Einleitung
Herzklappenfehler (Herzvitien)

Bei Herzklappenfehlern (Herzvitien) unterscheidet man Herzklappenverengungen (Klappenstenosen) von Herzklappenschwächen (Klappeninsuffizienzen) und kombinierten Herzklappenfehlern.

Es gibt kongenitale (angeborene) und erworbene Herzfehler bzw. Herzklappenfehler.

Kongenitale Herzfehler bzw. Herzklappenfehler (HKF)

Kongenitale Herzfehler werden unterschieden in:

  • Zyanotische Herzfehler: (Gruppe von Herzfehlern, bei denen der Patient blau erscheint (Zyanose)): Ursache ist ein primärer Rechts-Links-Shunt, d. h. ein Teil des rechtsventrikulären (“aus der rechten Herzkammer“), sauerstoffarmen Blutes wird dem linksventrikulären, sauerstoffreichen Blut beigemischt.
  • Azyanotische Herzfehler: Ursache ist eine Obstruktion (teilweiser Verschluss) des Ausflusstraktes oder ein primärer Links-Rechts-Shunt, d.h. sauerstoffreiches Blut aus dem linken Ventrikel wird sauerstoffarmes Blut des rechten Ventrikels beigemischt. Letzteres führt zu einer Volumenbelastung der Lungengefäße, des linken Ventrikels und des linken Vorhofs.

Wichtigste kongenitalen Herzklappenfehler (HKF):

  • Aortenisthmusstenose (ISTA; Synonym: Koarktation der Aorta: Coarctatio aortae); Häufigkeit: 6 %; ICD-10-GM Q25.1: Koarktation der Aorta) ‒ Verengung des Isthmus aortae ("Aortenenge")
  • Atriumseptumdefekt (ASD; Vorhofseptumdefekt); Häufigkeit: 7-10 %; ICD-10-GM Q25.1: Koarktation der Aorta) ‒ Lücke in der Scheidewand zwischen den beiden Herzkammern
  • Atrioventrikulärer Septumdefekt (AVSD; Kombination eines Ventrikelseptumdefekts (Loch in der Herzscheidewand der Herzkammern) und eines Vorhofseptumdefekts ((Loch in der Herzscheidewand der Vorhöfe)) (Inzidenz: 40 auf 100.000 Neugeborenen; ICD-10-GM Q21.2: Defekt des Vorhof- und Kammerseptums); häufiges Auftreten bei Kindern mit einer chromosomalen Anomalie in Form der Trisomie 2 1 (Down-Syndrom)
  • Fallotsche Tetralogie (auch Fallot'sche Tetralogie) (10-15 %; ICD-10-GM Q21.3: Fallot-Tetralogie) ‒ angeborene Herzfehlbildung, die aus vier Komponenten (daher Tetralogie) besteht: einer Pulmonalstenose (Einengung in der Ausflussbahn von der rechten Herzkammer zur Lungenschlagader), einem Ventrikelseptumdefekt (Defekt der Herzkammerscheidewand), einer über der Herzscheidewand reitenden Aorta sowie einer nachfolgenden Rechtsherzhypertrophie (pathologische Vergrößerung (Hypertrophie) des Muskelgewebes im rechten Ventrikel des Herzens)
  • Persistierender Ductus Arteriosus Botalli (Synonyme: Ductus arteriosus persistens, persistierender Ductus arteriosus, PDA; ICD-10-GM Q25.0: Offener Ductus arteriosus) ‒ dieses liegt vor, wenn sich der Ductus arteriosus (Ductus Botalli), der im fetalen (vorgeburtlichen) Blutkreislauf eine Gefäßverbindung zwischen Aorta (der Hauptschlagader) und Truncus pulmonalis (Lungenarterie) herstellt, sich drei Monate nach der Geburt noch nicht verschlossen hat.
  • Pulmonalatresie (ICD-10-GM Q25.5: Atresie der A. pulmonalis) ‒ Nichtanlage der Lungenarterie
  • Pulmonalstenose (Häufigkeit: 6 %; ICD-10-GM Q24.3: Infundibuläre Pulmonalstenose) ‒ Verengung des Truncus pulmonalis
  • Transposition der großen Arterien (Synonym: dextro-Transposition (d-Transposition) der großen Arterien; d-TGA) (Häufigkeit: 6 %; ICD-10-GM Q20.3: Diskordante ventrikuloarterielle Verbindung) ‒ angeborene Fehlbildung, bei der die Aorta mit dem rechten und die Lungenarterie mit dem linken Ventrikel des Herzens verbunden ist
  • Trikuspidalatresie (ICD-10-GM Q22.4: Angeborene Trikuspidalklappenstenose) ‒ Fehlen der Trikuspidalklappe
  • Ventrikelseptumdefekt (VSD; Kammerseptumdefekt; Defekt der Kammerscheidewand) (Häufigkeit: 15-30 %; häufigste angeborene Herzfehler; ICD-10-GM Q21.0: Ventrikelseptumdefekt); es werden vier verschiedene VSD-Typen unterschieden:
    • Perimembranöser VSD: Häufigkeit ca. 80 %
    • Muskulärer VSD: rundum von Muskelgewebe umgeben; bei Vorliegen multipler Defekte spricht man vom „Swiss-cheese“-Typ
    • Subarterieller VSD (Synonyme: subpulmonaler Defekt, Konusdefekt, „Outlet“-VSD): inkompletter Schluss des Konusseptums aus
    • Inlet-VSD (Synonym: "AV-Kanal“-Typ): liegt unmittelbar hinter der Trikuspidalklappe (Herzklappe zwischen dem rechten Vorhof und der rechten Herzkammer); gehäuftes Auftreten bei Trisomie 21 

