Medikamentöse Therapie
Reizdarmsyndrom

Therapieziel

  • Verbesserung der RDS-Symptomatik

Therapieempfehlungen

Die Verbesserung der RDS-Symptomatik geschieht am besten mit einer Beratung des Patienten und einer Ernährungsumstellung inkl. Einnahme von Probiotika (gemäß S3-Leitlinie: Evidenzgrad A, Empfehlungsstärke ↑, starker Konsens).

Beim RDS ohne Diarrhoe kann nach negativer Basisdiagnostik probatorisch eine symptomatische Behandlung begonnen werden.

Eine medikamentöse Therapie soll symptomorientiert erfolgen und nur kurzzeitig eingesetzt werden.

Ein medikamentöser Therapieversuch ohne Ansprechen sollte nach spätestens (!) 3 Monaten abgebrochen werden. 

Folgende Grundsätze sollten beachtet werden [S3-Leitlinie]:

  • Basistherapie: Ernährungsberatung, Reizdarm-bezogene Stressreduktion (MBSR [Mindfulness-based stress reduction] u.v.m. (s. u. Weitere Therapie)
  • Die Therapie richtet sich nach den prädominanten Symptomen.
  • Diarrhoe (Durchfall):
    • Trizyklische Antidepressiva zur Therapie der RDS-Symptome (Diarrhoe, Schmerz) sollten unterhalb der üblichen Dosis für eine antidepressive Wirkung eingesetzt werden. [Evidenzgrad A, Empfehlungsstärke ↑↑↑, starker Konsens]
    • Bei Diarrhoe können Loperamid und Colestyramin [Empfehlungsgrad B, starker Konsenseingesetzt werden.
    • Eluxadolin sollte zur Behandlung des Symptoms ‚Diarrhoe’ in ausgewählten Einzelfällen bei anderweitig therapierefraktärem RDS-D erwogen werden. [Empfehlungsgrad B, Konsens]
    • 5-HT3-Antagonisten sollten in ausgewählten Einzelfällen bei anderweitig therapierefraktärem RDS-D zur Behandlung der Symptome ‚Diarrhoe’ und ‚Bauchschmerzen’ versucht werden. [Empfehlungsgrad B, starker Konsens]
    • Eine Behandlung der Diarrhoe mit Probiotika (Nahrungsergänzungsmittel mit probiotischen Kulturen), kann durchgeführt werden. [Evidenzgrad A, Empfehlungsstärke ↑, starker Konsens]
    • Lösliche Ballaststoffe können zur Behandlung der Diarrhoe bei einem Diarrhoe-dominanten RDS verwendet werden. [Empfehlungsgrad 0, starker Konsens]
    • Eine Behandlung der Diarrhoe mit Antibiotika sollte eher nicht durchgeführt werden. [Evidenzgrad C, Empfehlungsstärke ↓, starker Konsens]
    • Probiotika können bei Kindern versucht werden, insbesondere bei postenteritischer Genese des Reizdarmsyndroms oder prädominanter Diarrhoe. [Evidenzgrad B, Empfehlungsstärke ↑, Konsens]
    • Rifaximin sollte bei der Behandlung des anderweitig therapierefraktären RDS ohne Obstipation erwogen werden [Empfehlungsgrad B]
  • Obstipation (Verstopfung):
    • Bei Erwachsenen mit Reizdarmsyndrom und überwiegend obstipativen Beschwerden sollten Ballaststoffe zur Behandlung eingesetzt werden. Dabei sollten lösliche Ballaststoffe bevorzugt verwendet werden. [Empfehlungsgrad B, starker Konsens]
      • Osmotische Laxantien vom Macrogoltyp können bei RDS-O gegeben werden. [Empfehlungsgrad A, starker Konsens]
      • Ballaststoffe in Form der wasserlöslichen Gelbildner wie z. B. Flohsamenschalen (Psyllium; 2-6 x tgl. 1 Messlöffel bzw. 1 Beutel; jeweils mit je 150 ml Wasser; Gesamtmenge: 10-30 g; auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr achten) sollten bei RDS-O versucht werden. [Evidenzgrad A, Empfehlungsstärke ↑, starker Konsens]
      • Andere osmotische oder „stimulierende" Laxantien sollen bei RDS-O je nach individueller Verträglichkeit empfohlen werden [Empfehlungsgrad B, starker Konsens]
    • Bei RDS vom Obstipationstyp ("Verstopfungstyp") sollen trizyklische Antidepressiva nicht verschrieben werden. [Evidenzgrad A, Empfehlungsstärke ↓↓, Konsens]
    • Bei RDS-Obstipation können Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) insbesondere bei im Vordergrund stehenden Schmerzen und/oder psychischer Komorbidität eingesetzt werden [Evidenzgrad B, Empfehlungsstärke ↑, Konsens]
    • Der 5-HT4-Agonist Prucaloprid sollte zur Behandlung des Symptoms „Obstipation“ versucht werden, wenn konventionelle Laxantien nicht wirken oder nicht vertragen werden. [Empfehlungsgrad B, starker Konsens]
    • Lubiproston aus der Gruppe der Chloridkanal-Aktivatoren sollte bei guter Wirksamkeit für das Symptom ‚Obstipation’ aber fehlender Zulassung und eingeschränkter Verfügbarkeit in Deutschland in ausgewählten Einzelfällen bei anderweitig therapierefraktärem RDS-O erwogen werden. [Empfehlungsgrad B, Konsens]
    • Spasmolytika können auch zur Therapie von Patienten mit RDS-O eingesetzt werden. [Evidenzgrad A, Empfehlungsstärke ↑, starker Konsens]
