Ursachen
Gebärmutterkrebs (Endometriumkarzinom)

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Beim Endometriumkarzinom handelt es sich um eine maligne Neoplasie (bösartige Neubildung) des epithelialen Anteils des Endometriums (Gebärmutterschleimhaut). Dabei werden zwei Typen unterschieden:

  • östrogenassoziiertes Typ-I-Karzinom  [Östrogen- und/oder Progesteronrezeptoren: meist positiv]
  • östrogenunabhängiges  Typ-II-Karzinom [Östrogen- und/oder Progesteronrezeptoren: meist negativ oder schwach positiv]

Das nachfolgende dualistische und molekulare Modell des Endometriumkarzinoms beruht auf den Aussagen der aktuellen S3-Leitlinie.

Typ I

Das östrogenassoziierten Typ-I-Karzinom (90 % aller Endometriumkarzinome) gehört histopathologisch zu den endometrioiden Adenokarzinomen (ggf. mit plattenepithelialer Komponente). Eine andauernde Stimulation mit endogenen oder exogenen Östrogenen (Hyperöstrogenismus) führt zu einer vermehrten Proliferation ("schnelles Wachstum") des Endometriums d. h. zur Hyperplasie ("übermäßige Zellbildung") und ggf. über eine atypische Endometriumhyperplasie zu maligne ("bösartige") veränderten Zellen. Dieser Mechanismus wird durch das Fehlen von Gestagenen noch verstärkt.

Alter der Patientinnen: 55-65 Jahre.

Die Endometriumhyperplasie wird wie folgt unterteilt:

  • einfache Hyperplasie (Karzinomrisiko < 1 %)
  • komplexe Hyperplasie ohne Atypien (Karzinomrisiko ca. 2 %)
  • komplexe Hyperplasie mit Atypien (Karzinomrisiko ca. 30 %)

Typische Krankheiten, die über eine atypische Endometriumhyperplasie zu diesem Karzinom führen, sind Adipositas und anovulatorische Zyklen (bei z. B. PCO-Syndrom); des Weiteren Diabetes mellitus (metabolisches Syndrom) und Hypertonie (Bluthochdruck) bzw. die Einnahme von partiellen Östrogen-Agonisten (z. B. Tamoxifen) oder einer Östrogen-Hormonersatztherapie.

(Die  frühere Nomenklatur der Endometriumhyperplasie – „hochgradige oder atypische adenomatöse Hyperplasie“ – ist obsolet).

Die atypische Hyperplasie des Endometriums gilt als Präkanzerose (Gewebeveränderung oder ein Tumor, der eine mögliche Vorstufe einer Krebserkrankung darstellt) des endometrioides Adenokarzinoms (Typ-I-Karzinom)

Histologischer Subtyp: endometrioid; molekulare Alterationen: PTEN, ARID-1A, MSI; molekulare Typ: NSMP, MMR-defizient, POLE mutiert

Stadium: meist FIGO I

Typ II

Etwa 10 % der Endometriumkarzinome gehören zu den östrogenunabhängigen Typ-II-Karzinom. Dieses gehört histopathologisch zu den serösen oder klarzelligen Karzinomen, die per definitionem als gering differenziert klassifiziert werden. Es geht meist aus dem endometrialen intraepithelialen Karzinom (EIC) im atrophischen Endometrium ("verkümmerte" Gebärmutterschleimhaut) hervor.
Patienten mit einem Typ-II-Karzinom sind in der Regel älter, meistens schlank und haben damit nicht die Risikofaktoren der Östrogendominanz. Risikofaktoren für das Typ-II-Karzinom sind das Alter und eine vorangegangene Radiatio (Strahlentherapie) des Uterus (z. B. wg. Cervixkarzinom).

Alter der Patientinnen: 65-75 Jahre.

Das Carcinoma in situ (Tis) des Endometriums gilt als Präkanzerose des serösen, klarzelligen Typ-II-Karzinoms.

Beachte: Typ-II-Endometriumkarzinome haben im Gegensatz zu den Typ-I-Endometriumkarzinome auch in frühen Tumorstadien eine sehr schlechte Prognose.

