Phäochromozytom – Medikamentöse Therapie

Therapieziele

  • Therapie und Prävention hypertensiver Krisen (Blutdruckkrisen)
  • Vermeidung von kardiovaskulären (Herz-Kreislauf-) und endokrinen (hormonellen) Komplikationen
  • Kontrolle bzw. Remission der Tumorerkrankung (Krebserkrankung) (kurativ (heilend) durch Operation, palliativ (lindernd) bei metastasierter Erkrankung (mit Tochtergeschwülsten))

Therapieempfehlungen

  • Primäre kurative Therapie: operative Entfernung des Phäochromozytoms/Paraganglioms (Tumor des Nebennierenmarks bzw. Nervenzelltumor außerhalb der Nebenniere) nach adäquater präoperativer (vor einer Operation) Blutdruck- und Volumeneinstellung.
  • Bei akuten hypertensiven Krisen: Nitroprussidnatrium i.v. (kurz wirksamer Vasodilatator (Gefäßerweiterer)) unter intensivmedizinischer Überwachung (Überwachung auf der Intensivstation); alternativ kurzwirksame intravenöse Vasodilatatoren (z. B. Urapidil i.v., Nicardipin i.v.) je nach Verfügbarkeit und Leitlinie.
  • Präoperative Blockade der Alpha-Rezeptoren: Phenoxybenzamin (nicht-selektiver, irreversibler Alphablocker (blutdrucksenkendes Medikament)) oder selektive Alpha1-Blocker (bestimmte blutdrucksenkende Medikamente) (z. B. Doxazosin, Prazosin) für 7-14 Tage vor der Operation, mit schrittweiser Dosistitration bis zur Blutdruckkontrolle und Auftreten leichter orthostatischer Beschwerden; ergänzend Betablocker (Puls- und Blutdrucksenker) (z. B. Propranolol, Metoprolol) erst nach etablierter Alpha-Blockade bei Tachykardie (Herzrasen).
  • Falls der Patient nicht operiert werden kann:
    • Langzeittherapie (dauerhafte Behandlung) mit Alphablockern zur Vermeidung von Bluthochdruckkrisen: Phenoxybenzamin, Prazosin oder andere selektive Alpha1-Blocker (z. B. Doxazosin).
    • Ggf. Ergänzung durch Calciumantagonisten (Calciumkanalblocker) (z. B. Amlodipin, Nicardipin) oder andere Antihypertensiva (blutdrucksenkende Medikamente) je nach Blutdruckprofil.
    • Bei persistierendem, therapieresistentem Katecholaminexzess (Übermaß an Stresshormonen): Zusatz von alpha-Methyl-p-Tyrosin (Metyrosin) zur Hemmung der Tyrosinhydroxylase (Schlüsselenzym der Katecholaminsynthese) (Off-Label-Use (Anwendung außerhalb der Zulassung); in Deutschland nicht zugelassen).
  • Bei metastasiertem, lokal fortgeschrittenem (örtlich weit fortgeschrittenem) oder inoperablem (nicht operativ entfernbarem) Phäochromozytom/Paragangliom:
    • Radionuklidtherapie (radioaktive Therapie) mit Iobenguan I-131 (Iobenguane I-131, z. B. Azedra) bei geeignetem MIBG-aufnehmendem Tumor.
    • Somatostatinrezeptor-gerichtete Radionuklidtherapie (gezielte radioaktive Therapie über Somatostatinrezeptoren) (z. B. 177Lutetium-DOTATATE) bei somatostatinrezeptorpositiven Tumoren.
    • Systemische Chemotherapie (medikamentöse Krebsbehandlung im ganzen Körper) (z. B. CVD-Schema: Cyclophosphamid, Vincristin, Dacarbazin) oder Tyrosinkinase-Inhibitoren (Zellteilungshemmer) (z. B. Sunitinib, Cabozantinib) bei progredienter metastasierter Erkrankung (fortschreitender Erkrankung mit Tochtergeschwülsten).
    • HIF-2α-Inhibitor (HIF-2α-Hemmstoff) Belzutifan als neue Option bei fortgeschrittenem, inoperablem oder metastasiertem Phäochromozytom/Paragangliom mit Progress nach Vortherapien (siehe unten „Weitere Hinweise“ und Literatur [2]).