Erworbene Herzfehler bzw. Herzklappenfehler (HKF)

Erworbene Herzfehler werden unterschieden in:

  • Klappenstenosen (“Klappenenge") mit Druckinsuffizienzen
  • Klappeninsuffizienzen ("Klappenundichtigkeit“) mit Volumenbelastung
  • Kombiniertes Herzvitium, d. h. gemeinsames Vorkommen beider Formen

Wichtigste erworbene Herzklappenfehler (HKF):

  • Mitralklappenstenose (Mitralstenose; ICD-10-GM I05.0: Mitralklappenstenose; ICD-10-GM I34.2: Nichtrheumatische Mitralklappenstenose) (Mitralklappenverengung) – häufigster erworbener HKF; betrifft Frauen häufiger als Männer; in ca. 40 % der Fälle liegt zudem eine Aortenstenose vor
  • Mitralklappeninsuffizienz (Mitralinsuffizienz, MI; ICD-10-GM I05.8: Sonstige Mitralklappenkrankheiten; ICD-10-GM I34.0: Mitralklappeninsuffizienz) (Undichtigkeit der Mitralklappe) – zweithäufigste Klappenerkrankung des Erwachsenen
  • Mitralklappenprolaps (ICD-10-GM I34.1: Mitralklappenprolaps) (Vorwölbung der Mitralklappe) – liegt bei ca. 5 % der erwachsenen Bevölkerung vor; Männer sind häufiger betroffen als Frauen
  • Aortenklappenstenose (Aortenstenose; ICD-10-GM I35.0: Aortenklappenstenose; ICD-10-GM I06.0: Rheumatische Aortenklappenstenose) (Aortenklappenverengung)
  • Aortenklappeninsuffizienz (Aorteninsuffizienz; ICD-10-GM I35.1: Aortenklappeninsuffizienz; ICD-10-GM I06.1: Rheumatische Aortenklappeninsuffizienz) (Undichtigkeit der Aortenklappe)

Die Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) für kongenitale Herzfehler liegt bei 0,8 % aller Neugeborenen. Je nach Art des Herzfehlers schwankt die Prävalenz zwischen 0,1-0,4 % (Cor triatriatum) und Ventrikelseptumdefekt (15-30 %). Der häufigste Herzklappenfehler ist der Mitralklappenprolaps (bis zu 6 %), gefolgt von der Aortenklappenstenose (5 %). 