Histologischer Subtyp: serös, klarzellig; molekulare Alterationen: p53, HER2, PIK3CA; molekulare Typ: P53 mutiert (serous-like)

Stadium: meist ≥ FIGO II

Weiteres

Inzwischen werden mit molekularen Kriterien vier prognostisch unterschiedliche Endometriumkarzinomtypen differenziert (s. u. Labordiagnostik). Zur Feststellung derselben kann bereits das Abradat (Material der Ausschabung) untersucht werden.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Genetische Belastung durch Eltern, Großeltern (positive Familienanamnese hinsichtlich Endometriumkarzinom und/oder Kolonkarzinom/Darmkrebs)
    • Man schätzt, dass etwa 5 (-10) Prozent aller Patientinnen mit Endometriumkarzinom ein erhöhtes genetisches Risiko aufweisen. Ein erhöhtes Risiko besteht, wenn eine Frau bereits zuvor an einem Kolonkarzinom oder Mammakarzinom (Brustkrebs; BRCA-Gen) erkrankt ist.
      • Trägerinnen von BRCA-Mutationen haben ein um den Faktor 2 bis 3-fach erhöhtes Risiko für ein Endometriumkarzinom; Lebenszeitrisiko, an einem Endometriumkarzinom zu erkranken, beträgt für solche Frauen ca. 3 % [5].
    • HNPCC-Syndrom (engl. heredetery non-polyposis colorectal cancer; hereditäres kolorektales Karzinom ohne Polyposis, auch als "Lynch-Syndrom" bezeichnet) – genetische Erkrankung mit autosomal-dominantem Erbgang; neben dem erhöhten Risiko für frühe kolorektale Karzinome (Karzinome des Colons (Darm) und des Rektums (Mastdarms)) erkranken Mutationsträgerinnen gehäuft an einem Endometrium- und Ovarialkarzinom (Gebärmutterschleimhaut- und Eierstockkrebs). [Typ-I-Karzinom]
      Beachte: Das mittlere Erkrankungsrisiko für eine Endometriumkarzinom beträgt in solchen Fällen ca. 45 Jahre.
  • Lebensalter – höheres Alter (> 65 Jahre) bei Typ-II-Endometriumkarzinom); 55-65 Jahre bei Typ-I-Endometriumkarzinom
  • Sozioökonomische Faktoren – hoher sozioökonomischer Status
  • Hormonelle Faktoren
    • frühe Menarche (erste Regelblutung)
    • häufige Zyklusanomalien [insb. anovulatorische Zyklen/Zyklen ohne Eisprung]
    • Nulliparität (Kinderlosigkeit)
    • lange Lebensphase mit Menstruationsblutungen/späte Menopause (letzte Regelblutung)

Verhaltensbedingte Ursachen 

  • Ernährung
    • Lebensmitteln mit Acrylamid (Gruppe-2A-Karzinogen) – dieses wird metabolisch zu Glycidamid aktiviert, einem genotoxischen Metaboliten; es wurde ein Zusammenhang zwischen einer Exposition gegenüber Acrylamid und dem Risiko für ein Endometriumkarzinom (Typ-I-Karzinom) für Patientinnen nachgewiesen, die weder Raucher sind noch orale Kontrazeptiva  eingenommen haben [3]
    • Glykämische Last (GL; diese bezieht nicht nur die Art der Kohlenhydrate mit ein, sondern auch die Menge an Kohlenhydraten pro Portion eines Lebensmittels)  wahrscheinlich erhöhtes Risiko für das Endometriumkarzinom
    • Mikronährstoffmangel (Vitalstoffe) – siehe Prävention mit Mikronährstoffen
  • Körperliche Aktivität
    • “Vielsitzer" (66 % höheres Risiko durch Sitzen beim Fernsehschauen; 32 % Risikoerhöhung für die Gesamtsitzzeit) [2]
  • Psycho-soziale Situation
    • Nachtarbeit?
  • Übergewicht (BMI ≥ 25; Adipositas), Fettleibigkeit
    • Anstieg des BMI (Body-Mass-Index; Körpermasse-Index) um 5 kg/m2 steigert das Risiko um relativ 59 % [1]
    • Adipositas ist mit einem früheren Alter zum Zeitpunkt der Diagnose von endometrioiden Endometriumkarzinomen assoziiert [4]
    • Studie auf Grundlage der Mendelschen Randomisierung von Frauen, die ihr Leben lang übergewichtig waren, konnte ein fast zweifach erhöhtes Risiko an einem Endometriumkarzinom zu erkranken, nachweisen: Jeder Anstieg des BMI um 5 kg/m2 erhöhte das Erkrankungsrisiko um 88 % (Odds Ratio 1,88; 1,69-2,09) [10].
  • Verschiedene Studien belegen einen Zusammenhang zwischen starkem Übergewicht (BMI > 30) und Endometriumkarzinom (Gebärmutterkrebs) [7]. Dabei spielt auch die Fettverteilung, der Taillen-Hüft-Umfang (THQ; englisch: waist-to-hip-ratio (WHR); androide Körperfettverteilung, das heißt abdominales/viszerales, stammbetontes, zentrales Körperfett (Apfeltyp)), eine wesentliche Rolle, denn Fettgewebe kann Östrogene produzieren. Durch den Überschuss kann sich das Risiko für Tumorerkrankungen erhöhen [8]. Ein zu hoher Körperfettanteil (bei Frauen ≥ 30 % des Körpergewichts) kann das Entstehen einer Insulinresistenz begünstigen. Insulin könnte das Zellwachstum fördern [9].
    • Bei der Messung des Taillenumfangs gemäß der Richtlinie der International Diabetes Federation (IDF, 2005) gelten folgende Normwerte:
      • Frauen < 80 cm
    • Die Deutsche Adipositas-Gesellschaft veröffentlichte 2006 etwas moderatere Zahlen für den Taillenumfang: 88 cm bei Frauen.