Weitere Hinweise

  • Die Ergebnisse einer Phase-2-Studie (frühe klinische Studie) deuten darauf hin, dass die Behandlung mit dem Radiopharmakon (radioaktives Arzneimittel) Iobenguan (gekoppelt mit dem Isotop Jod 131) die Zellen eines Phäochromozytoms oder Paraganglioms soweit zerstören kann, dass eine deutliche Dosisreduktion der Antihypertensiva möglich ist [1]. Bei Iobenguan handelt es sich um eine Variante des Neurotransmitters Noradrenalin, die an Transporter/Rezeptoren auf den Tumorzellen bindet. Die Therapie eines malignen Phäochromozytoms (bösartiger Tumor des Nebennierenmarks) mit Iobenguan kann die Erkrankung nicht heilen, aber die Symptome und die katecholaminvermittelte Hypertonie (Bluthochdruck) lindern.
  • In der internationalen Phase-2-Studie LITESPARK-015 zeigte der HIF-2α-Inhibitor Belzutifan bei 72 Patienten mit metastasiertem, progredientem (fortschreitendem) Phäochromozytom/Paragangliom eine objektive Ansprechrate (messbare Ansprechrate des Tumors) von etwa 26 %, bei weiteren ca. 58 % kam es zu einer Krankheitsstabilisierung, sodass eine Krankheitskontrolle von rund 85 % erreicht wurde [2]. Die mediane Ansprechdauer lag bei etwa 20 Monaten, das mediane progressionsfreie Überleben (krebskontrollierte Überlebenszeit) bei gut 22 Monaten; die 24-Monats-Gesamtüberlebensrate (Überlebenswahrscheinlichkeit insgesamt nach 24 Monaten) betrug rund 76 %. Bei etwa einem Drittel der Patienten konnte die Dosis mindestens eines Antihypertensivums um ≥ 50 % reduziert werden. Häufige Nebenwirkungen (unerwünschte Wirkungen) (≥ Grad 3) waren Anämie (Blutarmut), Hypoxie (Sauerstoffmangel) und Fatigue (ausgeprägte Müdigkeit). Belzutifan wird oral verabreicht und ist in den USA für lokal fortgeschrittenes, inoperables oder metastasiertes Phäochromozytom/Paragangliom zugelassen; für Europa ist die Zulassungssituation zu beachten.

Wirkstoffe (Hauptindikation)

Wirkstoffe
Besonderheiten
Präoperativ  
Phenoxybenzamin
(Alphablocker)
Nicht-selektiver, irreversibler Alphablocker; ausgeprägte orthostatische Hypotonie (Blutdruckabfall beim Aufstehen) und Reflextachykardie (Herzrasen als Gegenreaktion) möglich; frühzeitige Salz- und Volumensubstitution (Ausgleich von Salz- und Flüssigkeitsmangel) zur Prävention postoperativer Hypotonie (Blutdruckabfall nach der Operation) empfohlen.
Zur Einstellung des Blutdrucks, falls keine Operation möglich  
Phenoxybenzamin
(Alphablocker)
Langzeittherapie nur bei nicht resektablen/metastasierten Tumoren; Überwachung auf orthostatische Hypotonie und Herzfrequenz.
Prazosin
(Alphablocker)
Selektiver Alpha1-Blocker; geringeres Risiko anhaltender orthostatischer Hypotonie als Phenoxybenzamin; „First-Dose-Hypotonie“ beachten (erste Dosis abends, im Liegen). Anwendung in Schwangerschaft/Stillzeit nur nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung.
  • Wirkweise Phenoxybenzamin: irreversibler, nicht-selektiver Alpha-Rezeptor-Antagonist mit Blockade v. a. der Alpha1-adrenergen Rezeptoren und Aufhebung der Katecholamin-induzierten Vasokonstriktion (Gefäßverengung).
  • Nebenwirkungen: Tachykardie, orthostatische Hypotonie, Miosis (Pupillenverengung), gastrointestinale Beschwerden (Magen-Darm-Beschwerden), verstopfte Nase, Müdigkeit.
  • Wirkweise Prazosin: selektiver Antagonist an Alpha1-Adrenozeptoren; hemmt die durch Adrenalin und Noradrenalin vermittelte Kontraktion von Blutgefäßen; positiver Effekt auf Symptome des Raynaud-Syndroms (Durchblutungsstörung an Fingern und Zehen).
  • Nebenwirkungen: Hypotonie, Müdigkeit, Schwächegefühl, Gewichtszunahme, Nasenbluten, Tinnitus (Ohrgeräusche), Ödeme (Wassereinlagerungen), Bronchospasmen (Verengung der Bronchien).

Literatur

  1. Pryma D et .: Azedra (iobenguane I 131) in patients with malignant, recurrent and/or unresectable pheochromocytoma or paraganglioma (PPGL): Updated efficacy and safety results from a multi-center, open-label, pivotal phase 2 study. J Clin Oncol 36, 2018 (suppl; abstr 4005)
  2. Jimenez C, Andreassen M, Durand A et al: LITESPARK-015 Investigators. Belzutifan for advanced pheochromocytoma or paraganglioma. N Engl J Med. 2025;393(20):2012-2022. doi: https://doi.org/10.1056/NEJMoa2504964