Verlauf und Prognose: In der Regel haben Herzklappenfehler einen progredienten (fortschreitenden) Verlauf. Falls der Herzklappenfehler Beschwerden bereitet, ist die Prognose eher schlecht. Eine geschädigte Herzklappe kann sich entzünden, was den Verlauf ungünstig beeinflusst. In manchen Fällen entwickeln sich aufgrund des Herzklappenfehlers Herzrhythmusstörungen.
Aufgrund des medizinischen Fortschritts erreichen in Ländern mit entsprechenden Interventionsmöglichkeiten ca. 90 % aller Menschen mit einem kongenitalen Herzfehler das Erwachsenenalter. 

Literatur

  1. Jacobs J, Quintessenza J, Burke R, Mavroudis C: Congenital heart surgery nomenclature and database project: ventricular septal defect. Ann Thorac Surg March 2000 Volume 69, Issue 3, Supplement 1, Pages 25-35. doi: https://doi.org/10.1016/S0003-4975(99)01270-9

Leitlinien

  1. S2k-Leitlinie: Symptomatischer Ductus arteriosus des Frühgeborenen - Diagnostik und Therapie. (AWMF-Registernummer: 024 - 015), August 2011 Langfassung
  2. Ulmer HE: Atrioventrikulärer Septumdefekt (AVSD). Deutsche Herzstiftung e.V. · HERZBLATT 2/2012
  3. S2k-Leitlinie: Aortenklappeninsuffizienz im Kindes- und Jugendalter. (AWMF-Registernummer: 023 - 034), August 2013 Langfassung
  4. S2k-Leitlinie: Aortenklappenstenose im Kindes- und Jugendalter. (AWMF-Registernummer: 023 - 008), August 2013
  5. S2k-Leitlinie: D-Transposition der großen Arterien im Kindes- und Jugendalter. (AWMF-Registernummer: 023 - 016), August 2013
  6. S2k-Leitlinie: Fallotsche Tetralogie im Kindes- und Jugendalter. (AWMF-Registernummer: 023 - 015), August 2013
  7. S2k-Leitlinie: Primäre Kardiomyopathien im Kindes- und Jugendalter. (AWMF-Registernummer: 023 - 029), August 2013
  8. S2k-Leitlinie: Pulmonalatresie mit Ventrikelseptumdefekt im Kindes- und Jugendalter. (AWMF-Registernummer: 023 - 018), August 2013
  9. S2k-Leitlinie: Kongenital korrigierte Transposition der großen Gefäße. (AWMF-Registernummer: 023 - 044), DGPK Mai 2015
  10. S2k-Leitlinie: Persistierender Ductus arteriosus im Kindes- und Jugendalter. (AWMF-Registernummer: 023 - 014), April 2015 Langfassung
  11. S2k-Leitlinie: Pulmonalatresie mit intaktem Ventrikelseptum (PA-IVS) im Kindes- und Jugendalter. (AWMF-Registernummer: 023 - 019), Juni 2015 Langfassung
  12. S2k-Leitlinie: Abklärung eines Herzgeräusches im Kindes- und Jugendalter. (AWMF-Registernummer: 023 - 001), November 2017 Langfassung
  13. S2k-Leitlinie: Aortenisthmusstenose im Kindes- und Jugendalter. (AWMF-Registernummer: 023 - 010), Juni 2018 Langfassung
  14. S2k-Leitlinie: Der isolierte Ventrikelseptumdefekt. (AWMF-Registernummer: 023 - 012), November 2019 Langfassung
  15. S2k-Leitlinie: Vorhofseptumdefekt. (AWMF-Registernummer: 023 - 011), November 2019 Langfassung
  16. ESC/EACTS Leitlinie: 2021 ESC/EACTS Guidelines for the management of valvular heart disease: Developed by the Task Force for the management of valvular heart disease of the European Society of Cardiology (ESC) and the European Association for Cardio-Thoracic Surgery (EACTS). European Heart Journal, ehab395. doi.org/10.1093/eurheartj/ehab395

     
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