Lidrandentzündung (Blepharitis) – Medikamentöse Therapie
Therapieziel
- Eliminierung der Erreger (Krankheitserreger) bei bakterieller Blepharitis (Lidrandentzündung) und Kontrolle der Entzündungsreaktion (Abwehrreaktion).
Therapieempfehlungen
- Allgemeine Maßnahmen: Tränenersatzflüssigkeit (künstliche Tränen) und Lidrandpflege (warme Kompressen, Lidrandmassage, Lidreinigung) – siehe unter „Weitere Therapie“.
- Antibiose (Behandlung mit Antibiotika) bei bakterieller Blepharitis: Therapiedauer mindestens 5 Tage; bei Beschwerdefreiheit nach einem weiteren Behandlungstag absetzen.
- Systemische Therapie (Behandlung mit Tabletten): Bei rezidivierender (wiederkehrender) oder posteriorer Blepharitis (Entzündung der Meibom-Drüsen) Einsatz systemischer Antibiotika (z. B. Tetrazykline) empfohlen.
- Kombinationstherapie (Kombinationsbehandlung): Kurzzeitige Kombination von topischem (örtlich angewendetem) Antibiotikum mit niedrig dosiertem topischem Glucocorticoid (Kortisonpräparat) kann bei schwerer Entzündung sinnvoll sein.
Wirkstoffe (Hauptindikation)
| Wirkstoffgruppe | Wirkstoffe | Besonderheiten |
|---|---|---|
| Polypeptid-Antibiotika (Eiweißantibiotika) | Bacitracin | Wirksam gegen grampositive Erreger (bestimmte Bakterienarten); keine systemische Anwendung wegen Nephrotoxizität (Nierenschädlichkeit) |
| Fluorchinolone (Gyrasehemmer) | Ofloxacin |
Breitspektrum; auch gegen Pseudomonas; gute okuläre Gewebeverteilung (Augengewebeverteilung) Beachte: Ofloxacin wird v. a. bei sekundärer bakterieller Superinfektion oder bakterieller Keratitis (Entzündung der Hornhaut des Auges (Kornea)) eingesetzt, nicht primär bei Blepharitis; nicht Erstwahl bei primärer Blepharitis |
| Aminoglykoside (Eiweißsynthesehemmer) | Gentamycin | Wirksam gegen gramnegative und einige grampositive Erreger; Reservepräparat bei fehlendem Ansprechen; mögliche Resistenzentwicklung und epitheliale Reizung. |
| Tetrazykline (Breitbandantibiotika) | Doxycyclin, Tetracyclin | Einsatz bei chronischer oder posteriorer Blepharitis (Meibom-Drüsen-Dysfunktion); antiinflammatorischer (entzündungshemmender) Effekt |
| Makrolide (Eiweißsynthesehemmer) | Azithromycin, Erythromycin | Alternative bei Kontraindikationen gegen Tetrazykline; antiinflammatorisch (Zytokinhemmung); verbessert Meibomsekret-Zusammensetzung; sehr gute Verträglichkeit; Therapie der Wahl bei MGD-assoziierter Blepharitis. |
Wirkweise
- Polypeptid-Antibiotika (Bacitracin): bakterizid (abtötend) durch Bindung an die Zellmembran (Zellhülle) mit Membrandestabilisierung und Zelltod.
- Fluorchinolone (Ofloxacin): bakterizid (abtötend) durch Hemmung der bakteriellen DNA-Gyrase (Erbgut-Umlagerungsenzym) und Topoisomerase IV.
- Aminoglykoside (Gentamycin): bakterizid (abtötend) durch Hemmung der bakteriellen Proteinsynthese (Eiweißaufbau) an der 30S-Ribosomen-Untereinheit (Zellbaustein).
- Tetrazykline: bakteriostatisch (wachstumshemmend), zusätzlich antiinflammatorisch (entzündungshemmend) durch Hemmung neutrophiler Chemotaxis (Bewegung weißer Blutkörperchen) und Matrix-Metalloproteinasen (Gewebeabbaustoffe).
- Makrolide: bakteriostatisch (wachstumshemmend), entzündungshemmend durch Hemmung proinflammatorischer Zytokine (Botenstoffe der Entzündung).
Wirkspektrum
- Bacitracin: vorwiegend gegen grampositive Kokken (z. B. Staphylokokken, Streptokokken) und Neisserien (Kugelbakterien).
- Fluorchinolone: breit gegen gramnegative (z. B. Pseudomonas, Enterobakterien, Haemophilus influenzae) und grampositive Erreger (z. B. Staphylokokken, Pneumokokken).
