Reine LDL-Erhöhung (Hypercholesterinämie) – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Es gibt verschiedene Faktoren, die zu einer polygenen Hypercholesterinämie führen können:

  • Genetische Belastung
  • Übermäßige Belastung durch Lebensstil und Ernährungsweise
  • Mikrobiom (Darmmikrobiom/Darmflora)
  • Erkrankungen
  • Medikamentennebenwirkungen

Je nach Grenzwertsetzung sind ca. 20 % der Bevölkerung davon betroffen.

Bei der familiären Form der Hypercholesterinämie (FH) liegt eine genetisch bedingte Störung (autosomal-dominante Hypercholesterinämie) vor: 

  • Heterozygote Form: mit 1 : 500; Gendefekt im LDL-Rezeptorgan; LDL-Cholesterin: 190-450 ng/dl (4,9-11,6 mmol/l;betroffen sind nachfolgende Gene (mit Angabe der Häufigkeit in Prozent der Fälle): LDLR Gen (74 %), APOB Gen (2-7 %),  PCSK9 Gen (< 3 %) und STAP1 Gen (Prozentzahl nicht bekannt).
  • Homozygote Form (HoFH): 1 : 1.000.000); langsamer Katabolismus und einer gleichzeitig bestehenden erhöhten Syntheserate des LDL; LDL-Cholesterin: > 400 mg/dL, 1.000 mg/dl (> 10,3 mmol/l, > 26 mmol/L) und mehr möglich

Bei einer anderen Form der genetisch bedingten Hypercholesterinämie (autosomal-rezessive Hypercholesterinämie) liegt die Störung in Mutationen in den Genen der LDL-Rezeptoren; verantwortlich sind die zwei Defektallele des LDL-R-Adapterproteins 1 (LDLRAP1).

In seltenen Fällen liegt ein familiärer ApoB-100-Defekt (nach Fredrickson-Klassifikation: IIa) vor. Hier liegt ein defektes ApoB-100 vor, was zu einer LDL-Erhöhung führt (Cholesterin: 250-600 mg/dl).

Ätiologie (Ursachen)

Folgende ursächliche Faktoren sind bei der Hypercholesterinämie bekannt:

Biographische Ursachen

  • Genetische Belastung durch Eltern, Großeltern
    • Genetisches Risiko abhängig von Genpolymorphismen:
      • Gene/SNPs (Einzelnukleotid-Polymorphismus; engl.: single nucleotide polymorphism):
        • Gene: APOB, LDLR, LDLRAP1, PCSK9, STAP1
        • SNP: Da mehr als 100 SNPs vorliegen, wird auf eine detaillierte Aufzählung verzichtet.
    • Genetische Erkrankungen
      • Porphyrie bzw. akute intermittierende Porphyrie (AIP); genetische Erkrankung mit autosomal-dominantem Erbgang; Patienten mit dieser Krankheit weisen eine Reduktion der Aktivität des Enzyms Porphobilinogen-Desaminase (PBG-D) von 50 Prozent auf, die für die Porphyrinsynthese ausreicht. Auslöser einer Porphyrieattacke, die einige Tage, aber auch Monate dauern kann, sind Infektionen, Medikamente oder Alkohol. Das klinische Bild dieser Anfälle präsentiert sich als akutes Abdomen oder als neurologische Ausfälle, die einen letalen Verlauf nehmen können. Die Leitsymptome der akuten Porphyrie sind intermittierende neurologische und psychiatrische Störungen. Im Vordergrund steht häufig eine autonome Neuropathie, die abdominelle Koliken (akutes Abdomen), Nausea (Übelkeit), Erbrechen oder Obstipation (Verstopfung) verursacht sowie eine Tachykardie (Herzschläge  > 100 Schläge/min) und ein labiler Hypertonus (Bluthochdruck).
  • Lebensalter – zunehmendes Alter:
    • Eine Hypercholesterinämie mit Werten = 250 mg/100 ml und = 300 mg/100 ml tritt bei Frauen am häufigsten im Alter zwischen 60 und 69 Jahren 
    • Bei den Männern nimmt die Verbreitung der Hypercholesterinämie bis zum 80. Lebensjahr zu.
  • Hormonelle Faktoren – Menopause (Wechseljahre der Frau): Abfall der Östrogenspiegel (→ LDL ↑ und HDL ↓)

