrankungen) und Risikofaktoren [1].
- Übernommene Konzepte: Einteilung nach akut (kurzzeitig) vs. chronisch (länger als drei Monate) und primär (eigenständige Erkrankung) vs. sekundär (Symptom anderer Erkrankung) in Anlehnung an die ICHD-3; Terminologie und Codierlogik kompatibel zu ICD-11 [1-3].
- Praktischer Nutzen:
- Stärken: Einheitliche Terminologie, validierte Kriterien (z. B. Integration DC/TMD – diagnostische Kriterien für Kiefergelenks- und Muskelerkrankungen), Brücke zu ICHD-3/ICD-11, gute Eignung für Lehre und Forschung [1-3].
- Limitationen: Für mehrere Diagnosen fehlen robuste Prävalenzdaten (Häufigkeitsangaben); die reine 3-Monats-Schwelle zur Chronifizierung ist klinisch oft nachrangig gegenüber psychosozialer Beeinträchtigung [1].
- Implikation für die Diagnostik:
- Vorgehen: ICOP-Kriterien domänenspezifisch anwenden, psychosoziale Achse systematisch mitbewerten, ICD-11-kompatible Kodierung nutzen [1–3].
- Prioritäten: Differenzialdiagnostik (Abgrenzung ähnlicher Krankheitsbilder) entlang der sechs ICOP-Domänen strukturieren; Prävalenzen berücksichtigen, sofern verfügbar; Therapiewege an Schmerztopik, Mechanismus und psychosoziale Last koppeln [1].
Fazit: Die ICOP stellt die derzeit beste, international anschlussfähige Grundlage zur Klassifikation von Mund- und Gesichtsschmerzen dar und verbindet klinische Anwendbarkeit mit Kompatibilität zu ICHD-3 und ICD-11; für eine noch effizientere Routineanwendung sind weitere Prävalenz- und Validierungsdaten wünschenswert [1-3].
Literatur
- Benoliel R, May A, Svensson P, Pigg M, Law AS, Nixdorf DR, Renton T, Sharav Y, Ernberg M, Peck CC. International classification of orofacial pain, 1st edition (ICOP). Cephalalgia. 2020;40(2):129-221. https://doi.org/10.1177/0333102419893823
- Orofacial Pain Classification Committee. International Classification of Orofacial Pain, 1st edition (ICOP). Cephalalgia. 2020;40(2):129-221. https://doi.org/10.1177/0333102419893823
- World Health Organization. International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems (ICD-11). Geneva: WHO; 2024. Verfügbar unter: https://icd.who.int/
- The International Classification of Headache Disorders, 3rd edition Cephalalgia 2018;38(1):1-211 doi: 10.1177/0333102417738202