Prävention
Sterilität des Mannes

Zur Prävention der Sterilität des Mannes muss auf eine Reduktion individueller Risikofaktoren geachtet werden.

Verhaltensbedingte Risikofaktoren

  • Ernährung 
    • Fehlernährung nicht vollwertige, vitalstoffarme* Ernährung (Mikronährstoffe); zu hohe Zufuhr gesättigter Fettsäuren, enthalten in Süßigkeiten, Knabbereien, Fertigmayonnaisen, Fertigdressings, Fertiggerichte, frittierte Speisen, panierte Speisen [1]
    • Hoher Konsum zuckerhaltiger Getränke – Der Median der Teilnehmer trank täglich ca. 220 ml zuckerhaltige Getränke; Männer, die davon am meisten konsumierten, hatten im Vergleich zu denen, die darauf verzichteten, zeigten folgende Spermaparameter/Laborparametern [16]:
      • 13,2 Millionen/ml niedrigere mediane Spermienkonzentration
      • Gesamtspermienzahl im Ejakulat war durchschnittlich um 28 Millionen niedriger
      • Inhibin-B-Spiegel war im Median um 12 pg/ml niedriger; Inhibin-B-FSH-Quotient um 9 Einheiten kleiner
        Hinweis: Der Inhibin-B-Spiegel korreliert beim Erwachsenen positiv mit der Samenzellzahl im Ejakulat und dem Hodenvolumen.
    • Mikronährstoffmangel (Vitalstoffe) – siehe Prävention mit Mikronährstoffen
  • Genussmittelkonsum
    • Alkohol*,
    • Kaffee, schwarzer Tee
    • Tabak (Rauchen)**
  • Drogenkonsum
    • Cannabis (Haschisch und Marihuana)1+2 – Männer mit unerfülltem Kinderwunsch sollten für einige Monate auf den Konsum von Cannabisprodukten verzichten
    • Morphin2
    • Opiate2 stark wirksame Schmerzmittel wie Morphin
  • Körperliche Aktivität
    • Exzessiver Sport
    • Schwere körperliche Arbeit [2]
  • Psycho-soziale Situation
    • Stress
  • Übergewicht (BMI ≥ 25; Adipositas)
    • Männer mit starkem Übergewicht haben ein erhöhtes Risiko für eine verminderte Aktivität der Hoden im Vergleich zu normalgewichtigen Männern; Adipositas begünstigt Hypogonadismus (Unterfunktion der Keimdrüsen); Adipositas hatte jedoch keinen Einfluss auf die Spermienproduktion  mit Ausnahme eines erhöhten DNA-Fragmentierungsindex in der Gruppe der metabolisch ungesunden adipösen Männer [13].
    • 10 kg Übergewicht steigern das Risiko für Unfruchtbarkeit um 10 % [3]
  • Androide Körperfettverteilung, das heißt abdominales/viszerales, stammbetontes, zentrales Körperfett (Apfeltyp) – es liegt ein hoher Taillenumfang bzw. ein erhöhter Taille-Hüft-Quotient (THQ; englisch: waist-to-hip-ratio (WHR)) vor; vermehrtes Bauchfett führt zum Abfall des freien (biologisch aktiven) Testosterons 
    Bei der Messung des Taillenumfangs gemäß der Richtlinie der International Diabetes Federation (IDF, 2005) gelten folgende Normwerte:
    • Männer < 94 cm
    Die Deutsche Adipositas-Gesellschaft veröffentlichte 2006 etwas moderatere Zahlen für den Taillenumfang: 102 cm bei Männern.
  • Untergewicht
  • Häufigkeit des Geschlechtsverkehrs: Frauen, die während des Corona-Lockdowns ihre reproduktionsmedizinische Behandlung unterbrechen mussten, wurden innerhalb von zwei Monaten in 8 % der Fälle schwanger. Im Vergleich zu den Paaren, die nicht spontan schwanger geworden waren, waren die schwanger gewordenen Frauen jünger (35,7 vs. 37,7 Jahre) und noch nicht so lange mit der Erfüllung ihres Kinderwunsches beschäftigt (2,4 vs. 3,6 Jahre). Die schwanger gewordenen Frauen waren sexuell aktiver gewesen als ihre Geschlechtsgenossinnen, die nicht schwanger geworden sind (3,6 vs. 1,9 x Geschlechtsverkehr/per Woche; der Unterschied war statistisch signifikant) [18].