Krankheitsbedingte Ursachen

  • Atypische Endometriumhyperplasie (krankhafte Veränderungen der Gebärmutterschleimhaut, mit atypischen Veränderungen auf zellulärer Ebene), die in circa einem Drittel der Fälle in ein Endometriumkarzinom übergeht
  • Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit)
  • Infertilität
  • Leberfunktionsstörungen
  • Mammakarzinom (Brustkrebs)
  • Metabolisches Syndrom – klinische Bezeichnung für die Symptomkombination Adipositas (Übergewicht), Hypertonie (Bluthochdruck), erhöhte Nüchternglucose (Nüchternblutzucker) und Nüchterninsulin-Serumspiegels (Insulinresistenz) und Fettstoffwechselstörung (erhöhte VLDL-Triglyceride, erniedrigtes HDL-Cholesterin). Des Weiteren ist häufig auch eine Koagulationsstörung (vermehrte Gerinnungsneigung), mit einem erhöhten Risiko für Thromboembolien nachzuweisen.
  • Östrogen- und androgenproduzierende Tumoren
  • PCO-Syndrom (Polyzystisches Ovar-Syndrom oder Stein-Leventhal-Syndrom) – bezeichnet einen Symptomenkomplex, der durch eine hormonelle Funktionsstörung der Ovarien (Eierstöcke) gekennzeichnet ist, bei der es u. a. zu einer Zystenbildung in den Ovarien (Eierstöcken) und anovulatorischen Zyklen (Zyklen ohne Eisprünge) kommt

Labordiagnosen – Laborparameter, die als unabhängige Risikofaktoren gelten

  • Gesamttestosteron: Odds Ratio von 1,64 (1,43 bis 1,88) und für das bioverfügbare Testosteron eine Odds Ratio von 1,46 (1,29 bis 1,65) für einen Anstieg um jeweils 1 nmol/l [10]
  • Gestörte Glukosetoleranz
  • Östradiol ↑ 
  • Nüchterninsulin ↑ [5]: Odds Ratio von 3,93 (2,29-6,74) pro pmol/l war mit einem Endometrium­karzinom assoziiert.
    • Dagegen senkte ein erhöhtes sexualhormonbindendes Globulin (SHBG) das Risiko (Odds Ratio 0,71; 0,59-0,85 pro nmol/l) [10]

