Operative Therapie
Gebärmutterhalskrebs (Cervixkarzinom)

Vorstufen des Cervixkarzinoms (präinvasive Läsionen)

CIN (zervikale intraepitheliale Neoplasie) I-III: bei Persistenz (fortbestehen) nach kolposkopisch-zytologischer Kontrolle (alle sechs Monate) bis zu 24 Monate

CIN Therapieoptionen
CIN I
  • Kolposkopisch gesicherter ektozervikaler Sitz
    (gesichert durch Gebärmutterhalsspiegelung)
    • Biopsie (Gewebeentnahme)
    • CO2-Laservaporisation (Verdampfung)
    • Schlingenkonisation (Verwendung einer elektrisch
      erhitzten Drahtschlinge zur Entfernung eines Konus/Gewebekegel)
  • Endozervikaler ("innerhalb des Gebärmutterhalses (Cervix)) Sitz
    • Schlingenkonisation
CIN II
  • CO2-Laservaporisation
  • Schlingenkonisation
CIN III
  • CO2-Laservaporisation
  • Schlingenkonisation

Postoperative regelmäßige Verlaufskontrollen. In der Schwangerschaft lediglich Verlaufskontrollen, weitere Abklärung postpartum.

Beachte: 

  • In der operativen Therapie ist die wichtigste Neuerung im Rahmen der S3-Leitlinie die Renaissance der offenen Hysterektomie (operative Entfernung der Gebärmutter durch Bauchschnitt) (Gesamtüberleben [minimalinvasive versus offene Hysterektomie]: 94,04 % versus 99,04 %; Hazard Ratio [HR]: 6,00; 95-%-Konfidenzintervall: [1,77; 20,30]) [S3-Leitlinie].
  • Die Kombination aus Operation und Radiochemotherapie sollte vermieden werden.
  • Falls eine Strahlentherapie indiziert ist, muss – wenn möglich – immer Cisplatin als Radiosensitizer eingesetzt werden (Gesamtüberlebensvorteil!).
  • Falls eine primär simultane kombinierte Radiochemotherapie indiziert ist, muss – wenn möglich – eine intrakavitäre Bestrahlung* auf die externe Bestrahlung folgen. Nur so können kurativen Dosen erreicht werden.

*Form der Brachytherapie, bei der eine Strahlenquelle in eine natürlich vorhandene Körperöffnung (hier: Cervix/Gebärmutterhalskanal) eingelegt wird.

Weitere Hinweise

  • Bei Patientinnen mit Cervixkarzinom im Stadium IB1 (mikroinvasives Karzinom), die sich einer radikalen Hysterektomie unterziehen, reduzierte eine vorherige zervikale Konisation das Rezidivrisiko/Rückfallrisiko (HR 0,35; p = 0,005) und die Mortalität/Sterberate (HR 0,25; p = 0,021) signifikant [4].

Therapie bei Tumoren FIGO IA

S3-Leitlinie: 

  • Patientinnen mit einem Cervixkarzinom bis zum Stadium FIGO IB1 sollte eine offene radikale Hysterektomie angeboten werden.
  • Die Sentinellymphonodektomie (SLNE) (engl. Sentinel Node Biopsie (SNB); Wächterlymphknoten) sollte bei Primärtumoren ≤ 2 cm eingesetzt werden.

Standardtherapie im Stadium FIGO IA1

  • Fertilitätserhaltende Operationen für junge Frauen (bei Kinderwunsch):
    • Konisation (Operation am Muttermund, bei der ein Gewebekegel (Konus) aus dem Gebärmutterhals (Cervix) ausgeschnitten und anschließend mikroskopisch untersucht wird)
    • Radikale vaginale Trachelektomie (RVT; Eingriff zur Entfernung eines Teils des Gebärmutterhalses unter Erhalt der Fertilität), kombiniert mit laparoskopischer (durch Bauchspiegelung) Sentinel-Node-Biopsie (SNB; Entfernung des Wächterlymphknotens), bei Cervixkarzinom im Frühstadium (Tumordurchmesser ≤ 2 cm, FIGO-Stadium IA1 bis IB1, V0, pN0)
  • Vaginale/abdominelle (einfache) Hysterektomie
  • Bei Lymphknotenbefall (L1) zusätzlich pelvine Lymphonodektomie

Standardtherapie im Stadium FIGO IA2

  • Radikale vaginale Trachelektomie (RVT), kombiniert mit laparoskopischer pelviner ggf. paraaortaler Lymphknotenentfernung
  • Radikale Hysterektomie (Gebärmutterentfernung) mit systemischer pelviner, ggf. paraaortaler Lymphonodektomie/Lymphknotenentfernung (meist Operation nach Wertheim-Meigs)
  • Konisation, ggf. mit Trachelektomie bei Kinderwunsch

Therapie bei Tumoren ab FIGO IB

Bei Tumoren ab FIGO (Fédération Internationale de Gynécologie et d’Obstétrique) IB muss immer bedacht werden, dass die primär kombinierte simultane Radiochemotherapie allein eine gleichwertige onkologische Sicherheit im Vergleich zur Operation bietet.