1Oligozoospermie (< 20 Mio. Spermatozoen pro Milliliter) bzw. gestörte Spermatogenese (Samenzellbildung)
2Verminderte Testosteronproduktion

*Alkoholkonsum
Alkoholkonsum kann die Fruchtbarkeit des Mannes und der Frau beeinträchtigen: Sexualhormone können aufgrund alkoholbedingter Leberschädigungen nicht mehr entsprechend abgebaut werden und führen zur hormonellen Störung auf der Ebene Hypothalamus (Hypophyse), das heißt auf der Ebene von Zwischenhirn und Hirnanhangsdrüse.
Erhöhter Alkoholkonsum kann so zu einer schlechteren Qualität der Samenzellen führen: Die Samenzelldichte wird reduziert und der Anteil der fehlgebildeten Samenzellen nimmt zu. Des Weiteren führt erhöhter Alkoholkonsum zur Beeinträchtigung der Libido, das heißt der sexuellen Lust.
Nebenbei: Hoher Alkoholkonsum Mann > 60 g/Tag; Frau > 40 g/Tag hohe Alkoholkonzentrationen führen nachweislich zur Hirnatrophie [4] Samen- und Eizellen werden schon bei wesentlich kleineren Alkoholkonzentrationen geschädigt!

**Tabakkonsum
Mann: Rauchen kann zur Einschränkung der Beweglichkeit von Samenzellen führen und damit die Befruchtungschancen vermindern.
Des Weiteren konnte nachgewiesen werden, dass Histone und Protamine (verantwortlich für die Verpackung und Stabilität der DNA-Erbinformation in den Spermien) bei Rauchern in einer deutlich reduzierten Konzentration vorkommen als bei Nichtrauchern. Dieses kann dazu führen, dass es zu keiner oder nur unvollständigen Befruchtung der Oozyte (Eizelle) kommt und damit zu einer Subfertilität [5].

Medikamente

  • Antibiotika1
    • Anthracycline
    • Cotrimoxazol
    • Gentamycin
    • Sulfonamide
  • Antihypertensiva (können zu einer Beeinträchtigung der Spermatogenese (Samenzellbildung) und der Erektion führen)
    • Alpha-1-Rezeptorenblocker2 – Doxazosin, Prazosin, Terazosin
    • Betablocker (Betarezeptorenblocker)3 – Atenolol, Betaxolol, Bisoprolol, Carvedilol, Celiprolol, Metoprolol, Nadolol, Nebivolol, Oxprenolol, Pindolol, Propranolol 
    • Reserpin3
  • Antidepressiva (Störungen der Emission/Ejakulation)
    • Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) – Fluoxetin2, Sertralin2
    • Trizyklische Antidepressiva (nichtselektive Monoamin-Wiederaufnahme-Hemmer, NSMRI) – Doxepin2, Opipramol2
    • Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer (SNRI) – Duloxetin2, Venlafaxin2
  • Antiepileptika (Pregabalin2, Primidon3); Störungen des Testosteronmetabolismus
  • Anxiolytika2
  • Benzodiazepine (Libidostörungen des Mannes)
  • Haarwuchsmittel (Finasterid3)
  • Hormone
    • Glucocorticoide3
    • Sexualhormone
  • Ketoconazol (Störungen der Androgenbiosynthese)3
  • Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) – Ibuprofen (Testosteron/LH-Verhältnis als Funktion der Leydigzellen ↓) [11]
  • Prostatamittel2 (Dutasterid, Finasterid)
  • Rauwolfia3
  • Spironolacton (Androgenrezeptorantagonisten)
  • Zytostatika1 (Substanzen, die das Zellwachstum bzw. die Zellteilung hemmen) – z. B. Busulfan, Chlorambucil, Alkylanzien (Cyclophosphamid), Methotrexat (MTX)

1Oligozoospermie (< 20 Mio. Spermatozoen pro Milliliter) bzw. gestörte Spermatogenese (Samenzellbildung)
2Ejakulationsstörungen inkl. vermindertes Ejakulatvolumen
3Verminderte Testosteronproduktion
Medikamente, die zu Erektionsstörungen führen können, finden Sie unter der Krankheit "Erektile Dysfunktion (ED) bzw. Erektionsstörungen".

