Reversing Age im Spannungsfeld zwischen experimenteller Forschung und translationaler Altersmedizin

Reversing Age (Altersumkehr) beschreibt experimentelle und translational-medizinische Ansätze, die darauf abzielen, bereits etablierte biologische Alterungsprozesse auf zellulärer und molekularer Ebene teilweise rückgängig zu machen. Im Fokus stehen epigenetische, zelluläre und metabolische Alterungsmarker, deren Modulation in präklinischen Modellen zu einer funktionellen „Verjüngung“ von Zellen, Geweben oder Organen führen kann. Im Gegensatz zur Anti-Aging-Medizin (funktionelle Erhaltung) und zur Longevity-Medizin (Verlängerung der gesunden Lebensspanne) existiert für Reversing-Age-Konzepte bislang keine etablierte, evidenzbasierte klinische Anwendung beim Menschen [1, 2].

Biologische Grundlagen der Altersumkehr

Epigenetische Alterung als Schlüsselmechanismus: Das biologische Alter wird maßgeblich durch epigenetische Veränderungen bestimmt, insbesondere durch altersabhängige Muster der DNA-Methylierung. Diese epigenetischen Signaturen korrelieren eng mit Morbidität und Mortalität und bilden die Grundlage sogenannter epigenetischer Uhren. Experimentelle Daten zeigen, dass diese epigenetischen Alterungsmuster prinzipiell reversibel sind, was die theoretische Basis für Reversing-Age-Strategien darstellt [2].

Zelluläre Seneszenz und Inflammaging: Seneszente Zellen akkumulieren im Alter und tragen über den Seneszenz-assoziierten sekretorischen Phänotyp (SASP) wesentlich zu chronischer niedriggradiger Inflammation, Gewebedegeneration und Organfunktionsverlust bei. Die gezielte Modulation oder Eliminierung dieser Zellen gilt als zentraler Angriffspunkt für Altersumkehr-Konzepte [1, 4].

Mitochondriale Dysfunktion: Alterungsprozesse gehen mit einer Abnahme der mitochondrialen Biogenese, einer gestörten Mitophagie und einer reduzierten oxidativen Phosphorylierung einher. Diese Veränderungen beeinflussen sowohl epigenetische Regulation als auch Stammzellfunktion und sind eng mit funktionellem Altern assoziiert [6].

Zentrale Reversing-Age-Strategien in Forschung und Translation

Partielle epigenetische Reprogrammierung:

  • Die transiente Expression sogenannter Yamanaka-Faktoren (OCT4, SOX2, KLF4, c-MYC) konnte in Tiermodellen epigenetische Altersmarker reduzieren und altersassoziierte Funktionsverluste verbessern.
  • Diese Effekte belegen die prinzipielle Reversibilität epigenetischer Alterung, sind jedoch mit erheblichen Risiken wie Entdifferenzierung und Tumorentstehung verbunden, was eine klinische Anwendung derzeit ausschließt [3].

Senolytische Therapiekonzepte:

  • Senolytika zielen auf die selektive Eliminierung seneszenter Zellen ab.
  • Präklinische Arbeiten zeigen eine Verzögerung altersassoziierter Erkrankungen durch Entfernung p16Ink4a-positiver Zellen [4].
  • Erste Humanstudien mit Dasatinib und Quercetin belegen die prinzipielle Machbarkeit und eine Reduktion seneszenzassoziierter Marker, ohne jedoch klinische Endpunkte zu adressieren [5].

Modulation mitochondrialer und metabolischer Signalwege:

  • Der NAD+-Stoffwechsel und sirtuinabhängige Signalwege beeinflussen DNA-Reparatur, Stressresistenz und mitochondriale Funktion.
  • Tierexperimentelle Daten zeigen eine funktionelle Verbesserung altersassoziierter Veränderungen; eine klinisch relevante Altersumkehr beim Menschen ist bislang nicht belegt [6].

Sicherheitsaspekte und Limitationen

Fehlende klinische Endpunkt-Evidenz: Die Mehrzahl der Reversing-Age-Studien nutzt Surrogatmarker wie epigenetisches Alter, Transkriptom-Profile oder Zellseneszenzmarker. Belastbare Daten zu patientenrelevanten Endpunkten (Mortalität, Morbidität, funktionelle Autonomie) fehlen bislang [1,3,5].

Onkogenes Risiko und ethische Implikationen: Eingriffe in Zellzyklus- und Reprogrammierungsmechanismen bergen ein relevantes Tumorrisiko. Darüber hinaus stellen sich ethische Fragen zur Abgrenzung zwischen Therapie, Prävention und Enhancement sowie zur gerechten Zugänglichkeit potenzieller zukünftiger Interventionen.

Zusammenfassung

Reversing Age (Altersumkehr) stellt ein hochinnovatives Forschungsfeld im Spannungsfeld zwischen experimenteller Altersbiologie und translationaler Medizin dar. Präklinische und frühe klinische Daten belegen die prinzipielle Modulierbarkeit zentraler Alterungsmechanismen, insbesondere auf epigenetischer und zellulärer Ebene. Derzeit existiert jedoch keine evidenzbasierte, sichere und zugelassene klinische Therapie zur systemischen Altersumkehr beim Menschen. Reversing-Age-Ansätze sind klar von Anti-Aging- und Longevity-Konzepten abzugrenzen und bleiben bis auf Weiteres dem Bereich kontrollierter translationaler Forschung vorbehalten.

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© Deutsche Klinik für Prävention, Bad Münder

Literatur

  1. López-Otín C, Blasco MA, Partridge L, Serrano M, Kroemer G. The hallmarks of aging. Cell. 2013;153(6):1194-1217. https://doi.org/10.1016/j.cell.2013.05.039
  2. Horvath S. DNA methylation age of human tissues and cell types. Genome Biol. 2013;14(10):R115. https://doi.org/10.1186/gb-2013-14-10-r115
  3. Ocampo A, Reddy P, Martinez-Redondo P et al.: In vivo amelioration of age-associated hallmarks by partial reprogramming. Cell. 2016;167(7):1719-1733.e12. doi: 10.1016/j.cell.2016.11.052.
  4. Baker DJ, Wijshake T, Tchkonia T et al.: Clearance of p16Ink4a-positive senescent cells delays ageing-associated disorders. Nature. 2011;479(7372):232-236. https://doi.org/10.1038/nature10600
  5. Hickson LTJ, Langhi Prata LGP, Bobart SA et al.: Senolytics decrease senescent cells in humans: preliminary report from a clinical trial of Dasatinib plus Quercetin. EBioMedicine. 2019;47:446-456. https://doi.org/10.1016/j.ebiom.2019.08.069
  6. Verdin E. NAD+ in aging, metabolism, and neurodegeneration. Science. 2015;350(6265):1208-1213. https://doi.org/10.1126/science.aac4854