Bipolare Störung (manisch-depressive Erkrankung) – Einleitung

Bei der bipolaren Störung – umgangssprachlich manisch-depressive Erkrankung genannt – handelt es sich um eine affektive Störung, die durch extreme Schwankungen der Stimmungslage gekennzeichnet ist. Betroffene erleben abwechselnd Phasen von Manie (extreme Hochstimmung) und Depression (extreme Niedergeschlagenheit), die jeweils mehrere Wochen oder Monate andauern können. Zwischen diesen Episoden können symptomfreie Intervalle liegen, in denen die Betroffenen eine normale Stimmungslage haben.

Synonyme und ICD-10: bipolare affektive Erkrankung; bipolare affektive Psychose; bipolare affektive Psychose bei gemischter Episode; bipolare affektive Psychose bei schwerer depressiver Episode mit psychotischen Symptomen; bipolare affektive Störung; bipolare affektive Störung bei gemischter Episode; bipolare affektive Störung bei hypomanischer Episode; bipolare affektive Störung bei leichter depressiver Episode; bipolare affektive Störung bei manischer Episode mit psychotischen Symptomen; bipolare affektive Störung bei manischer Episode ohne psychotische Symptome; bipolare affektive Störung bei mittelgradiger depressiver Episode; bipolare affektive Störung bei schwerer depressiver Episode mit psychotischen Symptomen; bipolare affektive Störung bei schwerer depressiver Episode ohne psychotische Symptome; bipolare Affektpsychose; bipolare Psychose; bipolare Störung; Bipolar-II-Störung; Bipolar-I-Störung; chronische Manie; depressive Episode; gegenwärtig remittierte bipolare affektive Psychose; gegenwärtig remittierte bipolare affektive Störung; Hypomanie; Hypomanische Form der manisch-depressiven Reaktion; Kurzzykler; Manie; manisch-depressive Krankheit; manisch-depressive Psychose; manisch-depressive Reaktion; manisch-depressiver Mischzustand; manisch-depressiver Stupor; manisch-depressives Irresein; manisch-depressives Syndrom; manisch-depressive Symptomatik; manische Depression; manische Episode; manische Form der manisch-depressiven Reaktion; Rapid cycler; Rapid Cycling; rezidivierende manische Episoden; zyklischer Stupor; Zyklothymie mit Depression; Zyklothymie mit Manie; ICD-10-GM F30.-: Manische Episode; ICD-10-GM F31.-: Bipolare affektive Störung; ICD-10-GM F32.-: Depressive Episode

Definition

Um die Diagnose "bipolare Störung" stellen zu können, müssen mindestens zwei voneinander abgrenzbare affektive Episoden aufgetreten sein. Davon muss mindestens eine Episode eine manische, hypomanische oder gemischte Episode sein.

Die bipolare Störung kann je nach Dauer, Häufigkeit und Intensität der einzelnen Phasen unterschieden werden in:

  • Bipolar-I-Störung (BD-I) – Diese Form hat mindestens eine manische Episode neben den Depressionen; manische Phase dauert mindestens 14 Tage und ist sehr ausgeprägt.
  • Bipolar-II-Störung (BD-II) –  Diese Form ist geprägt durch depressive Phasen und mindestens einer manischen Phase, die in den meisten Fällen eher schwach ausgeprägt ist (Hypomanie).