Umweltbelastung Intoxikationen (Vergiftungen)

  • Ionisierende Strahlen
  • Elektromagnetische Felder
    • Mikrowellenstrahlung (Radarstation)
    • Häufige Nutzung von Mobiltelefonen reduziert die Spermienkonzentration (-21 %); Motilität und Morphologie der Spermien wurde jedoch nicht beeinflusst. Bei Wechsel von 2G auf 3G und von 3G auf 4G) wurde der Zusammenhang jedoch schwächer [16].
  • Überwärmung der Hoden Arbeit am Hochofen, Bäckerei, häufige Saunagänge; Sitzheizung im Auto: langes und häufiges Fahren mit beheizten Autositzen kann die Zeugungsfähigkeit mindern. Die Spermien werden in der Anzahl weniger (Oligozoospermie), langsamer (Asthenozoospermie) und sind häufiger fehlgebildet (Teratozoospermie)
  • Luftschadstoffe: Feinstaub – Feinstaubgehalt (PM2,5) der Luft; Zunahme der Feinstaub­konzen­tration um jeweils 5 µg/m3 [8]
    • Rückgang der Spermien mit normaler Form und Größe um 1,29 Prozent
    • Anteil der Spermien im untersten Zehnten der Spermienmorphologie stieg um 26 Prozent
    • leichte Zunahme der Spermienkonzentration
  • Umweltnoxen (Berufsstoffe, Umweltchemikalien):
    • Bisphenol A (BPA); auch die Ersatzstoffe Bisphenol F und S (BPF/BPS) greifen als endokrine Disruptoren (Xenohormone) in den Hormon­haushalt von Lebewesen ein [9]
    • Chlororganika (z. B. Dichlordiphenyltrichlorethan (DDT), Dioxine, polychlorierte Biphenyle*, PCB)
    • Lösungsmittel (z. B. Glykolether; Kohlenstoffdisulfid)
    • Nichtionische Tenside (z. B. Alkylphenole)
    • Pestizide, Herbizide (z. B. Dibromchlorpropan (DBCP), Ethylendibromid)
    • Phthalate* (vor allem als Weichmacher für Weich-PVC)
    • Schwermetalle (Blei-, Quecksilber-Verbindungen)
    • Sonnenschutzmittel wie 4-Methylbenzylidencampher (4-MBC), Kunststoff-Weich­macher Di-n-butylphthalat (DnBP), das antibakteriell wirkende Triclosan (z. B. in Zahnpasta und Kosmetika) [6]
      Triclosan ist enthalten in Desinfektionsmitteln, Zahnpasta, Deodorants, Mundwasser, Seifen, Kosmetika, Händedesinfektionsmitteln, Haushaltsreiniger oder Waschmittel sowie in Textilien, Schuhen und Spielzeug.

*gehören zu den endokrinen Disruptoren (Synonym: Xenohormone), die bereits in geringsten Mengen durch Veränderung des Hormonsystems die Gesundheit schädigen können.

Präventionsfaktoren (Schutzfaktoren)

  • Die mediterrane Ernährung verbessert bei Männern die Samenqualität [9].
    Jüngere nicht adipöse Frauen (BMI < 30), die in den sechs Monaten vor einer assistierten Reproduktion eine "mediterrane" Diät einhielten, hatten in einer prospektiven Kohor­ten­studie deutlich bessere Chancen auf eine ausgetragene Schwangerschaft.
    Das Drittel der Frauen mit der stärkeren Einhaltung der Mittelmeerdiät erreichte zu 50 % eine Schwangerschaft/48,8 % eine ausgetragene Schwangerschaft, während die Schwangerschaftsrate im Drittel der Frauen mit dem niedrigsten Einhaltung der Mittelmeerdiät nur bei 29 %/ausgetragene Schwangerschaft 26,6 % lag [10].
  • Männer, die häufiger Boxershorts tragen, hatten im Vergleich zu Männern die andere Unterhosen bevorzugten, hatten eine 25 % höhere Spermatozoenkonzentration (95 % CI = 7, 31 %), 17 % höhere Gesamtspermatozoenzahl (95 % CI = 0, 28 %) und 14 % niedrigere FSH-Serumspiegel (95 % CI = -27, -1 %) [12].

Fertilitätserhaltende Maßnahmen für onkologische Patienten

  • Kryokonservierung von Spermien (Samenzellen) und Hodengewebe

Hinweis: Die Kryokonservierung von Samenzellen sowie die dazugehörigen medizinischen Maßnahmen werden unter bestimmten Voraussetzungen von der ge­setz­li­chen Kran­ken­ver­siche­rung bezahlt. 
Ausgeschlossen sind unter 18-Jährige sowie generell Männer ab 50 Jahren.