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ernährung
    • Chronische Überernährung
      • Hohe Kalorienaufnahme
      • Hohe Aufnahme von gesättigten Fettsäuren sowie von Cholesterin und Trans-Fettsäuren [2, 3] (10-20 g Trans-Fettsäuren/Tag; z. B. Backwaren, Chips, Fast-Food-Produkte, Fertiggerichte, frittierte Speisen wie Pommes frites, Frühstücksflocken mit Fettzusatz, Snacks, Süßwaren, Trockensuppen)
      • Hoher Zuckerkonsum
    • Zu geringer Anteil einfach ungesättigter Fettsäuren
    • Zu geringer Anteil mehrfach ungesättigter Fettsäuren
    • Ballaststoffarme Ernährung
    • Mikronährstoffmangel (Vitalstoffe) – siehe Prävention mit Mikronährstoffen
  • Genussmittelkonsum
    • Kaffee – Ob Kaffeekonsum den Cholesterinspiegel erhöht, hängt von der Brühmethode und der konsumierten Menge ab. Aufgebrühter, ungefilterter Kaffee enthält im Gegensatz zu gefiltertem Kaffee eine im Kaffeeöl enthaltene fettlösliche Fraktion – Diterpene wie Cafestol und Kahweol –, die den LDL-Cholesterinspiegel sowie die Triglyceridwerte ansteigen lässt [7, 8].
      • 3-5 Tassen Espresso pro Tag führen zu signifikant erhöhten Cholesterinwerten im Vergleich zu keinem Espressokonsum.
      • Derselbe Effekt wurde beim Trinken von 6 oder mehr Tassen Pressstempelkannen-Kaffee beobachtet.
      • Auch das Trinken von Filterkaffee führt zu einer Erhöhung des Cholesterinspiegels, und zwar ab einer täglichen Menge von 6 Tassen Kaffee.
      • Löslicher Kaffee hat keinen Einfluss auf den Cholesterinspiegel.
    • Alkohol (Frau: > 20 g/Tag; Mann > 30 g/Tag)
    • Tabak (Rauchen)
  • Körperliche Aktivität
    • Bewegungsmangel
  • Psycho-soziale Situation
    • Schlafmangel [1]
    • Stress 
  • Übergewicht (BMI ≥ 25; Adipositas)? – Im Rahmen von DYSIS (Dyslipidemia International Study) wurden mehr als 50.000 Patienten in 30 Ländern untersucht. Die Autoren konnten keinen Zusammenhang zwischen Body-Mass-Index (BMI) und LDL-Cholesterin finden [4].

LDL-Erhöhung

Krankheitsbedingte Ursachen

  • Anorexia nervosa (Magersucht)
  • Cholestase (Gallenstau)
  • Hepatitis (Leberentzündung)
  • Hepatom – bösartiger Lebertumor
  • Hyperurikämie (Erhöhung des Harnsäurespiegels im Blut)
  • Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion)
  • Morbus Cushing – Gruppe von Erkrankungen, die zum Hyperkortisolismus (Hypercortisolismus; Überangebot von Cortisol) führen
  • Nephrotisches Syndrom – Sammelbegriff für Symptome, die bei verschiedenen Erkrankungen des Glomerulums (Nierenkörperchen) auftreten; Symptome sind: Proteinurie (erhöhte Ausscheidung von Eiweiß mit dem Urin) mit einem Proteinverlust von mehr als 1 g/m²/Körperoberfläche pro Tag; Hypoproteinämie, periphere Ödeme durch eine Hypalbuminämie von < 2,5 g/dl im Serum, Hyperlipoproteinämie (Fettstoffwechselstörung) mit LDL-Erhöhung
  • Niereninsuffizienz – Prozess, der zu einer langsam fortschreitenden Verringerung der Nierenfunktion führt
  • Porphyrie bzw. akute intermittierende Porphyrie (AIP); Patienten mit dieser Krankheit weisen eine Reduktion der Aktivität des Enzyms Porphobilinogen-Desaminase (PBG-D) von 50 Prozent auf, die für die Porphyrinsynthese ausreicht. Auslöser einer Porphyrieattacke, die einige Tage, aber auch Monate dauern kann, sind Infektionen, Medikamente oder Alkohol.
    Das klinische Bild dieser Anfälle präsentiert sich als akutes Abdomen oder als neurologische Ausfälle, die einen letalen Verlauf nehmen können. Die Leitsymptome der akuten Porphyrie sind intermittierende (gelegentlich oder auch chronisch) neurologische und psychiatrische Störungen. Im Vordergrund steht häufig eine autonome Neuropathie, die abdominelle Koliken (akutes Abdomen), Nausea (Übelkeit), Erbrechen oder Obstipation (Verstopfung) verursacht sowie eine Tachykardie (zu schneller Herzschlag: > 100 Schläge pro Minute) und ein labiler Hypertonus (Bluthochdruck).
  • Wachstumshormonmangel (Hyposomatotropismus, GHD, englisch growth hormone deficiency) 

