Diabetes mellitus Typ 2 – Einleitung

Beim Diabetes mellitus Typ 2 (Synonyme: Altersdiabetes: (engl.: Adult-Onset Diabetes mellitus) oder „Erwachsenendiabetes“; beide Begriffe sind noch weitverbreitet, entsprechen jedoch nicht dem Stand der Wissenschaft; weitere Synonyme: Nicht primär insulinabhängiger Diabetes; Typ2 Diabetes; Typ2-Diabetes; Zuckerkrankheit (Typ-2-Diabetes); nicht primär insulinabhängiger Diabetes mellitus [Typ-2-Diabetes]; ICD-10-GM E11.-: Diabetes mellitus, Typ 2) handelt es sich um die sogenannte "Zuckerkrankheit". Es liegt eine Glucosestoffwechselstörung (Hyperglykämie/erhöhte Blutzuckerwerten) aufgrund einer peripheren Insulinresistenz (verminderte oder aufgehobene Wirkung des Hormons Insulin) und einer Störung der Insulinsekretion vor (= Insulinresistenz mit relativem Insulinmangel).

Allgemeine Definition des Diabetes mellitus: Diabetes mellitus ist der Sammelbegriff für heterogene Störungen des Stoffwechsels, deren Leitbefund die chronische Hyperglykämie (Überzuckerung) ist.

Diagnostische Kriterien für einen Diabetes mellitus gemäß WHO-Kriterien sind:

  • Nüchtern-Plasma-Glucose ≥ 126 mg/dl (7,0 mmol/l)
  • Zufalls-Plasma-Glucose ≥ 200 mg/dl (11,1 mmol/l) mit diabetestypischen Symptomen
  • HbA1c ≥ 6,5 % (48 mmol/mol).

Etwa 90 % aller Diabetiker haben einen Typ-2-Diabetes.

Formen des Diabetes mellitus Typ 2

  • Insulinresistenter Typ: Primär durch eine Insulinresistenz gekennzeichnet, wobei die Insulinproduktion zunächst normal oder erhöht ist.
  • Sekretorischer Typ: Vorwiegend durch eine gestörte Insulinsekretion bedingt.
  • Mischtyp: Kombination aus Insulinresistenz und Sekretionsstörung.

Epidemiologie

Erstmanifestation: > 40 Jahre 

Häufigkeitsgipfel: Das Maximum des Auftretens des Diabetes mellitus Typ 2 liegt zwischen dem 60. und 70. Lebensjahr. Die meisten Neuerkrankungen treten nach dem 30. Lebensjahr auf.

Die Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) für Diabetes mellitus Typ 2 liegt bei 6-8 % (in Deutschland). 4 % der adipösen Amerikaner haben eine Diabetes mellitus Typ-2-Erkrankung. 
Von den unter 50-Jährigen erkranken 1-2 % an Diabetes mellitus Typ 2, von den über 60-Jährigen 10 % und von den über 70-Jährigen bis zu 20 %.

Die Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen) erreicht um das 85. Lebensjahr mit 24-29 Neuerkrankungen/1.000 Patientenjahre die höchste Rate.

Verlauf und Prognose

Verlauf

Typ-2-Diabetes mellitus kann über viele Jahre hinweg unerkannt bleiben und wird oft bei Routineuntersuchungen entdeckt. Häufig manifestiert sich die Erkrankung erstmals durch diabetesspezifische Folgeerkrankungen wie Makro- und Mikroangiopathien (Groß- und Kleingefäßerkrankungen), darunter:

  • Diabetische Retinopathie: Eine Netzhauterkrankung, die durch hohe Blutzuckerwerte verursacht wird und zur Verschlechterung der Sehfähigkeit bis hin zur Erblindung führen kann.
  • Diabetische Nephropathie: Eine Nierenerkrankung, ebenfalls bedingt durch hohe Blutzuckerwerte.
  • Diabetisches Fußsyndrom (DFS): Eine schwerwiegende Komplikation, die zu Geschwüren und Infektionen am Fuß führen kann.