Vor dem Beginn therapeutischer Maßnahmen – wie beispielsweise einer künstlichen Befruchtung, auch In-vitro-Fertilisation (IVF) genannt ist in jedem Fall im Sinne einer ganzheitlichen fortpflanzungsmedizinischen Diagnostik ein Gesundheitscheck für den Mann inklusive einer Ernährungsanalyse erforderlich.

Literatur

  1. Attaman JA, Toth TL, Furtado J, Campos H, Hauser R, Chavarro JE: Dietary fat and semen quality among men attending a fertility clinic. Hum Reprod. 2012 May;27(5):1466-74. Epub 2012 Mar 13.
  2. Eisenberg ML et al.: Relationship between physical occupational exposures and health on semen quality: data from the Longitudinal Investigation of Fertility and the Environment (LIFE) Study. doi: http://dx.doi.org/10.1016/j.fertnstert.2015.02.010
  3. Sallmen M et al.: Reduced fertility among overweight and obese men. Epidemiology. 17 (5): 520-523, Sept. 2006
  4. Ding J, Eigenbrodt ML, Mosley TH Jr, Hutchinson RG, Folsom AR, Harris TB, Nieto FJ: Alcohol intake and cerebral abnormalities on magnetic resonance imaging in a community-based population of middle-aged adults: the Atherosclerosis Risk in Communities (ARIC) study. Stroke. 2004 Jan;35(1):16-21. Epub 2003 Dec 4.
  5. Hamad MF, et al.: Impact of cigarette smoking on histone (H2B) to protamine ratio in human spermatozoa and its relation to sperm parameters Article first published online: 14 JUL 2014 DOI: 10.1111/j.2047-2927.2014.00245.x
  6. Schiffer C, Müller A, Egeberg DL, Brenker C, Rehfeld A, Frederiksen H, Wäschle B, Kaupp UB, Balbach M, Wachten D, Skakkebaek NE, Almstrup K, Strünker T: Direct action of endocrine disrupting chemicals on human sperm. EMBO reports (doi 10.15252/embr.201438869)
  7. Rosenmai AK et al.: Are Structural Analogues to Bisphenol A Safe Alternatives? Toxicol Sci. 2014 May;139(1):35-47. doi: 10.1093/toxsci/kfu030
  8. Lao XQ et al.: Exposure to ambient fine particulate matter and semen quality in Taiwan. Occup Environ Med. 2017 Nov 13. pii: oemed-2017-104529. doi: 10.1136/oemed-2017-104529.
  9. Karayiannis D et al.: Association between adherence to the Mediterranean diet and semen quality parameters in male partners of couples attempting fertility. Hum Reprod. 2017 Jan;32(1):215-222. Epub 2016 Nov 14. 1
  10. Karayiannis D et al.: Adherence to the Mediterranean diet and IVF success rate among non-obese women attempting fertility. Human Reproduction ,https://doi.org/10.1093/humrep/dey003 (Published 30 January 2018)
  11. Kristensen DM et al.: Ibuprofen alters human testicular physiology to produce a state of compensated hypogonadism. PNAS 2018 January, 115 (4) E715-E724. https://doi.org/10.1073/pnas.1715035115
  12. Mínguez-Alarcón L et al.: Type of underwear worn and markers of testicular function among men attending a fertility center. Human Reproduction, dey259, https://doi.org/10.1093/humrep/dey259 Published: 08 August 2018
  13. Cazzaniga W, Candela L, Boeri L et al.: The impact of metabolically healthy obesity in primary infertile men: results from a cross-sectional study. American Society of Andrology and European Academy of Andrology 2020; https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1111/andr.12861
  14. Villani MT et al.: Spontaneous pregnancies among infertile couples during assisted reproduction lockdown for COVID-19 pandemic. Andrology 2021 https://doi.org/10.1111/andr.12973
  15. Nassan FL et al.: Association between intake of soft drinks and testicular function in young men. Hum Reprod 2021; https://doi.org/10.1093/humrep/deab179
  16. Rahban R et al.: Association between self-reported mobile phone use and the semen quality of young men Sciene Direct Fertility and Sterility 1 November 2023 https://doi.org/10.1016/j.fertnstert.2023.09.009

Leitlinien

  1. S2k-Leitlinie: Fertilitätserhaltung bei onkologischen Therapien. (AWMF-Registernummer: 015 - 082), November 2017 Langfassung
     
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