Ursachen
Epilepsie

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Die Epilepsie stellt eine Funktionsstörung des Gehirns dar, die durch eine pathologische Erregungsausbreitung gekennzeichnet ist. Dabei kommt es anfallsartig zu explosiven Entladungen zentraler Neurone (Nervenzellen). Diese kann sich dann je nach dem genauen Ort der Störung in sehr verschiedenen Symptomen äußern.

Trigger für einen epileptischen Anfall sind Schlafstörungen (Anfallstriggerung durch Arousal/Grad der Aktivierung des zentralen Nervensystems, der mit einem erhöhten Sympathikotonus einhergeht, das bei Beendigung der Apnoe (Atemstillstand) auftritt und einen instabilen Schlaf verursacht), Flackerlicht, Fieber (insbesondere bei Kindern), Absetzen von Antikonvulsiva (Antiepileptika) sowie Alkoholexzesse.

Bei Frauen ist eine Anfallshäufigkeit in Bezug auf die Zyklusphase gegeben. Dabei schreibt man den Östrogenen eine anfallsfördernde und Progesteron (Gestagen) eine anfallshemmende Wirkung zu:

  • perimentruell (um den Zeitpunkt der Menstruation herum) mit typischen Gestagenabfall am Zyklusende (Tag 3)
  • periovulatorischer Peak (Anstieg zum Zeitpunkt um den Eisprung) (Tag 10-13)
  • zweite Zyklushälfte bei Störungen der lutealen Funktion (Corpus-luteum-Insuffizienz/Gelbkörperhormonschwäche); Tag 10 bis Tag 3 des Folgezyklus

Beachte: Bei pädiatrischen Patienten mit Status epilepticus liegt in ca. 50 % der Fälle bekannte neurologische Vorerkrankungen beziehungsweise Epilepsien, bei denen eine Statusneigung meist bereits bekannt ist.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Genetische Belastung durch Eltern, Großeltern
    • Ursache von Epilepsien bei Kindern sind u. a. Mutationen im Natriumkanal-Gen SCN2A
    • Idiopathische generalisierte Epilepsie: veränderte Gene, die für die inhibitorischen GABAA-Rezeptoren kodieren [2]

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ernährung
    • Mikronährstoffmangel (Vitalstoffe) – siehe Prävention mit Mikronährstoffen
  • Genussmittelkonsum
    • Alkohol – Übermäßiger Alkoholkonsum (aber auch Alkoholentzug)
    • Nikotin aus E-Zigaretten – einer akute Überdosierung von Nikotin kann tonisch-klonische Anfälle auslösen (35 Einzelfälle) [3]
      In Deutschland sind E-Zigaretten sicherer, da die Nikotinkonzentration auf maximal 20 mg/ml begrenzt ist. In den USA sind Kapseln mit 50 mg/ml erhältlich.
  • Drogenkonsum
  • Schlafqualität
    • Schlafdeprivation – willentlich oder unwillentlich herbeigeführter Entzug von Schlaf

Krankheitsbedingte Ursachen

  • Alzheimer-Erkrankung
  • Anomalien (Missbildungen) des zentralen Nervensystems
  • Durchblutungsstörungen im Gehirn
  • Elektrolytverschiebungen (Abweichung von der normalen Elektrolytkonzentration/Konzentration der Blutsalze)
    • Hyper- und Hyponatriämie (Natriumüberschuss und -mangel) [vornehmlich Hyponatriämie]
    • Hypocalcämie (Calciummangel)
    • Hypomagnesiämie (Magnesiummangel)
  • Entwicklungsstörungen bei Kindern
  • Enzephalitiden (Gehirnentzündungen): u. a. Autoimmunenzephalitis – durch Antikörper der Immunglobulin-Klasse G (IgG) gegen körpereigenes Gewebe ausgelöste Enzephalitis; als häufigste Auslöser einer Antikörper-vermittelten Enzephalitis wurden Immunglobuline gegen NMDA-Rezeptoren und das sogenannte Leucin-rich glioma inactivated protein 1 (LGI1) identifiziert; die unterschiedlichen Auslöser führen zu unterschiedlichen Krankheitsbildern:
    • Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis: Epilepsien (Anfälle), psychotisches Verhalten, Bewegungsstörungen und ggf. auch intensivpflichtige Störungen des vegetativen Nervensystems 
    • Limbische Enzephalitis mit LGI1-Antikörpern: Epilepsien und Gedächtnisstörungen
  • Fieber → Fieberkrampf, prolongierten (damit komplizierten) (ca. 30 % der Fälle bei Kindern mit Status epilepticus)
  • Hirnblutungen
  • Hirntumoren
  • Hirnmetastasen (Tochtergeschwülste von Tumoren aus anderen Körperregionen)
  • Hormonelle Störungen (Frauen betreffend: Östrogene schreibt man eine anfallsfördernde Wirkung zu; Progesteron hat eine anfallshemmende Wirkung)
  • Infektionen
  • Intoxikationen (Vergiftungen)
  • Leberversagen
  • Medikamentenentzug
  • Nierenversagen
  • Porphyrie bzw. akute intermittierende Porphyrie (AIP); genetische Erkrankung mit autosomal-dominantem Erbgang; Patienten mit dieser Krankheit weisen eine Reduktion der Aktivität des Enzyms Porphobilinogen-Desaminase (PBG-D) von 50 Prozent auf, die für die Porphyrinsynthese ausreicht. Auslöser einer Porphyrieattacke, die einige Tage, aber auch Monate dauern kann, sind Infektionen, Medikamente oder Alkohol. Das klinische Bild dieser Anfälle präsentiert sich als akutes Abdomen oder als neurologische Ausfälle, die einen letalen Verlauf nehmen können. Die Leitsymptome der akuten Porphyrie sind intermittierende neurologische und psychiatrische Störungen. Im Vordergrund steht häufig eine autonome Neuropathie, die abdominelle Koliken (akutes Abdomen), Nausea (Übelkeit), Erbrechen oder Obstipation (Verstopfung) verursacht sowie eine Tachykardie (zu schneller Herzschlag: > 100 Schläge pro Minute) und ein labiler Hypertonus (Bluthochdruck).
  • Pyridoxin (Vitamin B6)-Mangel beim Neugeborenen
  • Schädel-Hirn-Trauma (SHT)
  • Toxoplasmose – 2,25-fach höheres Risiko für eine Epilepsie [1]
  • Vaskulitiden (Gefäßentzündungen auf Grund von Autoimmunerkrankungen)