Typ-2-Diabetes ist oft mit dem metabolischen Syndrom assoziiert, welches Adipositas, Hypertonie (Bluthochdruck), Hypertriglyzeridämie (erhöhte Triglycerid-werte im Blut), niedriges HDL-Cholesterin und erhöhte Nüchternblutzuckerwerte umfasst. Die Erkrankung reicht von einer Insulinresistenz (vermindertes Ansprechen der Körperzellen auf die Signale des Hormons Insulin) mit relativem Insulinmangel bis zu einem absoluten Insulinmangel im fortgeschrittenen Krankheitsverlauf. Ungefähr 80 % der Typ-2-Diabetiker sind übergewichtig.

Eine typische Komplikation ist das hyperosmolare, nichtketotische Koma (HNKS), auch bekannt als hyperglykämisches Koma.

Beachte: Geht ein neu auftretender Diabetes mellitus mit Gewichtsverlust einher, ist das Risiko für ein Pankreaskarzinom (Bauchspeicheldrüsenkrebs) erhöht: Gewichtsverlust von einem bis acht Pfund geht mit einem etwa dreieinhalbmal so hohen Risiko für ein Pankreaskarzinom einher (HR 3,47; 0,66 %) [5].

Prognose

Die Lebenserwartung von Patienten mit Typ-2-Diabetes hängt maßgeblich von drei Faktoren ab: Erkrankungsalter, HbA1c-Wert und Nierenfunktion. Ein spätes Erkrankungsalter (Altersdiabetes), ein gut kontrollierter HbA1c-Wert und eine gesunde Niere (Normalbuminurie oder glomeruläre Filtrationsrate > 90 ml/min) sind mit einer hohen Lebenserwartung verbunden.

Studien zeigen, dass die Mortalitätsrate (Sterberate) von Diabetes-Patienten, abhängig von der Kontrolle dieser Faktoren, variieren kann. Eine Studie hat eine bis zu 20 % niedrigere Gesamtmortalitätsrate und ein um fast 30 % reduziertes kardiovaskuläres Mortalitätsrisiko bei gut kontrollierten Patienten im Vergleich zur Kontrollgruppe ohne Diabetes festgestellt [2].

Laut Forschern des Robert Koch-Instituts und des Deutschen Diabetes-Zentrums (DDZ) in Düsseldorf haben Menschen mit Typ-2-Diabetes in Deutschland eine 1,8-fach erhöhte Gesamtmortalität im Vergleich zur Normalbevölkerung [4]. Eine britische Studie aus dem Jahr 2020 gibt für Typ-2-Diabetiker eine um 1,7 Jahre reduzierte Lebenserwartung an [6]. Die Lebenserwartung verkürzt sich mit jedem Jahrzehnt, um das die Erkrankung früher diagnostiziert wird, um drei bis vier Jahre [8].

Zudem ist bei Diabetikern das Tuberkuloserisiko verdreifacht. In einer indischen Studie waren 25 % der Tuberkulose-Patienten gleichzeitig Diabetiker [1].

Komorbiditäten (Begleiterkrankungen)

Die Komorbiditäten hängen stark mit dem Alter und der Erkrankungsdauer zusammen. Die häufigste Begleiterkrankung eines Typ-2-Diabetes ist die Hypertonie (Bluthochdruck) (83,8 %), gefolgt von Hyperlipidämien (Fettstoffwechselstörungen) (65,2 %), koronaren Herzkrankheit (27,1 %), arteriellen Verschlusskrankheit (10 %), chronischen Herzinsuffizienz (Herzschwäche) (8 %), Myokardinfarkt (Herzinfarkt) (6,9 %), Apoplex (Schlaganfall) (5,8 %), diabetischen Neuropathie (20,4 %), diabetischen Retinopathie (10,7 %) und der diabetischen Nephropathie (9,9 %) [3]. Des Weiteren haben heutzutage 2 von 3 Diabetes-Patienten eine Steatosis hepatis (Fettleber).
Zudem ist bei Diabetikern das Tuberkuloserisiko verdreifacht. In einer indischen Studie waren 25 % der Tuberkulose-Patienten gleichzeitig Diabetiker [1].