    • Probiotika können bei Patienten mit RDS-O versucht werden. [Evidenzgrad A, Empfehlungsstärke ↑, starker Konsens]
      Anstatt trizyklischen Antidepressiva sollten, wenn indiziert, Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) eingesetzt werden. Weitere psychoaktive Substanzen sollten nicht eingesetzt werden.
    • Nicht resorbierbare Antibiotika (z. B. Rifaximin, Neomycin) sollten bei Patienten mit RDS-O eher nicht gegeben werden. [Evidenzgrad A, Empfehlungsstärke ↓, Konsens]
  • Abdominelle Schmerzen (Bauchschmerzen):
    • Zur Behandlung des Symptoms ‚Bauchschmerzen’ sollen Spasmolytika empfohlen werden. [Empfehlungsgrad A, Konsens]
    • Pfefferminzöl hat sich als wirksam zur Behandlung vor allem der RDS Symptome „Schmerz“ und „Blähungen“ erwiesen und soll erwogen werden. [Empfehlungsgrad A, starker Konsens]
    • Eine Behandlung von Schmerzen mit peripheren Analgetika/Schmerzmittel (Acetylsalicylsäure (ASS), Paracetamol, NSAR (nichtsteroidale Antirheumatika), Metamizol) sollte nicht durchgeführt werden.
    • Das trizyklische Antidepressivum Amitriptylin kann bei Erwachsenen zur Therapie von Schmerzen eingesetzt werden. [Empfehlungsgrad B, starker Konsens]
      Beachte:
      Beim Reizdarmsyndrom mit Obstipation (RDS-O) sollte kein Amitryptilin aufgrund des Risikos schwerer Obstipationen
    • eingesetzt werden (wg. Wirkungsmechanismus von Trizyklika)
    • Bauchschmerzen und Blähungen empfohlen werden. [Empfehlungsgrad B, Konsens]
    • 5-HT3-Antagonisten sollten in ausgewählten Einzelfällen bei anderweitig therapierefraktärem RDS-D zur Behandlung der Symptome "Diarrhoe" und "Bauchschmerzen" versucht werden. [Empfehlungsgrad B, starker Konsens]
    • Eine Behandlung von Schmerzen mit löslichen Ballaststoffen kann durchgeführt werden. [Evidenzgrad A, Empfehlungsstärke ↑, starker Konsens]
    • Eine Behandlung von Schmerzen mit Probiotika (Nahrungsergänzungsmittel mit probiotischen Kulturen), kann durchgeführt werden [Evidenzgrad A, Empfehlungsstärke ↑, starker Konsens]
    • Bei Schmerzen können Spasmolytika, trizyklische Antidepressiva, SSRI, Ballaststoffe oder Probiotika eingesetzt werden. Auch Phytotherapeutika können eingesetzt werden. Analgetika sollten nicht eingesetzt werden.
    • Eine Therapie von Schmerzen mit Antibiotika sollte eher nicht durchgeführt werden. [Evidenzgrad A, Empfehlungsstärke ↓, Konsens]
  • Blähungen/abdominelle Distension/Flatulenz:
    • Pfefferminzöl hat sich als wirksam zur Behandlung vor allem der RDS Symptome „Schmerz“ und „Blähungen“ erwiesen und soll erwogen werden. [Empfehlungsgrad A, starker Konsens]
    • Der Guanylatzyklase-C-Agonist Linaclotid sollte bei Laxantien-refraktärer Obstipation und insbesondere bei begleitenden Bauchschmerzen und Blähungen empfohlen werden. [Empfehlungsgrad B, Konsens]
    • SSRI sollten eher nicht zur Behandlung von Blähungen/Meteorismus eingesetzt werden. [Evidenzgrad B, Empfehlungsstärke ↓, Konsens]
    • Eine effektive medikamentöse Therapie der Obstipation bzw. der Diarrhoe des RDS-Patienten kann auch die Beschwerden aus dem Symptombereich Blähungen/abdominelle Distension (Ausdehnung bzw. Überdehnung)/Meteorismus/Flatulenz ("Winde") bessern. [Evidenzgrad A, Empfehlungsstärke ↑, starker Konsens]
    • Eine Therapie mit Probiotika (Nahrungsergänzungsmittel mit probiotischen Kulturen), kann zur Besserung von Blähungen/ abdomineller Distension/Meteorismus/Flatulenz führen. [Evidenzgrad B, Empfehlungsstärke ↑, starker Konsens]
    • Cholinergika/Parasympatikomimetika sollten nicht zur Therapie von Blähungen/abdomineller Distension/Meteorismus/Flatulenz verordnet werden. [Evidenzgrad A, Empfehlungsstärke ↓, starker Konsens]
    • Eine Therapie mit dem nicht resorbierbaren Antibiotikum Rifaximin kann in therapierefraktären Fällen zur Behandlung von Blähungen/ abdomineller Distension/Meteorismus/Flatulenz versucht werden. [Evidenzgrad A, Empfehlungsstärke ↑, Konsens]
    • Eine Therapie von Blähungen/abdomineller Distension/Meteorismus/Flatulenz mit Pankreasenzymen soll bei RDS nicht erfolgen. [Evidenzgrad D, Empfehlungsstärke ↓↓↓, starker Konsens]
    • Analgetika sollten nicht zur Behandlung von Blähungen/abdomineller Distension/Meteorismus/Flatulenz gegeben werden. [Evidenzgrad B, Empfehlungsstärke ↓, starker Konsens]
  • Bei Vorliegen einer psychischen Komorbidität/Begleiterkrankung (Depression, Angststörungen) können Antidepressiva (Arzneimittel, die zur Behandlung von Depressionen) verschrieben werden. [Evidenzgrad A, Empfehlungsstärke ↑, starker Konsens]
  • Siehe auch unter "Weitere Therapie".

