Chronische Wunde – Weitere Therapie

Die Therapie von chronischen Wunden hängt von der genauen Ursache ab.

Achtung!
Therapieresistente bzw. morphologisch auffällige Ulzerationen (Geschwüre) müssen histologisch (feingeweblich) abgeklärt werden!

Spezifische Empfehlungen zu Dekubitus bzw. diabetischem Fuß siehe unter dem jeweiligen Krankheitsbild.

Allgemeine Maßnahmen

  • Normalgewicht anstreben!
    Bestimmung des BMI (Body Mass Index, Körpermasse-Index) bzw. der Körperzusammensetzung mittels der elektrischen Impedanzanalyse

    • Unterschreitung der BMI-Untergrenze (ab dem 19. Lebensjahr: 19; ab dem 25. Lebensjahr: 20; ab dem 35. Lebensjahr: 21; ab dem 45. Lebensjahr: 22; ab dem 55. Lebensjahr: 23; ab dem 65. Lebensjahr: 24) → Teilnahme an einem ärztlich betreuten Programm für Untergewichtige
  • Nikotinrestriktion (Verzicht auf Tabakkonsum)

Konventionelle nicht-operative Therapieverfahren

Das Wundmanagement muss sich immer an den Wundheilungsstadien orientieren:

  • Exsudationsphase (Entzündungs- oder Reinigungsphase) oder inflammatorische Phase (Entzündungsphase)
  • Proliferationsphase oder Granulationsphase (Gewebeneubildung: Fibroblasten werden durch körpereigene Wachstumsfaktoren zur Einwanderung in die Wunde stimuliert und nutzen das Fibringerüst als Basis zur Gewebeneubildung)
  • Epithelisierungsphase (Bildung von Narbengewebe) oder Regenerationsphase

Lokales Wundmanagement/ Wundtherapie:

  • Stadienabhängiges Vorgehen
    • Exsudations- und Inflammationsphase
      • Débridement (Wundtoilette): Um eine Heilung der Wunde zu ermöglichen, sollte bei einem Debridement avitales (Gewebe sowie Fremdkörper entfernt und der Wundgrund gereinigt werden. 
        • Spülung mit steriler Ringer- oder physiologischer Kochsalzlösung
        • mechanisches Débridement: Entfernung lockerer Wundbelege mittels sterilen Baumwollkompressen
        • chirurgisches Débridement: Beseitigung fest anhaftender Belege oder Nekrosen (Gewebetod) durch scharfes, chirurgisches Débridement
      • Einsatz von Materialien mit hoher Saugkraft und Bindungskapazität: Alginate und Hydrofasern; diese binden Exsudat ("Wundflüssigkeit") und Zelldetritus (Reste von Zell- und Gewebsverfall)
      • Bakterielle Besiedelung des Dekubitus: desinfizierende Wundreinigung erforderlich
      • Systemische Inflammation: Antibiotikatherapie
    • Granulationsphase: Die Granulation (sichtbares Auftreten von körnchenartigen Strukturen) wird durch feuchte Wundverbände unterstützt; verschiedenste Wirkstoffe wie Aktivkohle oder Alginat werden eingesetzt.
    • Epithelisationsphase: In der Immobilisations- wie auch in der Granulationsphase soll der Zellstoffwechsel möglichst wenig durch Verbandswechsel gestört werden.
      Beachte: Jeder Verbandswechsel unterbricht die Wundheilung!
      • Abdecken der proliferierenden Wunde durch luftdurchlässige, aber wasserundurchlässige Verbände (Hydrokolloide/2-3 cm Überdeckung des Wundrands oder Polyurethanschäume); in Abhängigkeit von der Exsudatmenge können die Verbände bis zu sieben Tage auf dem Dekubitus verbleiben.
  • Unterstützende Behandlungsmaßnahmen
    • Vakuumtherapie (Vakuum-Versiegelungstherapie (VVS); Vakuum-Assistierte ClosureTechnik, VAC; "negative pressure wound Therapy", NPWT) zum Exudatmanagement – Einsatz in der Exsudations- und Granulationshase; Verfahren ist besonders effektiv bei tiefen Wundhöhlen; Sog zwischen 75 und 125 mmHg:
      • Wundödem wird reduziert
      • Wundkontraktion
      • taktiler Reiz
      • verbesserter kapillärer Blutfluss
      • Die Vakuumtherapie kann zur versorgungsbedingten Wundauffüllung und zur Reduktion der Wundtiefe/des Wundvolumens empfohlen werden.
      • Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) sieht bei der sekundären Wundheilung mit der Vakuumversiegelungstherapie (VVS) in seinem Endbericht einen „Hinweis“ auf einen höheren Nutzen im Vergleich zur Standard­behandlung [1].
    • Biochirurgie: Behandlung mittels steril gezüchteter Maden der Goldfliege (Lucilia sericata); Wirkung durch proteolytische Enzyme, antimikrobielle Peptide und Kollagenasen  selektives Débridement ohne Blutung
    • Hyperbare Oxygenierung (HBO; Synonyme: hyperbare Sauerstofftherapie, HBO-Therapie; engl.: hyperbaric oxygen therapy; HBO2, HBOT); Therapie, bei der medizinisch reiner Sauerstoff unter einem erhöhten Umgebungsdruck zur Anwendung kommt – kommt bei austherapierten amputationsgefährdeten Wunden beim diabetischen Fußsyndrom zum Einsatz
    • Suffiziente Kompressionstherapie muss insbesondere bei Ulcus cruris venosum und mixtum erfolgen (s. u. Ulcus cruris venosum; s. a. unter Kompressionstherapie).
      • Akute Entstauungsphase: Mehrlagenkompressionsverbände (am besten mit Drucksensor; adäquater Kompressionsdruck von ca. 40 mmHg)
      • Erhaltungsphase: medizinische Kompressionsstrümpfe (MKS) bzw. Ulkus-Strumpfsysteme
      Kontraindikationenkardial bedingte Ödeme und einer schweren peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) (Ankle brachial index [ABI] < 0,5 bzw. absoluter systolischer Knöcheldruck < 60-80 mm Hg)
  • Allgemeine Hinweise
    • Ein Vorteil der feuchten Wundbehandlung ist belegt.
    • Man kann verschiedene Formen der Wundauflagen nutzen.
    • Wundspülung mittels steriler Produkte; chemische Zusätze werden nicht empfohlen; der Einsatz von Antiseptika (Mittel der ersten Wahl: Polyhexanid (PHMB); nicht allerdings Wasserstoffperoxid (H 2 O 2) und Chlorhexidin) kann bei Entzündungen, die erregerbedingt sind, erwogen werden
    • Hydrogele werden bei Bedarf beim diabetischen Fußsyndrom, Ulcus cruris venosum und arteriosum empfohlen
    • Wundauflagen mit folgenden Kriterien können empfohlen werden: Praktikabilität, Haftstärke, Aufnahme und Rückhaltung von Exsudat, Vermeidung von Mazeration, Vermeidung von Schmerzen. Dabei ist zu beachten:
      • Liegt eine trockene Nekrose vor? → Nekrose trocken halten
      • Starkes oder ausgewogenes Exsudat → Schutz von Wundrand und Wundumgebung; Vermeidung von Flüssigkeitsaustritt aus dem Verband
      • Schwaches Exsudataufkommen → Vermeidung von trockenheitsbedingten Nachteilen (z. B. Schmerz)
    • Die Anwendung von Honig kann nicht empfohlen werden
    • Silberhaltige Wundauflagen zeigen in Studien keinen Vorteil.
    • Der Ulkusrand (Geschwürrand) kann mit Zinkpaste vor Mazeration  (Aufweichung des Gewebes) geschützt werden.
    • Ernährungsmedizinische Maßnahmen, d. h. Supplementierung/Gaben von Makro- und Mikronährstoffen: Protein, Vitaminen (Vitamin C, Folat) und Spurenelementen (Eisen, Selen, Zink)
    • Allgemeine Maßnahmen beinhalten auch Hautpflege und Behandlung von Mangelernährung; bei Dekubitus: druckverteilende Unterlagen, häufige Positionswechsel und Fersenfreilagerung sowie ein „prophylaktischer Verband als Ergänzung zu anderen Strategien“ empfohlen [Leitlinie des European Pressure Ulcer Advisory Panel].