Standardtherapie im Stadium FIGO IB1*

  • Radikale vaginale Trachelektomie (RVT), kombiniert mit laparoskopischer pelviner, ggf. paraaortaler Lymphknotenentfernung
  • Radikale Hysterektomie mit systemischer pelvinen, ggf. paraaortalen Lymphonodektomie (meist Operation nach Wertheim-Meigs)
  • Ggf. Trachelektomie mit Sentinel-Node-Biopsie bei Kinderwunsch, wenn Tumor ≤ 2 cm

Standardtherapie im Stadium FIGO IB2*

  • Radikale Hysterektomie mit systemischer pelviner, ggf. paraaortaler Lymphonodektomie (meist Operation nach Wertheim-Meigs)
  • Ggf. adjuvante Radiochemotherapie (RCTX; Kombination aus Strahlentherapie und Chemotherapie)

Standardtherapie im Stadium FIGO IIA, IIB*

  • Radikale Hysterektomie mit systemischer pelviner, ggf. paraaortaler Lymphonodektomie (meist Operation nach Wertheim-Meigs)
  • Ggf. adjuvante Radiochemotherapie (RTCX)

*In den Stadien IB und II haben Operation und Radiochemotherapie gleichwertige Langzeitergebnisse. Bei prämenopausalen Patientinnen wird, wie in den Frühstadien, eine Operation empfohlen, weil die Ovarialfunktion (Eierstockfunktion) erhalten bleiben kann.

Standardtherapie im Stadium FIGO III, IV

  • Simultane Radiochemotherapie (RCTX) als Standardtherapie
  • Ggf. Exenteration (ausgedehnte bis vollständige Entfernung der Organe des kleinen Beckens (Pelvis), also von Harnblase, Vagina, Scheidenvorhof und eventuell auch Enddarm) im Stadium FIGO IV, wenn Beckenwand frei und Blasen- und/oder Rektuminfiltration (Einwachsen des Tumors in den Mastdarm)

Standardtherapie beim Rezidiv

  • Möglichkeit der Resektion prüfen

Operative spezielle Situationen/Entwicklungen

Sie sind Ausnahmefällen vorbehalten und werden nur in hochspezialisierten Zentren und/oder in Studien durchgeführt:

  • Radikale Trachelektomie
    • Teil 1: Laparoskopie (Bauchspiegelung), Inspektion des Abdominalraums, pelvine Lymphonodektomie* (Lymphknotenentfernung), ggf. Sentinel-Lymphonodektomie. Bei unauffälliger Schnellschnittdiagnose folgt die vaginale Operation
      *bei Tumoren ≤ 2 cm wird die Sentinel-Node-Biopsie anstelle der kompletten radikalen pelvinen Lymphonodektomie empfohlen.
    • Teil 2: Teilresektion der Cervix mit den medialen Parametrien und einer Scheidenmanschette unter Erhaltung des inneren Muttermundes (verbleibende CK-Länge 10-15 mm) und des Corpus uteri (Gebärmutterkörper)
      • Voraussetzungen:
        • Kinderwunsch
        • Stadium IA1 auch mit Lymphangiosis (Einwachsen von Tumorzellen in die Lymphgefäßbahnen)
        • Stadium IA2
        • Stadium IB1, Tumorgröße ≤ 2 cm
        • tumorfreie pelvine Lymphknoten (N0)
        • keine Gefäßeinbrüche (V0)
        • keine neuroendokrine Differenzierung des Tumors 
      • Derzeit wird Studien geprüft, ob bei unauffälligen Lymphknoten im Schnellschnitt nicht auch eine Rekonisation oder eine einfache Trachelektomie ausreichend ist, da in den entfernten Parametrien (Bindegewebsstrukturen des Beckenraums, die von der Wand des Gebärmutterhalses zur Harnblase, zum Os sacrum (Kreuzbein) und zur inneren Seitenwand des Beckens ziehen) praktisch nie befallene Lymphknoten gefunden wurden.
  • Totale mesenteriale Resektion (TMMR)
    • Basis ist die Entfernung des Tumors entlang der anatomisch-embryonalen Entwicklungsgrenzen entsprechend seiner morphogenetischen Entstehung unter Schonung von anatomischen Strukturen, die nicht zu dieser Einheit gehören
    • nervenschonende Lymphonodektomie
      • Vorteile: keine Strahlentherapie bei hoher lokoregionäre Rezidivfreiheit
      • geringe operationsbedingte Morbidität (bes. Schonung der nervalen Versorgung von Blase, Rektum, Restscheide)
      • Operation:
        • En bloc Resektion der Gebärmutter mit Scheidenmanschette und Mesometrium
        • Entfernung des rektouterinen subperitonealen Bindegewebes bis zum Plexus hypogastricus inferior
        • pelvine/paraaortale Lymphonodektomie unter Schutz des Plexus hypogastricus superior.
  • Vaginale Radikaloperation (Schauta-Armreich)
    • Diese Operationsmethode hat besonders bei Tumoren* < 4 cm an einigen Zentren eine Renaissance erlebt, da das frühere Manko der fehlenden Lymphonodektomie durch die laparoskopische pelvine und paraaortale Lymphknotenentfernung ausgeglichen wird.
      "bei Tumoren ≤ 2 cm wird die Sentinel-Node-Biopsie anstelle der kompletten radikalen pelvinen Lymphonodektomie empfohlen.
  • Laparoskopisch totale radikale Hysterektomie (LRH)
  • Laparoskopisch mesenteriale Resektion