Hinweis: Da sich kardiovaskuläre und renale Erkrankungen sowie Adipositas und Typ-2-Diabetes gegenseitig stark beeinflussen, hat die American Heart Assosciations (AHA) ein „cardiovascular-kidney-metabolic“ (CKM) Syndrom (CKM-Syndrom) definiert und schlägt dafür gemeinsame Strategien bei Prävention und Management dieser Krankheiten vor [7]. 

Literatur

  1. World Diabetes Foundation: International Union against Tuberculosis and Lung Disease. 3. November 2015 (Bali, Indonesia)
  2. Tancredi M et al.: Excess Mortality among Persons with Type 2 Diabetes. N Engl J Med 2015;373:1720-32
  3. Disease-Management-Programme GbR: Brustkrebs, Diabetes mellitus Typ 1/Typ 2, Koronare Herzkrankheit, Asthma/COP. Qualitätssicherungsbericht 2010.  Düsseldorf: Nordrheinische Gemeinsame Einrichtung DMP; 2011
  4. Röckl S et al.: All-cause mortality in adults with and without type 2 diabetes: findings from the national health monitoring in Germany. BMJ Open Diab Res Care 2017;5:e000451. doi:10.1136/ bmjdrc-2017-000451
  5. Yuan C et al.: Diabetes, Weight Change, and Pancreatic Cancer Risk. JAMA Oncol. Published online August 13, 2020. doi:10.1001/jamaoncol.2020.2948
  6. Heald A et al.: Estimating life years lost to diabetes: outcomes from analysis of National Diabetes Audit and Office of National Statistics data. Cardiovascular Endocrinology & Metabolism 2020 doi: 10.1097/XCE.0000000000000210
  7. Ndumele CE et al.: Cardiovascular-Kidney-Metabolic Health: A Presidential Advisory From the American Heart Association Circulation 9 Oct 2023 https://doi.org/10.1161/CIR.0000000000001184Circulation. 2023;0
  8. Emerging Risk Factors Collaboration Life expectancy associated with different ages at diagnosis of type 2 diabetes in high-income countries: 23 million person-years of observation Lancet Diabetes & Endocrinology 2023;11(10):731-742

Leitlinien

  1. S3-Leitlinie: Lokaltherapie chronischer Wunden bei Patienten mit den Risiken periphere arterielle Verschlusskrankheit, Diabetes mellitus, chronische venöse Insuffizienz. (AWMF-Registernummer: 091 - 001), Juni 2012 Kurzfassung Langfassung
  2. Mozaffarian D, Ludwig DS: The 2015 US Dietary Guidelines: Lifting the Ban on Total Dietary Fat. JAMA. 2015 Jun 23-30;313(24):2421-2. doi: 10.1001/jama.2015.5941.
  3. S3-Leitlinie: Ernährungsempfehlung zur Behandlung des Diabetes mellitus – Empfehlungen zur Proteinzufuhr. (AWMF-Registernummer: 057 - 025), Oktober 2015 Thieme Verlag 2016
  4. S3-Leitlinie: Diagnostik, Therapie und Verlaufskontrolle des Diabetes mellitus im Kindes- und Jugendalter. (AWMF-Registernummer: 057 - 016), Oktober 2015 Langfassung
  5. USDA: 2015-2020 Dietary Guidelines for Americans. health.gov 2015
  6. Patienten-Leitlinie: Diabetes. Schäden an der Netzhaut: Vorbeugen und behandeln. Mai 2016. Patienten-Information zu Diabetes und Augen
  7. S2e-Leitlinie: Diabetes und Straßenverkehr. (AWMF-Registernummer: 057 - 026), Dezember 2017 Langfassung
  8. S3-Leitlinie: Chirurgie der Adipositas und metabolischer Erkrankungen. (AWMF-Registernummer: 088 - 001), Februar 2018 Langfassung
  9. S2k-Leitlinie: Diagnostik, Therapie und Verlaufskontrolle des Diabetes mellitus im Alter.  (AWMF-Registernummer: 057- 017), Juli 2018 Langfassung
  10. Deutsche Diabetes Gesellschaft: Praxisempfehlungen. Suppl Oktober 2019, S103-S324
  11. S3-Leitlinie: Nationale VersorgungsLeitlinie (NVL) Typ-2-Diabetes. (AWMF-Registernummer: nvl-001), Mai 2023 Langfassung