Weitere Wirkstoffe

  • Gemäß einer Netzwerk-Metaanalyse waren Linaclotid (290 µg, einmal täglich), Lubiproston (8 µg, zweimal täglich), Tenapanor (50 mg, zweimal täglich) und Tegaserod (6 mg, zweimal täglich) bezüglich der Linderung des Symptoms Blähbauch der Placebomedikation überlegen [5].
  • Es gibt es Hinweise, dass das topische Antibiotikum Rifaximin (Dauer: 2-3 mal tgl., 1-2 Wochen, 1-2 Tabl. à 200 mg; Therapie kann bei Bedarf in Zyklen wiederholt werden) die Symptome (Gasbildung und abdominale Beschwerden) des RDS ohne Obstipation reduzieren kann [4].
    Beachte: Sollte nur eingesetzt werden, wenn eine gesicherte bakterielle Überwucherung im Dünndarm (bakterielles Überwucherungssyndrom; Dysbiose) vorliegt und weitere Therapiemaßnahmen ohne Erfolg geblieben sind!

Allgemeine Hinweise

  • Präbiotika: Für die Behandlung des Reizdarms kann diesbezüglich keine Empfehlung abgegeben werden.
  • Probiotika: aufgrund wachsender Erkenntnisse und einer verbesserten Studienlage ist der Empfehlungsgrad für den Einsatz ausgewählter Probiotika von 0 (Kann-Empfehlung auf B (Sollte-Empfehlung) gestiegen.
  • Ausgewählte Probiotika können eingesetzt werden: Wahl des Stammes nach der Symptomatik (gemäß S3-Leitlinie)
  • Phytotherapeutika können versucht werden

Wirkstoffe, die bei einem Reizdarmsyndrom nicht eingesetzt werden sollten

Folgende Wirkstoffe sollten nicht beim Reizdarmsyndrom mit Diarrhoe eingesetzt werden:

  • Antibiotika
  • Aloe Vera
  • Racecadotril
  • TCM Kräutertherapie

Folgende Wirkstoffe sollten beim Reizdarmsyndrom mit Obstipation nicht eingesetzt werden:

  • Domperidon
  • Nicht resorbierbare Antibiotika

Folgende Wirkstoffe sollten nicht beim RDS mit Schmerzen eingesetzt werden:

  • Aloe Vera
  • Analgetika (Paracetamol, NSAR, Metamizol)
  • Amitriptylin sollte nicht bei Kindern/Jugendlichen eingesetzt werden
  • Antibiotika
  • Opioid-Analgetika
  • µ-Opioid-Agonisten
  • Pregabalin/Gabapentin
  • Pankreasenzyme

Folgende Wirkstoffe sollten nicht beim RDS mit Blähungen/abdominelle Distension/Flatulenz eingesetzt werden:

  • Analgetika/Schmerzmittel (Paracetamol, NSAR, Metamizol)
  • Antihistaminika
  • Cholinergika/Parasympathomimetika
  • Entschäumende Substanzen (Simetikon, Dimetikon)

Phytotherapeutika

Positiv auf den Darm beim Reizdarmsyndrom wirken:

  • Pfefferminze (Pfefferminzöl) – wirksam zur Behandlung vor allem der RDS-Symptome "Schmerz" und "Blähungen" [Empfehlungsgrad A, starker Konsens]
  • Anis
  • Berberin – bei Schmerzen, Diarrhoe (Durchfall) und bei globalen RDS-Symptomenkomplex
  • Fenchel
  • Kamille
  • Kümmel – als heiße Kümmelauflagen
  • Kurkuma (Curcuma longa; enthält insb. Curcumin)
  • Melisse
  • Schleifenblume

Wirkstoffe, die beim Reizdarmsyndrom in Kombination eingesetzt werden, sind z. B. das Pfefferminzöl und das Kümmelöl.

Supplemente (Nahrungsergänzungsmittel; Vitalstoffe)

Geeignete Nahrungsergänzungsmittel für die Darmgesundheit sollten die folgenden Vitalstoffe enthalten:

  • Vitamine (A, E, D3)
  • Mineralstoffe (Calcium)
  • Weitere Vitalstoffe (Probiotische Kulturen: Laktobazillen, Bifidobakterien)

Beachte: Die aufgeführten Vitalstoffe sind kein Ersatz für eine medikamentöse Therapie. Nahrungsergänzungsmittel sind dazu bestimmt, die allgemeine Ernährung in der jeweiligen Lebenssituation zu ergänzen.

Eine Leitlinie gibt eine klare positive Empfehlung für die Mikrobiommodulation durch ausgewählte probiotische Bakterienstämme [Leitlinie: Klammer et al.].

Für Fragen zum Thema Nahrungsergänzungsmittel stehen wir Ihnen gerne kostenfrei zur Verfügung.

Nehmen Sie bei Fragen dazu bitte per E-Mail – info@docmedicus.de – Kontakt mit uns auf, und teilen Sie uns dabei Ihre Telefonnummer mit und wann wir Sie am besten erreichen können.

Literatur

  1. Gill HS, Guarner F: Probiotics and human health: a clinical perspective. Postgrad Med J. 2004 Sep;80(947):516-26
  2. O'Mahonyet L al.: Lactobacillus and bifidobacterium in irritable bowel syndrome: symptom responses and relationship to cytokine profiles. Gastroenterology. 2005 Mar;128(3):541-51
  3. Kajander K et al.: A probiotic mixture alleviates symptoms in irritable bowel syndrome patients: a controlled 6-month intervention. Aliment Pharmacol Ther. 2005 Sep 1;22(5):387-94
  4. Pimentel M et al.: Pharm.D. for the TARGET Study Group: Rifaximin Therapy for Patients with Irritable Bowel Syndrome without Constipation. N Engl J Med 2011; 364:22-32January 6, 2011
  5. Nelson AD et al.: Systematic review and network meta-analysis: efficacy of licensed drugs for abdominal bloating in irritable bowel syndrome with constipation. Aliment Pharmacol Ther. 2021 Jul;54(2):98-108

Leitlinien

  1. S3-Leitlinie: Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie des Reizdarmsyndroms. (AWMF-Registernummer: 021-016), März 2021 Langfassung
  2. Krammer H. et al.: Reizdarmsyndrom – neue Leitlinie und Stellenwert von Probiotika. Springer Link coloproctology 45, 340-349. 2023.

     
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