Weitere Hinweise

  • LACC-Studie (Laparoscopic Approach to Cervical Cancer): Eine minimalinvasiv durchgeführte radikale Hysterektomie erzielt beim Cervixkarzinom im Frühstadium (bis FIGO IIA) schlechtere Ergebnisse als die klassische offene Operation. 91,1 % der Patientinnen war im Stadium IB1, d. h. der Tumor war kleiner als 4 cm und eine Beteiligung der Lymphknoten war nicht erkennbar; signifikante Unterschiede waren [1]:
    • krankheitsfreie Überleben nach 4,5 Jahren: 86,0 % nach minimalinvasiver Operation versus 96,5 % nach offener Operation (ohne Rezidiv)
    • 3-Jahres-Gesamtüberlebensrate: 93,8 versus 99,0 % = Hazard Ratio von 6,0 (1,77 bis 20,30) für einen vorzeitigen Tod
    • Nebenbei: die meisten Rezidive waren an 14 der 33 Kliniken aufgetreten.
  • Frühes Cervixkarzinom
    • FIGO-2009-Stadium IA2  oder IB1: 
      • keine signifikanten Unterschiede zwischen einer einfachen Hysterektomie und einer radikalen Hysterektomie (Nachbeobachtungszeit von drei Jahren) [6].
    • FIGO-2009-Stadium IB 1:
      • Frauen mit frühem Cervixkarzinom, die vor der radikalen Hysterektomie konisiert werden, wiesen ein besseres 5-Jahres-DFS (krankheitsfreies Überleben) auf als Frauen ohne Konisation (5-Jahres-DFS: 89,8 % vs. 80,0 %); Unterschiede beim Gesamtüberleben fanden sich jedoch nicht (5-Jahres-OS: 97,1 % vs. 91,4 %) [3].
      • Radikaloperation versus Hysterektomie (Gebärmutterentfernung): Bei einer durchschnittlichen Nachbeobachtungszeit von viereinhalb Jahren: zeigte sich eine vergleichbar niedrige Rückfallrate von gut zwei Prozent in beiden Gruppen nach drei Jahren [5].
  • Frühes Cervixkarzinom (bis FIGO-2009-Stadium IIB): Um die Aggressivität des Tumors einzuschätzen und das therapeutische Vorgehen entsprechend anzupassen, könnte die bilaterale Sentinel-Node-Biopsie (beidseitige Wächterlymphknoten-Gewebeentnahme) eine sichere Alternative zur systematischen pelvinen Lymphadenektomie (Entfernung der Lymphknoten im Beckenraum) sein: krankheitsfreie und das krankheitsspezifische Überleben unterschieden sich nicht signifikant zwischen beiden Gruppen [2].

Literatur

  1. Ramirez PT et al.: Minimally Invasive versus Abdominal Radical Hysterectomy for Cervical Cancer. New Engl J Med October 31, 2018 doi: 10.1056/NEJMoa1806395
  2. Balaya V et al.: Long-term oncological safety of sentinel lymph node biopsy in early-stage cervical cancer. Journal of Clinical Oncology 2020;38,15
  3. Bizzarri N et al.: Protective Role of Conization Before Radical Hysterectomy in Early-Stage Cervical Cancer: A Propensity-Score Matching Study. Ann Surg Oncol 2021; https://doi.org/10.1245/s10434-021-09695-4
  4. Chacon E et al.: SUCCOR cone study: conization before radical hysterectomyInternational Journal of Gynecologic Cancer Published Online First: 17 January 2022. doi: 10.1136/ijgc-2021-002544
  5. Plante et al.: A Gynecologic Cancer Intergroup study led by the Canadian Cancer Trials Group (CCTG CX.5-SHAPE). An international randomized phase III trial comparing radical hysterectomy and pelvic node dissection (RH) vs simple hysterectomy and pelvic node dissection (SH) in patients with low-risk early-stage cervical cancer (LRESCC) J Clin Oncol 41, 2023 (suppl 17; abstr LBA5511)
  6. Plante M et al.: Simple versus Radical Hysterectomy in Women with Low-Risk Cervical Cancer N Engl J Med 2024; 390:819-829 doi: 10.1056/NEJMoa2308900

Leitlinien

  1. S3-Leitlinie: Diagnostik, Therapie und Nachsorge der Patientin mit Zervixkarzinom. (AWMF-Registernummer: 032 - 033OL), März 2020 Kurzfassung Langfassung
     
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