Labordiagnosen – Laborparameter, die als unabhängige Risikofaktoren gelten

  • Hyperglykämie (Überzuckerung)
  • Hypernatriämie (Natriumüberschuss)
  • Hypocalcämie (Calciummangel)
  • Hypoglykämie (Unterzuckerung)
  • Hyponatriämie (Natriummangel)
  • Hypomagnesiämie (Magnesiummangel)

Medikamente

  • Analgetika (Schmerzmittel)
  • Antibiotika
  • Direkte orale Antikoagulantien, kurz DOAK bzw. NOAK (neue orale Antikoagulantien) – Patienten mit Vorhofflimmern haben unter DOAKs ein höheres Risiko für Epilepsie bzw. Krampfanfälle als mit Phenprocoumon (Vitamin-K-Antagonisten (VKA): Marcumar, Falithrom, weitere Generika) [5].
    Hinweis: Die Autoren weisen darauf hin, dass unter Phenprocoumon möglicherweise der Schutz vor stummen Hirninfarkten besser ist als unter DOAK.
  • Flumazenil – Gegenmittel bei Beruhigungsmittelvergiftung – kann bei Beruhigungsmittelabhängigkeit zu Krampfanfällen führen
  • Immunsuppressiva – Medikamente, die die körpereigene Abwehr drosseln
  • Lokalanästhetika – Mittel zur örtlichen Betäubung
  • Methylphenidat – Risiko eines epileptischen Anfalls in den ersten 30 Tagen der Methylphenidattherapie erhöht [4]
  • Psychopharmaka – Medikamente, die bei psychischen Erkrankungen eingesetzt werden
  • Theophyllin – Medikament zur Behandlung von Lungenerkrankungen
  • Virostatika – Medikamente zur Bekämpfung von Infektionen durch Viren

Operationen

  • Bei Operationen am Gehirn kann es als Komplikation zu einem Krampfanfall kommen

Umweltbelastung – Intoxikationen (Vergiftungen)

  • Stroboskoplicht in Clubs → Patienten mit einer bekannten lichtempfindlichen Epilepsie sollten solche Veranstaltungen meiden bzw. Vorsichtsmaßnahmen ergreifen

Weitere Ursachen

  • Kontrastmittel in der Radiologie

Literatur

  1. Ngoungou EB et al.: Toxoplasmosis and epilepsy– systematic review and meta analysis. PLoS Negl Trop Dis. 2015 Feb 19;9(2):e0003525. doi: 10.1371/journal.pntd.0003525. eCollection 2015.
  2. May P et al.: Rare coding variants in genes encoding GABAA receptors in genetic generalised epilepsies: an exome-based case-control study. Lancet Neurology Volume 17, Issue 8, P 699-708, August 01, 2018 doi: https://doi.org/10.1016/S1474-4422(18)30215-1
  3. Safety Reporting Portal
  4. Man KKC et al.: Association between MPH treatment and risk of seizure. Lancet Child Adolesc Health 2020;4:435-43 doi: 10.1016/S2352-4642(20)30100-0
  5. Platzbecker K et al.: In atrial fibrillation epilepsy risk differs between oral anticoagulants: active comparator, nested case-control study. Europace 2023; https://doi.org/10.1093/europace/euad087
     
Wir helfen Ihnen in jeder Lebenslage
Die auf unserer Homepage für Sie bereitgestellten Gesundheits- und Medizininformationen ersetzen nicht die professionelle Beratung oder Behandlung durch einen approbierten Arzt.
DocMedicus Suche

 
   -
   -
   -
   -
   -
   -
   -
   -
   -
   -
   -
   -
   -
   -
ArztOnline.jpg
 
DocMedicus                          
Gesundheitsportal

Unsere Partner DocMedicus Verlag