Medikamente

  • Hormonersatztherapie (HET; engl.: hormone replacement therapy (HRT))
    • alleinige Hormontherapie mit Östrogenen ohne Gestagenschutz bei nicht hysterektomierten Frauen (Frauen, deren Gebärmutter nicht entfernt wurde)
      • bei nicht-hysterektomierten postmenopausalen Frauen besteht unter Östrogenmonotherapie nach 3 Jahren Einnahmedauer bereits ein 5-faches, nach 10 Jahren ein 10-faches Erkrankungsrisiko (Lit. s. u. Klimakterium/Menopause: Malignome mit erhöhtem Erkrankungsrisiko)
      • Hinweis: kontinuierlich-kombiniertes HRT mit konjugierten equinen Östrogenen (0,625 mg CEE) und Medroxyprogesteronacetat (2,5 mg MPA) als Gestagen führte nach 13 Jahren Nachbeobachtungszeit zu einem signifikant reduzierten Endometriumkarzinom-Risiko (Women’s-Health-Initiative(WHI)-Studie)
    • Sequenziell-kombinierte HRT: erhöhtes Endometriumkarzinom-Risiko im Vergleich zu keiner Therapie.
      • Die Langzeitanwendung einer kontinuierlich-kombinierten Hormonersatztherapie > 6 Jahre bzw. > 10 Jahre kann zu einem erhöhten Endometriumkarzinomrisiko führen.
    • Die Verwendung von mikronisiertem Progesteron oder Dydrogesteron im Rahmen einer kontinuierlich-kombinierten Hormontherapie kann das Risiko der Entstehung eines Endometriumkarzinoms erhöhen (wg. unzureichender Endometriumprotektion).
  • Tamoxifen-Therapie beim Mammakarzinom (Brustkrebs) – gering erhöhtes Risiko, wenn die Einnahmedauer > 5 Jahre ist
    • Tamoxifen erhöhte bei koreanischen Frauen, die vor der Menopause im Rahmen einer Hormontherapie des Mammakarzinoms mit Tamoxifen behandelt wurden das Risiko auf ein Endometriumkarzinom: Hazard Ratios betrugen 5,56 (5,06-6,12) für eine Hyperplasie, 3,77 (3,04-4,66) für ein Endometriumkarzinom, 2,27 (1,54-3,33) für andere Uteruskarzinome [12].
  • Langzeiteinnahme von Tibolon (östrogener Wirkstoff, der zur Behandlung der Symptome des Östrogenmangels infolge der Menopause eingesetzt wird) 

Umweltbelastung – Intoxikationen (Vergiftungen)

  • Chemische Haarglätter (endokrine Disruptoren: Parabene und Bisphenol A; Metalle und Formaldehyd – Prävalenz bis zum Alter von 70 Jahren wird mit 4,05 % angegeben gegenüber 1,64 % bei den Frauen, die nie Haarglätter benutzten [11].

Weitere Ursachen

  • Strahlentherapie im Bereich des Beckens und des Abdomens (Bauchraum) (bei Typ-II-Endometriumkarzinom)

Literatur

  1. Renehan AG, Tyson M, Egger M, Heller RF, Zwahlen M.: Body-mass index and incidence of cancer: a systematic review and meta-analysis of prospective observational studies. Lancet, Volume 371, Issue 9612, Pages 569-578, 16 February 2008
  2. Schmid D et al.: Television Viewing and Time Spent Sedentary in Relation to Cancer Risk: A Meta-analysis. J Natl Cancer Inst 2014; 106. doi:10.1093/jnci/dju098
  3. Obón-Santacana M et al.: Dietary intake of acrylamide and endometrial cancer risk in the European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition cohort. Br J Cancer. 2014 Jun 17. doi: 10.1038/bjc.2014.328
  4. Nevadunsky NS et al.: Obesity and age at diagnosis of endometrial cancer. Obstet Gynecol. 2014 Aug;124(2 Pt 1):300-6. doi: 10.1097/AOG.0000000000000381.
  5. Hernandez AV et al.: Insulin resistance and endometrial cancer risk: A systematic review and meta-analysis. DOI: http://dx.doi.org/10.1016/j.ejca.2015.08.031
  6. de Jonge MM et al.: Endometrial Cancer Risk in Women with Germline BRCA1 or BRCA2 Mutations: Multicenter Cohort Study. J Nat Cancer Instit 2021; https://doi.org/10.1093/jnci/djab036
  7. World Cancer Research Fund: Diet, nutrition, physical activity and cancer: a global perspective – the third expert report. 2018
  8. World Cancer Research Fund, American Institute for Cancer Research: Body fatness and weight gain and the risk of cancer. 2018
  9. Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ) Krebsprävention: Krebsrisikofaktor Übergewicht. 2020
  10. Hazelwood E et al.: Identifying molecular mediators of the relationship between body mass index and endometrial cancer risk: a Mendelian randomization analysis BMC Med 2022;20:125 https://doi.org/10.1186/s12916-022-02322-3
  11. Chang CJ et al.: Use of Straighteners and Other Hair Products and Incident Uterine Cancer Journal of the National Cancer Institute 17 October 2022, djac165, https://doi.org/10.1093/jnci/djac165
  12. Ryu KJ et al.: Risk of Endometrial Polyps, Hyperplasia, Carcinoma, and Uterine Cancer After Tamoxifen Treatment in Premenopausal Women With Breast Cancer JAMA Netw Open. 2022;5(11):e2243951. doi:10.1001/jamanetworkopen.2022.43951
     
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