Virale Hirnhautentzündung (virale Meningitis) – Medikamentöse Therapie

Therapieziele

  • Vermeidung neurologischer Komplikationen und Spätschäden
  • Frühzeitige Erreger-erregerspezifische Therapie (gezielte Behandlung des Krankheitserregers) zur Reduktion der Morbidität (Krankheitshäufigkeit) und Letalität (Sterblichkeit)

Therapieempfehlungen

  • Eine bakterielle Meningitis (bakterielle Hirnhautentzündung) muss in jedem Fall ausgeschlossen werden!
  • Bei ausgeprägter Symptomatik (deutliche Krankheitszeichen), systemischen Entzündungszeichen (Anzeichen einer Entzündung im ganzen Körper) oder Liquorpleozytose > 1.000/μl (erhöhte Zellzahl im Nervenwasser):
    • Blutkulturen zur Herd- und Erregerdiagnostik (Bestimmung der Infektionsquelle und des Erregers)
    • Frühzeitiger Beginn einer kalkulierten antibakteriellen Therapie (z. B. Ceftriaxon ± Ampicillin ± Dexamethason) (gezielte Antibiotikatherapie)
  • Blande Virusmeningitis (milder Verlauf) (milde virale Hirnhautentzündung):
    • Symptomatische Therapie (Behandlung der Beschwerden) mit antipyretischen (fiebersenkenden) und analgetischen (schmerzlindernden) Maßnahmen
    • Keine antivirale Therapie (keine Behandlung mit virushemmenden Medikamenten) bei immunkompetenten Patienten (Patienten mit intaktem Immunsystem) erforderlich
  • Stationäre Überwachung, bei schwereren Verläufen intensivmedizinische Betreuung (insbesondere bei Vigilanzminderung [Bewusstseinseintrübung], Hirndruckzeichen oder Anfällen)

Virale Enzephalitiden (Virusbedingte Gehirnentzündungen)

  • Herpes-simplex-Virus-Enzephalitis (HSV-Enzephalitis) (Gehirnentzündung durch Herpes-simplex-Viren):
    • Unverzügliche i.v.-Therapie (intravenöse Behandlung) mit Aciclovir
    • Ein Therapiebeginn darf nicht von der Liquordiagnostik (Untersuchung des Nervenwassers) abhängig gemacht werden – auch bei Kontraindikationen zur Lumbalpunktion (z. B. Hirndruck) ist die Therapie bei klinischem Verdacht sofort einzuleiten
  • Herpes-simplex-Virus-Meningitis (HSV-Meningitis) (Hirnhautentzündung durch Herpes-simplex-Viren):
    • Bei immunkompetenten Patienten (Patienten mit intaktem Immunsystem) meist selbstlimitierend – symptomatische Therapie ausreichend
    • Bei immunsupprimierten Patienten (Patienten mit geschwächtem Immunsystem): antivirale Therapie (Behandlung mit virushemmenden Medikamenten) mit Aciclovir zur Vermeidung von Komplikationen
  • Zoster-Enzephalitis (Varizella-Zoster-Virus) (Gehirnentzündung durch Windpocken-Virus):
    • Behandlung mit intravenösem Aciclovir analog zur HSV-Enzephalitis
  • CMV-Enzephalitis (Zytomegalievirus-Enzephalitis) (Gehirnentzündung durch Zytomegalieviren):
    • Kombinationstherapie aus Foscarnet und anschließender Gabe von Ganciclovir
    • Vor allem bei immunsupprimierten Patienten (Patienten mit geschwächtem Immunsystem) relevant (z. B. nach Transplantation, HIV)
  • Influenza-assoziierte ZNS-Infektionen (Virusinfektionen des zentralen Nervensystems durch Grippeviren):
    • Einsatz von Neuraminidasehemmern (z. B. Oseltamivir) kann in frühen Stadien erwogen werden
  • Autoimmunenzephalitis (z. B. anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis) (durch das eigene Immunsystem verursachte Gehirnentzündung):
    • Bei fehlendem Erregernachweis und passender Klinik (z. B. psychiatrische Symptome, Krampfanfälle, Dyskinesien, autonome Instabilität) sollte differenzialdiagnostisch eine autoimmun bedingte Enzephalitis erwogen werden
    • Diagnostik durch Nachweis entsprechender Autoantikörper (Abwehrstoffe gegen körpereigene Strukturen) im Liquor (Nervenwasser) und Serum (Blutflüssigkeit)
    • Immuntherapie (Behandlung des Immunsystems) mit Kortikosteroiden (Kortison), Plasmapherese (Blutwäsche) oder IVIG (Immunglobuline) je nach Verlaufsform und Schweregrad

Weitere supportive Maßnahmen bei schwerer Enzephalitis

  • Hirnödem (Hirnschwellung): Gabe von Osmotherapeutika (z. B. Mannitol, hypertones NaCl)
  • Intrakranieller Druckanstieg (erhöhter Hirndruck) (z. B. bei Pneumokokkenmeningitis oder HSV-Enzephalitis): Glucocorticoide (in ausgewählten Fällen) (Kortisonpräparate)
  • Epileptische Anfälle oder Status epilepticus (anhaltende Krampfanfälle): Gabe von Antiepileptika (Medikamente gegen Krampfanfälle)
  • Thrombose- und Lungenembolieprophylaxe (Vorbeugung von Blutgerinnseln und Lungenembolien) bei bettlägerigen Patienten

Leitlinien

  1. S1-Leitlinie: Virale Meningoenzephalitis. (AWMF-Registernummer: 030-100), Januar 2025 Langfassung