- Aminoglykoside: wirksam gegen Pseudomonas aeruginosa (Eitererreger), Enterobakterien, Staphylokokken.
- Tetrazykline: grampositive und gramnegative Erreger, Mykoplasmen (zellwandlose Bakterien), Chlamydien (intrazelluläre Bakterien); insbesondere bei Meibom-Drüsen-assoziierter Entzündung.
- Makrolide: grampositive Kokken, Chlamydien, Mykoplasmen; antiinflammatorischer (entzündungshemmender) Zusatznutzen.
Nebenwirkungen
- Bacitracin: lokale allergische Reaktionen (Überempfindlichkeitsreaktionen); systemisch nephrotoxisch (nierengefährdend) – nicht anwenden.
- Fluorchinolone: gastrointestinale Beschwerden (Magen-Darm-Beschwerden), Kopfschmerzen, selten neurotoxische Symptome (Nervenschädigung); lokale Reizung; lokale Reizung; Ofloxacin: häufigeres Brennen und Trockenheit; kann reflektorischen Lidspasmus auslösen
- Aminoglykoside: Nephro- (Nieren-), Oto- (Hör-) und Neurotoxizität (Nervenschädigung) bei systemischer Anwendung; lokale Überempfindlichkeit möglich.
- Tetrazykline: Photosensitivität (Lichtempfindlichkeit), gastrointestinale Beschwerden (Magen-Darm-Beschwerden), Zahnverfärbungen; kontraindiziert (nicht erlaubt) in Schwangerschaft und Kindheit.
- Makrolide: gastrointestinale Beschwerden (Magen-Darm-Beschwerden), QT-Verlängerung (Veränderung der Herzstromkurve), Arzneimittelinteraktionen (Wechselwirkungen) über CYP3A4 (Leberenzym).
Cave
- Bacitracin: nur topische Anwendung (äußerliche Anwendung) erlaubt; systemisch nephrotoxisch (nierengefährdend).
- Tetrazykline: nicht bei Kindern < 8 Jahren, Schwangeren oder Stillenden anwenden.
- Kombinationspräparate mit Kortikosteroiden (Kortison): nur kurzfristig unter augenärztlicher Kontrolle anwenden (Risiko: Glaukom (Grüner Star), Katarakt (Linsentrübung), Sekundärinfektionen).
- Langzeittherapie: mögliche Resistenzentwicklung (Unempfindlichkeit der Bakterien); regelmäßige Verlaufskontrollen erforderlich.
- Kontaktlinsen: während akuter Entzündung nicht tragen.
Supplemente (Nahrungsergänzungsmittel; Vitalstoffe)
Geeignete Nahrungsergänzungsmittel für das Immunsystem sollten die folgenden Vitalstoffe enthalten:
- Vitamine (A, C, E, D3, B1, B2, Niacin (Vitamin B3), Pantothensäure (Vitamin B5), B6, B12, Folsäure, Biotin)
- Spurenelemente (Chrom, Eisen, Kupfer, Mangan, Molybdän, Selen, Zink)
- Fettsäuren (Omega-3-Fettsäuren: Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA))
- Sekundäre Pflanzenstoffe (Beta-Carotin, Flavonoide (Citrusfrüchte), Lycopin (Tomaten), Proanthocyanidine (Cranberrys), Polyphenole)
- Weitere Vitalstoffe (Probiotische Kulturen: Laktobazillen, Bifidobakterien)
Beachte: Die aufgeführten Vitalstoffe sind kein Ersatz für eine medikamentöse Therapie. Nahrungsergänzungsmittel sind dazu bestimmt, die allgemeine Ernährung in der jeweiligen Lebenssituation zu ergänzen.
Für Fragen zum Thema Nahrungsergänzungsmittel stehen wir Ihnen gerne kostenfrei zur Verfügung.
Nehmen Sie bei Fragen dazu bitte per E-Mail – info@docmedicus.de – Kontakt mit uns auf, und teilen Sie uns dabei Ihre Telefonnummer mit und wann wir Sie am besten erreichen können.
Leitlinien
- Lin A, Ahmad S, Amescua G, Cheung AY, Choi DS, Jhanji V, et al.; American Academy of Ophthalmology Preferred Practice Pattern Cornea/External Disease Panel. Blepharitis Preferred Practice Pattern®. Ophthalmology. 2024 Apr; 131(4):P50-86. doi:10.1016/j.ophtha.2023.12.036