Formen der bipolaren Störung

Nach ICD-10-GM 

Manische Episode Hypomanie (abgeschwächte Form der Manie) (ICD-10-GM F30.0)
  Manie ohne psychotische Symptome (ICD-10-GM F30.1)
  Manie mit psychotischen Symptomen (synthym/parathym) (ICD-10-GM F30.2)
  Sonstige manische Episoden (ICD-10-GM F30.8)
  Manische Episode, nicht näher bezeichnet (ICD-10-GM F30.9)
Depressive Episode Leichte depressive Episode (ohne/mit somatisches Syndrom) (ICD-10-GM F32.0)
  Mittelgradige depressive Episode (ohne/mit somatisches Syndrom) (ICD-10-GM F32.1)
  Schwere depressive Episode (ohne psychotische Symptome) (ICD-10-GM F32.2)
  Schwere depressive Episode (mit psychotischen Symptomen) (ICD-10-GM F32.3)
  Sonstige depressive Episoden (atypische Depressionen) (ICD-10-GM F32.8)
  Depressive Episode, nicht näher bezeichnet (ICD-10-GM F32.9)

Des Weiteren gibt es subsyndromale Verläufe sowie die Zyklothymia (ICD-10 F 34.0).

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Männer und Frauen sind gleichermaßen betroffen.

Häufigkeitsgipfel: Erkrankungsbeginn meistens zwischen 15 und 30 Jahren, erste Symptome oft vor dem 18. Lebensjahr.

Lebenszeitprävalenz (Krankheitshäufigkeit während des gesamten Lebens): 3-5 %.

Prävalenz (Krankheitshäufigkeit): Bipolar-I-Störung: 0,5-2 %; Bipolar-II-Störung: 0,2-5 % (Deutschland)

Verlauf und Prognose

Verlauf

  • Bipolare Störungen haben oft einen chronischen Verlauf mit rezidivierenden Episoden.
  • Manische Phasen dauern in der Regel kürzer als depressive Phasen.
  • Symptomfreie Intervalle können Jahre dauern, verkürzen sich jedoch mit zunehmender Krankheitsdauer.
  • Rapid Cycling (≥ 4 affektive Episoden in 12 Monaten) betrifft bis zu 20 % der Patienten.
  • Patienten mit bipolarer Störung verbringen etwa die Hälfte der Zeit in einer ausgeglichenen Stimmungslage (euthym). 
  • Patienten mit BD-I und BD-II unterschieden sich nur wenig in ihrer Tendenz zu depressiven Zuständen [3].

Prognose

  • Suizidalität: Erhöhtes Risiko, Patienten sterben im Durchschnitt 9 bis 20 Jahre früher [1].
  • Komorbiditäten: Häufige Assoziationen mit Cannabisgebrauch und Alkoholmissbrauch [2].
  • Therapie: Eine frühzeitige Diagnose und adäquate Therapie können die Prognose verbessern, dennoch bleibt die Störung eine lebenslange Herausforderung.

Komorbiditäten 

  • Häufige psychische Komorbiditäten: Depression, Substanzmissbrauch.
  • Statistisch signifikante Assoziationen: Cannabisgebrauch und bipolare Störung [2].

Literatur

  1. Chesney E, Goodwin GM, Fazel S: Risks of all-cause and suicide mortality in mental diesorders: a meta-review. World Psychiartry 2014;13:153-160)
  2. Wittchen HU, Frohlich C, Behrendt S et al.: Cannabis use and cannabis use disorders and their relationship to mental disorders: a 10-year prospective-longitudinal community study in adolescents. Drug Alcohol Depend 2007 Apr;88 Suppl 1:S60-70. Epub 2007 Jan 25.
  3. Pallaskorpi S et al.: Five-year outcome of bipolar I and II disorders: findings of the Jorvi Bipolar Study. Bipolar Disord. 2015 Mar 2. doi: 10.1111/bdi.12291

Leitlinien

  1. S3-Leitlinie: Psychosoziale Therapien bei schweren psychischen Erkrankungen. (AWMF-Registernummer: 038-020), Oktober 2018 Kurzfassung Langfassung
  2. S3-Leitlinie: Diagnostik und Therapie Bipolarer Störungen. (AWMF-Registernummer: 038-019), März 2019 Langfassung
  3. S3-Leitlinie: Nationale VersorgungsLeitlinie Unipolare Depression. (AWMF-Registernummer: nvl - 005), Januar 2023 Kurzfassung Langfassung