Medikamente

  • Anabolika – LDL-Erhöhung um bis zu 20 % mit konsekutiv 3‑ bis 6‑fach erhöhtem KHK-Risiko (Koronare Herzkrankheit; Herzkranzgefäßerkrankung) [5, 6]
  • Carbamazepin (Antiepileptikum)
  • Ciclosporin (Cyclosporin A) (Immunsuppressivum)
  • Corticosteroide
  • Thiazide (Diuretikum)

Weiteres

  • Gravidität (Schwangerschaft) (LDL ↑)
  • Nierentransplantation

LDL-Erniedrigung

Krankheitsbedingte Ursachen

  • Chronische Infektionen
  • Gaucher-Krankheit – autosomal-rezessiv erbliche Sphingolipidose als eine auf Mangel an Glucocerebrosidase beruhende Speicherkrankheit mit Speicherung von Cerebrosiden in den Zellen
  • Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion)
  • Leberzirrhose – irreversible Schädigung der Leber und einen ausgeprägten Umbau des Lebergewebes
  • Malabsorption – Störung der Nahrungsresorption
  • Malnutrition (Mangelernährung)
  • Schwere Leberkrankheiten wie Leberzirrhose – knotiger Umbau der Leber mit Funktionsverlust

Medikamente, die das LDL erniedrigen

  • Niacinintoxikation

Operationen

  • Orchidektomie – Entfernung der Hoden

Umweltbelastung – Intoxikationen (Vergiftungen)

  • Vergiftung mit Nicotinsäure (auch: Niacin)

Weiteres

Medikamente, die das VLDL erhöhen

  • Anionenaustauscher – Medikamente zur Fettsenkung (Lipidhemmer) wie beispielsweise Colestyramin; diese binden im Darm Gallensäuren und steigern deren Ausscheidung; der Körper gleicht diesen entstehenden Mangel aus und benötigt dazu Cholesterin
  • Antiretrovirale Therapie (ART) – z. B. HIV-Protease-Inhibitoren; medikamentöse Behandlungsstrategie bei HIV-Patienten
  • Glucocorticoide – zählen zu den Corticosteroiden, einer Klasse von Steroidhormonen aus der Nebennierenrinde;  zu den natürlich vorkommenden Glucocorticoiden zählen Cortisol und Corticosteron
  • Retinolsäure (Derivat/Abkömmling des Vitamins A)

Medikamente, die die Chylomikronen erhöhen

  • Isotretinoin Mittel gegen verschiedene Hauterkrankungen wie Akne oder Psoriasis (Schuppenflechte)

Literatur

  1. Aho V et al.: Prolonged sleep restriction induces changes in pathways involved in cholesterol metabolism and inflammatory responses. doi:10.1038/srep24828
  2. Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR): Stellungnahme Nr. 015/2006 des BfR vom 30. Januar 2006
  3. Hahn A, Ströhle A, Wolters M: Ernährung – Physiologische Grundlagen, Prävention, Therapie. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart 2006
  4. Lautsch et al.: Do blood lipids correlate to body mass index? Findings from 52.916 statin treated patients. ESC 2016 Abstract 
  5. Thieme D, Buttner A: Cardiovascular alterations associated with doping. Herz 2015 May;40(3):410-6. doi: 10.1007/s00059-015-4218-2.
  6. Achar S, Rostamian A, Narayan SM: Cardiac and metabolic effects of anabolic-androgenic steroid abuse on lipids, blood pressure, left ventricular dimensions, and rhythm. Am J Cardiol 2010 Sep 15;106(6):893-901. doi: 10.1016/j.amjcard.2010.05.013.
  7. Poole R et al.: Coffee consumption and health: umbrella review of meta-analyses of multiple health outcomes. BMJ 2017; 359. doi.org/10.1136/bmj.j5024
  8. Svatun AL, Løchen ML, Thelle DS, Wilsgaard T: Association between espresso coffee and serum total cholesterol: the Tromsø Study 2015-2016. Open Heart. 2022 Apr;9(1):e001946. doi: 10.1136/openhrt-2021-001946.