Impfungen

Die nachfolgenden Impfungen sind angeraten:

  • Grippe-Impfung
  • Pneumokokken-Impfung

Regelmäßige Kontrolluntersuchungen

  • Regelmäßige ärztliche Kontrolluntersuchungen

Ernährungsmedizin

  • Ernährungsberatung auf der Grundlage einer Ernährungsanalyse
  • Ernährungsempfehlungen gemäß einem Mischköstler unter Berücksichtigung der vorliegenden Erkrankung. Das bedeutet u. a.:
    • täglich insgesamt 5 Portionen frisches Gemüse und Obst (≥ 400 g; 3 Portionen Gemüse und 2 Portionen Obst)
    • ein- bis zweimal pro Woche frischen Seefisch, d. h. fette Meeresfische (Omega-3-Fettsäuren) wie Lachs, Hering, Makrele
    • ballaststoffreiche Ernährung (Vollkornprodukte, Gemüse)
  • Beachtung folgender spezieller Ernährungsempfehlungen:
    • Ernährung reich an:
      • Vitaminen (Vitamin C, Folat)
      • Spurenelementen (Eisen, Selen, Zink)
      • Omega-3-Fettsäuren (Meeresfisch)
  • Auswahl geeigneter Lebensmittel auf Grundlage der Ernährungsanalyse
  • Siehe auch unter "Therapie mit Mikronährstoffen (Vitalstoffe)" – ggf. Einnahme eines geeigneten Nahrungsergänzungsmittels
    Für Fragen zum Thema Nahrungsergänzungsmittel stehen wir Ihnen gerne kostenfrei zur Verfügung.
    Nehmen Sie bei Fragen dazu bitte per E-Mail – info@docmedicus.de – Kontakt mit uns auf, und teilen Sie uns dabei Ihre Telefonnummer mit und wann wir Sie am besten erreichen können.
  • Detaillierte Informationen zur Ernährungsmedizin erhalten Sie von uns.

Komplementäre Behandlungsmethoden

  • Magnetfeldtherapie – kann begleitend bei venösen Ulzera eingesetzt werden
  • Niederfrequenter Leitungsultraschall – keine ausreichenden Studien verfügbar
  • Niederfrequente Gleichstromimpulse – keine ausreichenden Studien verfügbar
  • Extrakorporale Stoßwellen – keine ausreichenden Studien verfügbar
  • Wassergefiltertes Infrarotlicht – keine ausreichenden Studien verfügbar
  • Lasertherapie – keine ausreichenden Studien verfügbar
  • Manuelle Lymphdrainage – zur Verbesserung der Wundheilung (nicht nur bei der chronisch venösen Insuffizienz (CVI) oder einem Lymphödem)
  • Kompressionstherapie (u. a. phlebologischer Kompressionsverband (PKV)) und interventionelle Therapien – beim Ulcus cruris (Synonyme: Unterschenkelgeschwür, "Offenes Bein")

Organisationen und Selbsthilfegruppen

  • Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA)
    Postfach 91 01 52, D-51071 Köln
    Telefon: 0221-89920, Fax: 0221-8992300 E-Mail: poststelle@bzga.de, Internet: www.bzga.de

Literatur

  1. IQWIG Bericht: Vakuumversiegelungstherapie von Wunden mit intendierter sekundärer Wundheilung. IQWiG-Berichte – Nr. 713 Auftrag: Version: Stand: N17-01A 1.0 24.01.2019

Leitlinien

  1. S3-Leitlinie: Lokaltherapie chronischer Wunden bei Patienten mit den Risiken periphere arterielle Verschlusskrankheit, Diabetes mellitus, chronische venöse Insuffizienz. (AWMF-Registernummer: 091-001), Juni 2012 Kurzfassung Langfassung
  2. S2k-Leitlinie: Medizinische Kompressionstherapie der Extremitäten mit Medizinischem Kompressionsstrumpf (MKS), Phlebologischem Kompressionsverband (PKV) und Medizinischen adaptiven Kompressionssystemen (MAK). (AWMF-Registernummer: 037 - 005), Dezember 2018 Langfassung